Yvonne-Sophie Epp

Wueste und Zitronengras


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Arbeiter bei uns im Garten herumsitzen, die auch noch alle laut und genuesslich vor sich hin rotzten und spuckten, jedoch sahen wir keinen Fortschritt. Viele Koeche verderben den Brei. Hier kam das Sprichwort erst richtig zur Geltung. Zwar mochte ich unsere Arbeiter konnte jedoch nach einer so langen Zeit die geballte Inkompetenz immer weniger ertragen.

      Bald war Weihnachten und noch immer war unser Haus von Aussen mit riesigen, blauen Plastikplanen verhuellt. Es sah nicht so aus als wuerde unser Pool und die Gartenanlage auch nur

      annaehernd fertig werden. Der Sand aus unserem Garten verbreitete sich nun ueberall im Haus und die schlimmen Sandstuerme aus Saudi Arabien setzten dem Ganzen noch die Krone auf.

      Heller Sand, wohin man nur sah. Sogar in den Schraenken, auf dem Geschirr, in der Bettwaesche , in Nase, Ohren, Mund und Augen, war Sand. So fein wie Puder kam er selbst durch die kleinsten Ritzen. Auch vor der Klimaanlage in den Decken machte er nicht halt und so konnte man beobachten wie der feine Wuestensand leise ins Haus rieselte. Da er sich auch nicht wegsaugen liess musste man ihm mit Besen und Kehrblech zu Laibe ruecken. Jetzt hatten wir auch noch die Wueste im Haus. Meine anfaengliche Begeisterung hielt sich in Grenzen.

      Erschwerend kam hinzu, dass wir auch nach mehreren Wochen noch immer keine funktionierende Kueche hatten. Es gab keinen Herd, keine Spuele oder Spuelmaschine und keine Mikrowelle. Zwar versprach man uns immer wieder, dass wir in 2 bis 3 Tagen unsere Kueche benutzen koennten, Inshallah, jedoch dauerten diese 2 bis maximal 3 Tage schon mehr als 5 Wochen an. Damals wusste ich noch nicht, dass „Inshallah“ so viel bedeutet wie „wenn Allah will“ und somit konnte man davon ausgehen das Dinge auf unbestimmte Zeit verschoben wurden. Da Allah in Dubai und bei mir im Besonderen scheinbar nie wollte, musste ich wohl geduldig abwarten! Inshallah!

      Meinem Mann machte diese unertraegliche Situation mit einem Kind und ohne Kueche, dafuer jedoch Sand pur, natuerlich nichts aus. Wie ueblich, begab er sich kurzer Hand auf eine lange und weite Geschaeftsreise. Wie praktisch!

      Seine Abschiedsworte waren: „Du machst das schon.“

      Also versuchte ich mich zusammen zu reissen und einen kuehlen Kopf zu bewahren. Was bei den Temperaturen nicht ganz so einfach war. Jeden Tag auf 's Neue hoffte ich auf Besserung und freute mich auch ueber noch so kleine Schritte.

      Was haette ich darum gegen einfach mal in den Arm genommen zu werden. Ein paar aufmunternde Worte zu hoeren. Wie sehnte ich mich nach Liebe und Zaertlichkeiten. Insgeheim verfluchte ich meinen Mann das er mir das an tat und nie fuer mich da war.

      Seit die Arbeit meiner netten Pooltruppe beendet war und wir von der Firma eine andere pakistanische Arbeitskolonne zugeteilt bekamen, lief nichts mehr richtig. So beobachtete ich eines Tages, dass die Baugrube fuer den Pool vom Niveau her nicht stimmte und machte die Arbeiter sogleich darauf aufmerksam. Laut gestikulierend stritten sie miteinander, rotzten hier hin und dort hin, schnieften, wischten sich die Rotze an ihrer Shawal Kameez ab und schauten mich mit grossen

      fragenden Augen an. Dann sprangen alle aus dem tiefen Loch welches Inshallah irgendwann einmal unser Pool werden sollte, kreisten mit ihren Koepfen hin und her, legten ihre

      Plastiktischdecke auf den Boden in den Sand, schmissen ihren Reis, Gemuese und Naan Brot darauf, setzten sich im Schneiderstitz dazu und fingen genussvoll an zu esse. Ich stand wie ein begossener Pudel daneben und wusste nicht so recht was ich jetzt machen sollte. Obwohl ich diese Menschen mochte, konnte ich trotzdem nicht tatenlos zusehen wie unser Pool falsch angelegt wurde.

      Nach reiflichem Ueberlegen beschloss ich schliesslich den Chef der Poolfirma an zu rufen, um mit ihm ueber das Problem zu reden. Schliesslich hatte meinVater frueher eine grosse Bautraegergesellschaft gehabt und war Architekt. Somit war ich von Kindesbeinen an mit dem Bauwesen vertraut und wusste genau wovon ich hier sprach.

      Was ich jedoch dabei ganz und gar vergass war die Tatsache, dass ich ja „NUR“ eine Frau war. Frauen haben keine Stimme in arabischen Laendern, das sollte ich jetzt auch erfahren.

      Kurz entschlossen griff ich zum Telefonhoerer und rief den Chef der Poolfirma an. Als ich ihm mein Problem erklaeren wollte meinte er nur ganz gelangweilt, dass mein Mann ihn anrufen soll. Daraufhin erklaerte ich ihm, dass mein Mann die naechsten zwei Wochen noch in Amerika sei und er mit mir vorlieb nehmen muesse, da mein Mann von diesen Dingen sowieso keine Ahnung habe. Augenblicklich wies er mich in meine Schranken und gab mir zu verstehen, dass er keine Ratschlaege von einer Frau annahm. Er erklaerte mir das ich zwei Moeglichkeiten haette. Entweder mein Mann rief ihn selbst an oder sie stellten die Arbeiten ein. Wie vor den Kopf gestossen legte ich den Telefonhoerer auf.

      Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was fuer ein Unfug war das denn? In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Was sollte ich denn jetzt machen? Wenn ich meinen Mann in Amerika anrief dann war dieser stinke sauer mit mir und machte mich mal wieder zur Schnecke. Er wuerde mir mitteilen, dass er nur Scherereien mit mir Nichtsnutz haette. Rief ich ihn nicht an und die Arbeiten wuerden eingestellt werden, waere er super sauer wenn er nachhause kam und keinen Fortschritt sah. Schliesslich sollte der Pool bis Weihnachten fertig werden und bis dahin waren es nur noch ein paar Wochen. Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte, ich war mal wieder die Dumme. Also beschloss ich ihn anzurufen Da Michael erst in mehr als zwei Wochen nachhause kommen sollte, hatte er also genug Zeit um sich abzureagieren. Klopfenden Herzens waehlte ich seine Nummer.

      Sein Telefon klingelte und klingelte. Hoffentlich hatte er mal zur Abwechslung gute Laune. Oder spielte er wieder sein Lieblingsspiel 'toter Mann'? Das Spiel ging folgender Massen. Egal wie dringend etwas war, falls ich ihn mal anrief ging er nicht an das Telefon und Mails oder SMS beantwortete er natuerlich auch nie. Er ignorierte einfach alles, da er keine Lust hatte sich um etwas zu kuemmern. Dabei wusste er ganz genau, wenn ich mal anrief, dass es sehr wichtig sein musste. Ich war keine Frau die mit Kontrollanrufen nervte. Ich vertraute ihm. Wie dumm und naiv das von mir war, sollte ich viele Jahre spaeter durch einen bloeden Zufall erfahren.

      „Jaaaaa,hallo!“

      Seine Stimme am anderen Ende der Linie klang wie ueblich genervt. War ich froh so weit von ihm entfernt zu sein. Mir wurde ganz flau im Magen.

      „Hallo Michael ich bin's. Geht es dir gut? Ich muss dringend mit dir sprechen“.

      „Was willst du? Musst du mich immer stoeren? Ich will jetzt Abendesssen gehen und nicht mir dir reden.“

      „Aber Michael bitte, wir muessen miteinander reden. Es gibt ein Problem mit dem Pool“.

      „Immer machst du Theater, kannst du nicht mal selbst Probleme loesen? Wieso brauchst du mich

      dafuer? Ich bin schliesslich am anderen Ende der Welt. Du nervst!”

      „Michael, sei jetzt bitte nicht so unfair. Hier in der arabischen Welt kann ich als Frau nichts ausrichten. Mir bleibt nichts anderes uebrig als dich anzurufen damit du mir hilfst. Bitte hoer mir doch einen Augenblick zu“.

      „Mein Gott, na los red schon aber fasse dich kurz. Was willst du“?

      „Also die Arbeiter haben die Baugrube fuer unseren Pool falsch ausgehoben und der Chef, den ich schon kontaktiert habe, will mit mir nicht darueber reden da ich eine Frau bin und nichts zu sagen habe. Es geht darum, dass die unterschiedlichen Tiefen falsch angelegt wurden und die

      Betonmaschine schon unterwegs zu uns ist.“

      Kurzer Hand versuchte ich meinem Mann die Situation zu schildern.

      „Was? Was faselst du da fuer einen Quatsch?“

      „Michael das ist kein Quatsch, sie wollen jetzt die Arbeiten einstellen bis du wieder zuhause bist um mit ihnen die Details zu besprechen“.

      „Yvonne, du weisst doch ganz genau, dass ich davon keine Ahnung habe. Wieso raubst du mir meine Zeit und meine Nerven damit. Mach wie du denkst. du machst das schon. Hast du ja sonst auch immer bestens hin bekommen. Was soll der Scheiss? Ich hab jetzt keine Zeit“.

      Das war mal wieder typisch mein Mann. Immer versucht er mich abzuwimmeln da er keinerlei Interesse an unserem Leben hat.

      „Michael bitte!!! Ruf du doch die Leute an und sag ihnen, dass ich in deinem Sinne entscheiden darf und