Ernst Meder

Gegen diese Zukunft


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sich in dem Zustand, in dem sie ohne äußere Einflussnahme, ohne die Erkenntnisse der KTU oder Gerichtsmedizin, alles auf sich wirken lassen konnte. Dabei versuchte sie unvoreingenommen alles Gesehene, aber auch alle Gespräche auf sich wirken zu lassen.

      Aus der Gesamtheit der Einflüsse, die sie den ganzen Tag aufgenommen hatte, versuchte sie, zum Abschluss eines Tages, das Wesentliche zu extrahieren, versuchte auf Ungereimtheiten bei den Protagonisten zu stoßen. Dabei ließ sie ihren Eingebungen freien Lauf, versuchte jeder Idee den Raum zu lassen, damit diese sich entwickeln konnte. Je erfolgreicher sie bei dieser Reduktion war, desto schneller führte der eingeschlagene Weg zu der erhofften Lösung. Oder auch nicht, wie sie zu ihrem Leidwesen manches Mal anerkennen musste.

      Dieses strukturierte Analysieren war es auch, was sie an der Polizeihochschule Basdorf in einem Maß hervorgehoben hatte, welche häufig Neid unter einigen Kollegen hervorgerufen hatte, wenn sie sich von ihr bloßgestellt fühlten. Später hatte sie in dieser Ausbildungskaserne auch ihren späteren Ehemann und jetzigen Chef kennen und wie sie damals glaubte auch lieben gelernt. Irgendwann erkannte sie, dass sie einem Irrtum aufgesessen war, aber da war es bereits zu spät, da waren sie bereits verheiratet.

      Zu diesem Zeitpunkt waren sie beide seit geraumer Zeit bei der Kriminalpolizei in Eberswalde, wo sie nach unterschiedlichen Zwischenstationen inzwischen angestellt waren.

      Obwohl ihr Abschluss an der Hochschule erheblich besser als sein Abschluss war, machte er Karriere. Erst sehr viel später erkannte sie, wie rigoros er seine Karriereplanung vorangetrieben hatte, dabei auch keine Rücksicht auf seine eigene Frau genommen hatte.

      In seiner Empfehlung wurde von Führungsqualitäten gesprochen, von Durchsetzungsvermögen bei seinen Kollegen, zutreffender hätte man ihn mit „er geht über Leichen“ beschrieben. Aus heutiger Sicht tat er ihr nur noch leid. Seine Methode nach oben schleimen, um gleichzeitig nach unten zu treten, hatte aus ihm einen einsamen Menschen gemacht.

      Als sie sich zur Trennung entschlossen hatte, konnte er nicht glauben, dass ausschließlich er der Anlass für diese Trennung war, er vermutete einen geheimen Liebhaber. Als er bemerkte, dass sie bei ihrer Freundin vorübergehend Unterschlupf gefunden hatte, begann er, sie seine Macht im Präsidium spüren zu lassen.

      Sie blickte erneut auf die Skizze, jetzt war sie überzeugter denn je, an der Geschichte gab es jede Menge an Ungereimtheiten. Aber wo konnte sie diese Ansammlung von Schweigen aufbrechen, wer war das schwächste Glied.

      Sie entschloss sich, mit Bernd Weber zu beginnen, bei ihm gab es offensichtlich eine Schwachstelle, sein Schwiegersohn. Dieser hatte, entgegen geltender Dienstanweisung, einen Betroffenen über Interna unterrichtet. Wenn man das Ganze etwas penibler betrachtete, dann konnte man sogar unterstellen, dass er einen Verdächtigen gewarnt hatte. Die Mindeststrafe war eine Verwarnung sowie ein Eintrag in die Personalakte, außer .., aber das wollte sie erst morgen entscheiden, wenn sie wusste, wie kooperativ Herr Weber sein würde.

      Von ihm erhoffte sie sich auch die Antwort auf die noch offene Frage des Streitobjekts. Außerdem war da noch etwas, was in ihrem Hinterkopf für Klopfgeräusche sorgte, etwas was in dem Dorfkrug gesagt worden war. Es hatte sich in ihrem Unterbewusstsein als wichtig, vielleicht sogar entscheidend eingenistet, es wollte ihr nur nicht wieder einfallen.

      4. Kapitel

      ›Schneider, was zum Teufel ist da bei ihnen in diesem verdammten Kaff los, man hat mich unterrichtet, dass die Polizei, ja sogar die Mordkommission eingeschaltet wurde. Sind Sie denn von Sinnen, es muss sogar Ihnen klar sein, dass offizielle Stellen nichts von unserer Anwesenheit erfahren dürfen‹.

      ›Aber Dr. Mo‹..

      ›Ach halten Sie den Mund Schneider, ist Ihnen bewusst, dass Sie jahrelange Vorbereitungen torpedieren, dass Sie mit Ihrer Unfähigkeit mich und unser Unternehmen in eine bedrohliche Lage gebracht haben. Wenn Sie uns nicht binnen achtundvierzig Stunden aus der Feuerlinie bringen, werde ich von hier alles Nötige veranlassen‹.

      ›Jawohl Herr Dr. Moldenau, ich werde mich umgehend darum kümmern. Erste Gespräche habe ich bereits mit der Familie Holzer geführt. Die sind ebenso wie wir daran interessiert, nicht in den Fokus der Behörden zu geraten. Ich werde Sie morgen um die gleiche Zeit anrufen, um Sie über den Fortgang meiner Bemühungen zu unterrichten‹.

      ›Tun Sie das‹!

      ›Jawohl Herr Dr. Moldenau‹

      Schneider wischte sich den Schweiß aus Nacken und Stirn, als er endlich aufgelegt hatte. Woher hatte WT das schon wieder erfahren, er musste einen Spitzel hier vor Ort haben, der ihn kontrollierte. WT war die Abkürzung von Wilhelm Theodor, allerdings würde sich Dr. Moldenau eine derart verkürzte Form der Anrede verbieten, obwohl er selbst zu dieser verkürzten Form beigetragen hatte.

      Auch für ihn war es mehr als ärgerlich, es war existenziell. Seit Jahren hatte er eine geeignete kleine Gemeinde mit einer überschaubaren Anzahl von Landwirten gesucht, die ausschließlich aus kleinen landwirtschaftlichen Betrieben bestand. Mehrfach hatte er geglaubt, endlich den überschaubaren Ort gefunden zu haben, der den Vorgaben entsprach. Allerdings stellte sich trotz intensivem Bemühen irgendwann heraus, dass entweder ein Großbauer mit exorbitanten Forderungen dem Projekt entgegenstand oder aber eine Vielzahl von Landwirten dagegen opponierte.

      Erst bei der letzten Grünen Woche hatte er endlich den Durchbruch geschafft, als er mit diesem Ronald Holzer ins Gespräch gekommen war. Vorsichtig hatte er zunächst sondiert, ob sich seine Bemühungen überhaupt lohnten, als dieser von seinem Heimatort erzählte. Von dem dörflichen Charakter sowie der Struktur der Landwirtschaft, die nach Auflösung der örtlichen LPG eher ungewöhnlich war. Nach einem längeren Gespräch mit den richtigen Fragen erschloss sich ihm das Potenzial, welches er in diesem Ort vorfand, wenn er überlegt vorging.

      ›Alle Landwirte machen was mein Vater und ich wollen‹, so die Aussage von Holzer junior. ›Wenn wir beschließen, unser Saatgut bei einer Firma zu kaufen, weil es da billiger ist, dann wird, um den Preis nochmals zu drücken, als landwirtschaftliche Genossenschaft eingekauft‹.

      ›Früher waren wir auch nur eine LPG, da wurde sowieso von anderer Stelle bestimmt, was angebaut wird. Bei uns hat sich seit der Wende nicht sehr viel geändert, nun ja, die ehemaligen Eigentümer haben ihre Felder zurückerhalten, bewirtschaften diese jetzt selbst. Aber bei der Abstimmung oder Festlegung, was angebaut wird, da hat sich nicht allzu viel geändert. Wahrscheinlich auch deshalb, weil mein Vater früher LPG-Vorsitzender in Klein Schönbeck war‹.

      Es hörte sich so gut an, dass er umgehend Kontakt zu WT aufnahm, um als Erster unter vielen, Vollzug melden zu können. Natürlich wusste er von der Beauftragung weiterer Akquisiteure, wusste, dass diese ebenso wie er nach dem idealen Versuchsgebiet suchten. Allerdings konnte nur der am Erfolg partizipieren, der die Basis für den späteren Erfolg bereitete.

      Die folgenden Wochen hatte er damit zugebracht sich die Umgebung des neuen Versuchsgebietes anzusehen, sich davon zu überzeugen, dass die auf der Grünen Woche so großspurig gemachten Zusagen sich auch bewahrheiteten. Die langen Gespräche, die er mit dem Senior geführt hatte, die teils kritischen Fragen, die ihn manchmal überraschten.

      Dann lernte er den Großteil der Landwirte kennen, die von der Änderung betroffen sein würden, spürte, dass die Aussage von Holzer junior, »die machen sowieso, was mein Alter sag«t, sich bestätigte. Wurde für einen Teil der Verhandlung Einigung erzielt, so nickten diese das Ergebnis ab, bestätigten im Nachhinein die getroffenen Vereinbarungen.

      Seinen Hinweis und seine Bedenken, dass die gemeinsame Aufgabe nur ohne die Behörden erfolgen konnte, da sie in einem Grenzbereich zur Illegalität agierten, zerstreuten sie mit überzeugenden Argumenten. Während der eine Landwirt direkten Zugang zur Polizei hatte, war der Bruder des Anderen im Ministerium in Potsdam, außerdem gab es noch immer Verbindungen, die in die Vergangenheit reichten.

      Nach und nach kamen die Forderungen und Vorstellungen, unter welchen man sich eine gedeihliche Zusammenarbeit vorstellen konnte. Jeder sollte, unabhängig von der Größe seines landwirtschaftlichen Betriebs, jährlich eine Summe erhalten, die über einen Zeitraum von fünf Jahren verteilt wurde. Zudem sollten