Ernst Meder

Gegen diese Zukunft


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Forderungen war er nach Mannheim gereist um, zusammen mit Dr. Moldenau, dieses Projekt Klein Schönbeck dem Vorstand vorzustellen. Sie hatten gemeinsam alle wesentlichen Daten aufbereitet, dann den Ertrag bei der Fläche über den angestrebten Zeitraum projiziert.

      Mit diesen Daten, die sie über den Zeitraum von fünf Jahren auf den Versuchsfeldern sammelten, konnten sie für das neue Saatgut den zu erwartenden Ertrag bestimmen. Ergänzt durch den Nachweis der Unbedenklichkeit, konnte bei der europäischen Behörde das Genehmigungsverfahren betrieben werden. Wenn alles wie geplant verlief, dann konnte der Bescheid durch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nur positiv ausfallen. Mit Erteilung der Zulassung sowie dem Hinweis der Unbedenklichkeit, so die wirtschaftliche Prognose, würde die Terraplan Saatgut AG zu den Big Player am Markt aufschließen. Sie würde endlich den ihr zustehenden Platz einnehmen, der bisher von anderen Saatgutherstellern besetzt wurde.

      Mit Erteilung des Patentes sowie der Zulassung durch die EFSA, würde sich die Terraplan im Besitz eines Produktes befinden, der einen Vorsprung für Jahrzehnte garantierte. Das einzige Hindernis dieses Ziel zu erreichen bestand darin, dass es in diesem Land nicht möglich war, entsprechende Flächen zur Verfügung gestellt zu bekommen, um nachprüfbare Ergebnisse vorweisen zu können. Fand man eine Fläche, die geeignet war, so gab es bestimmt Nachbarn, die in unmittelbarer Nähe Landwirtschaft betrieben und gegen das gentechnisch veränderte Saatgut protestierten.

      Bei seinen früheren Gesprächen mit WT war dieser bereit, über die Ziele der Firma zu sprechen, soweit er Bescheid wissen durfte. Dabei ging er auf die Entwicklung eines sogenannten Terminator-Saatgutes ein, welches nach nur einer Fruchtfolge nicht mehr verwendet werden kann. Mit einem sardonischen Lächeln hatte er hinzugefügt, danach begeht es Selbstmord. Damit konnte die Firma sicherstellen, dass die Landwirte jedes Jahr aufs Neue gezwungen waren, neues Saatgut zu erwerben.

      Er hatte mit WT über dessen Visionen versucht zu diskutieren, aber dann mit Erstaunen seiner Fiktion gelauscht, die dieser darüber hinaus mit einem Eifer darlegte, die missionarisch wirkte. Wenn künftige Abhängigkeiten sie beliebig an der Preisschraube drehen ließ, die Landwirte vor der Wahl standen, das Saatgut zu dem Preis zu kaufen, den die Terraplan ihnen vorgab. In einer weiteren Zukunft war es sogar vorstellbar, dass mit den Landwirten eine Vereinbarung über eine Gewinnabführung getroffen würde, die Grundlage für die Abgabe des Saatgutes wäre. Höhnisch klang seine Stimme, als er sagte, wir machen sie zu schlecht bezahlten Angestellten, die unter dem Mantel der Selbstständigkeit keine Ansprüche stellen können. Denken Sie zurück ans Mittelalter, wir werden die damals stattgefundene Leibeigenschaft in das neue Jahrtausend katapultieren, indem wir ihm nur einen anderen Namen geben.

      Während dieser Ausführungen, die er mit so viel Feuer und Leidenschaft beschrieb, wirkte er als hätte er bereits eine Grenze überschritten. Umso größer war die Enttäuschung, als der Vorstand ihnen mitteilen ließ, dass ihr Vortrag gestrichen worden sei, da nur Ergebnisse erwünscht wären, von eventuell gesetzeswidrigen Handlungen wollte der Vorstand in keinem Fall Kenntnis erlangen.

      Im Übrigen gehe man davon aus, dass Dr. Moldenau über die Qualifikation und Sachkunde verfügt, um selbstständig Entscheidungen zu treffen. Die Ablehnung durch den Vorstand schien WT nicht sonderlich zu überraschen, den einzig positiven Aspekt sah er in der nicht unerheblichen Erhöhung seines Budgets.

      Mit der Zusage von WT war er zurück nach Klein Schönbeck gefahren, um dem Verhandlungsführer der Landwirte die positive Nachricht zu übermitteln. Erst zu jenem Zeitpunkt erfuhr er von dem Widerstand dieses Holger Geldern, den er bisher bei keinem Treffen wahrgenommen hatte. Und er erkannte die Gefahr, wenn dieser die Öffentlichkeit von der nicht ganz gesetzeskonformen Anpflanzung genetisch veränderter Pflanzen informieren würde.

      Sollte das gesamte Projekt bereits vor dem Scheitern stehen, noch ehe es begonnen hatte, das konnte und wollte er nicht zulassen. Zu sehr war seine persönliche Zukunft mit diesem Projekt verknüpft, im Falle eines Scheiterns konnte er sich die Konsequenzen an seinen fünf Fingern ausrechnen. Deshalb hatte er beschlossen, sich selbst um diesen widerspenstigen Landwirt zu kümmern, ihm sogar ein höheres Angebot als den anderen zu unterbreiten, sofern es nur diesen Weg geben sollte.

      Außerdem sollten die Landwirte der Genossenschaft diesen Holger Geldern stärker einbinden, ihn ab sofort zu allen Treffen einladen. Damit so hoffte er, würde ihn die Gemeinschaft nach und nach weichklopfen, ihn von der lukrativen Vereinbarung überzeugen.

      5. Kapitel

      Dem Besucher in der Vorstandsetage der Terraplan sah man an, dass er die letzten achtundvierzig Stunden wenig geschlafen hatte. Während er im Wartebereich der obersten Etage des Verwaltungsgebäudes wartete, blickte er aus dem Fenster direkt auf die Wasserfläche des Bonadieshafens. Es ärgerte ihn, dass er, obwohl zu der vereinbarten Zeit eingetroffen, wieder einmal mit dem Wartespiel konfrontiert wurde. Damit sollte ihm schon zum Beginn des Gesprächs aufgezeigt werden, wie unwichtig er war, was für ein kleines Rädchen er in dem großen Getriebe der Terraplan darstellte.

      Bereits in der Nacht hatte er seine Kontaktperson angerufen, um diese von dem Mord an diesem Holger Geldern zu informieren. Die Behebung des einen Problems hatte allerdings ein anderes Problem aufgeworfen, da die Tötung dieses Geldern so dilettantisch erfolgt war, dass eine Korrektur nicht möglich wurde.

      Niemand hätte jetzt noch den Leichnam so drapieren können, dass man auf einen Unfall hätte schließen können, da die Verletzungen die zum Tod geführt hatten, zu eindeutig waren. Er hatte den Mord zwar nicht gesehen, da er zu spät zum Tatort gekommen war, um noch eingreifen zu können, allerdings glaubte er, einen der Täter im Dämmerlicht der Nacht erkannt zu haben.

      ›Sprechen Sie nicht weiter, kommen Sie sofort nach Mannheim, wir müssen unbedingt beraten, wie wir weiter vorgehen. Vor allen Dingen reden Sie mit keinem Menschen darüber, haben Sie mich verstanden‹, der drängende Tonfall ließ die Wichtigkeit erahnen, mit der der Angerufene auf sein Schweigen hinwies.

      ›Verstanden, ich werde sofort losfahren, ich bin jetzt sowieso nicht in der Lage zu schlafen, vielleicht muss ich zwischendurch eine Pause einlegen, bis Mittag müsste ich allerdings bei Ihnen in Mannheim eintreffen‹.

      Dieses Telefonat war es, das dazu geführt hatte, dass er jetzt in Mannheim in der Zentrale seines Auftraggebers saß. Vor sich seine Kontaktperson, der ihn bewogen hatte, die siebenhundert Kilometer mit nur einer Kaffeepause hinter sich zu bringen.

      Da er fast zwei Stunden vor dem vereinbarten Termin in Mannheim eingetroffen war, entschloss er sich, vorher ein Café zu suchen, um zu frühstücken. Noch wichtiger, er musste nochmals in Ruhe darüber nachzudenken, was er preisgeben wollte. In unmittelbarer Nähe zum Friedrichsplatz fand er ein Café, bei dem noch Tische auf dem Vorplatz frei waren, hier konnte er bestimmt beides ohne Störung durch direkte Nachbarn hinter sich bringen.

      Im Übrigen wollte er die Wärme der Sonne genießen, da jetzt bereits, mit dem Ausklang des Sommers, nicht mehr so viele Sonnentage vor ihm lagen. Gedankenverloren betrachtete er den alten Wasserturm, sah über der Spitze das langsame Dahinziehen der Kumuluswolken. Sollten diese Wolken, die Zeichen für das schöne Wetter waren, ein Omen für den bevorstehenden Besuch sein, als eine dunkelhaarige Frau vor seinem Antlitz erschien.

      ›Was kann ich für Sie tun‹, obwohl ihr Dialekt sehr ausgeprägt war, lächelte sie ihn trotzdem professionell an. Sie wartete geduldig auf seine Bestellung, ehe sie zum nächsten Tisch ging, der gerade von einem jüngeren Paar besetzt wurde.

      War es unbedingt erforderlich, bereits jetzt den vermeintlichen Täter bekannt zu geben, oder sollte er den Namen dieser Person vorerst für sich behalten. Vielleicht benötigte er zu einem späteren Zeitpunkt einen Trumpf, den er ausspielen konnte, sollte er durch eine Unachtsamkeit in Bedrängnis geraten. Vielleicht war es besser abzuwarten, dann zu reagieren, wie es die Situation erforderte, möglicherweise musste er die Entscheidung fällen, die Person bereits heute bekannt zu geben.

      Eigentlich war dieses primitive Bespitzeln unter seiner Würde, wenn man seinen beruflichen Hintergrund berücksichtigte. Er hatte in der ehemaligen DDR-Karriere gemacht, hatte bereits den Rang als Oberst in der HA II des MfS bekleidet, als diese durch die Wende jäh unterbrochen wurde. Sein