Friedrich Ruckert

Rostam und Sohrab


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nicht ein Wort

      Den Seinigen im Haus, in Eile ritt er fort.

      Der Mark von Turan zu wand’ er sein lockig Haupt,

      Als wie ein Löwe, der nach seiner Beute schnaubt.

      Wie zu der Turanmark er hingekommen war,

      Die Heide nahm er da voll wilder Elche wahr.

      Wie eine Rose war erblüht des Helden Wange

      Vor Lust, er tummelte den Rachs mit raschem Gange.

      Mit Pfeil und Bogen bald, mit Keul’ und Fangeschnur

      Ein Dutzend Stücke warf er nieder auf die Flur.

      Aus Dornen und Gesträuch und manchem Baumes Ast

      Entzündet’ er darauf ein Feuer von starkem Glast.

      Und als zu Kohlenglut war eingebrannt die Flamm’,

      Erkor der Recke sich zum Bratspieß einen Stamm.

      Der Elche feistesten steckt’ er an diesen Baum,

      Der wog in seiner Hand nicht eines Vogels Flaum.

      Er drehte wohl den Spieß, dass fein der Braten briete

      Auf allen Seiten gleich und nirgend ihm missriete.

      Und als er gar nun war, nahm er ihn vor und saß

      Am grünen Boden hin mit guter Lust und aß,

      Wobei er auch das Mark im Knochen nicht vergaß.

      Gesättigt schritt er nun hin, wo ein Wasser lief,

      Zur Gnüge trank er auch, dann legt’ er sich und schlief.

      Am Rand des Baches lag der Held, den heißen Tag

      Ausschlafend, und sein Ross ging weidend frei im Hag.

      2.

      Als Rostam lag und schlief und an sein Ross nicht dachte,

      Da kamen Türken her, ein sieben oder achte.

      Die sahn ein edles Ross frei weiden in dem Bann

      Von Turan, und zu sehn zum Rosse war kein Mann.

      Worauf sie sich alsbald das Ross zu fangen schickten:

      Sie hättens nicht gewagt, wo sie den Mann erblickten!

      Da kamen sie dem Rachs mit ihrer Fangschnur nah;

      Aufschnaubt’ er wie ein Leu, da er die Fangschnur sah.

      Nicht wollte sich der Rachs geduldig lassen fangen,

      Es wäre schlimm zuvor erst einigen ergangen.

      Den Kopf vom Rumpfe riss dem einen sein Gebiss;

      Derweil ein Hufschlag zwei zu Boden hinten schmiss.

      Der kühnen Türken so getötet lagen drei,

      Das kriegerische Ross war noch von Banden frei.

      Doch unverdrossen stürmt’ herbei der andre Tross

      Und warfen übers Haupt mit Müh die Schnur dem Ross.

      Gebändigt führen sie’s zur nahen Stadt in Eil,

      Es wär’ um vieles Gold ihr Fang nicht ihnen feil.

      Es sei von hoher Art, ersahn sie an den Zeichen;

      Jedweder wollte Teil am edlen Hengst erreichen.

      Sie fürchteten, der Raub werd’ ihnen bald entführt;

      Nicht lange bliebe solch ein Schatz unaufgespürt.

      Da brachten sie geschwind ihn zu der Stuterei,

      Dass seines Samens doch teilhaftig jeder sei.

      Ich hörte, dass er dort auf zwanzig Stuten sprang,

      Die alle seiner Wucht erlagen beim Empfang.

      Und nur von einer ward getragen Leibesfrucht;

      Zu Großem war bestimmt das Fohlen edler Zucht.

      3.

      Doch Rostam, wie er dort von seinem Schlaf erwachte,

      Das erste war sein Ross, an das er wieder dachte.

      Er blickt’ umher und sah sein Ross nicht mehr im Hag;

      Verlaufen hatt’ es ihm sich nie vor diesem Tag.

      Laut rief er ihm; sonst kam’s auf leisen Ruf herbei;

      Nun kam es nicht; da sprang er auf mit lautem Schrei.

      Er suchte rings im Hag, er spähte durch die Flur,

      Von seinem Rosse fand er hier und dort die Spur,

      Es selber fand er nicht und rief: O weh! Verloren

      Hab’ ich, derweil ich schlief, mein Ross gleich einem Toren.

      Was soll ich ohne Ross mit dieser Rüstung tun?

      Des Rittes lang gewohnt, geh ich zu Fuße nun?

      Was werden Türken, wenn sie mir begegnen, sagen,

      Dass ich den Sattel muss, statt mich der Sattel, tragen?

      Verlaufen hat sichs nicht, das ist nicht seine Art;

      Nun desto schlimmer, wenn es mir gestohlen ward!

      Doch lang bleibt nicht der Rachs des Rostam unbekannt;

      Auffinden werd’ ich ihn, der mir den Rachs entwand!

      Kam wohl, derweil ich schlief, ein ganzes Türkenheer?

      Denn einem einz’gen ist der Rachs zu fangen schwer.

      Doch den Gedanken ist vergebens nachzuhangen;

      Auf, rüste dich zum Gang, weil dir dein Ross entgangen!

      So sprach er unmutsvoll und schwieg und schaute stumm

      Noch eine Weile sich nach seinem Rösslein um;

      Denn immer dacht’ er noch, es müsste wiederkommen:

      Wer auf der Welt sollt’ ihm haben den Rachs genommen?

      Als aber doch der Rachs nicht wiederkommen wollte,

      Macht’ er sich endlich an den sauren Gang und grollte.

      Mit Waffen und Geschirr belud er sich und sprach

      Noch viel mit sich, indem er ging den Spuren nach.

      Die Spuren leiteten zur Stadt Samangan ihn,

      Die dort im Abendstrahl zu ihm herüber schien.

      4.

      Er sprach: Das ist die Stadt, in der ein König sitzt,

      Der es mit Turan jetzt und hält mit Iran itzt,

      Der wie die Waage schwankt, sich nach der Seite neigt,

      Wo sich ein Perser hier und dort ein Türke zeigt.

      Den Rostam kennen sie, wenn er zu Pferde steigt!

      Doch fehlt mir ja der Rachs, dass ich zu Pferde steige!

      Ob ich zu Fuße denn mich in Samangan zeige?

      Ich geh’ in ihre Stadt zu Fuß mit meinen Waffen,

      Und seh’, ob meinen Rachs sie dort mir wieder schaffen!

      Ich sag’ es ihnen gleich, dass sie ihn schaffen sollen,

      Und denke nicht, dass sie ihn vorenthalten wollen!

      Ich werb’ um Gastherberg’ in dieser Stadt der Grenzen

      Und sehe, was beim Schmaus dem Rostam sie kredenzen!

      So sprach er unterm Gehn, doch aus den Augen