Ernst Meder

Gegen diese Zukunft


Скачать книгу

zu reden‹.

      ›Das ist in Ordnung, wenn ich jemand mit besonders intellektuellen Fähigkeiten suchen sollte, würde ich zur Universität gehen, da ist die Auswahl größer‹.

      ›Das ist, das habe ich nicht‹..

      ›Ich weiß, unterbrach sie ihn, war ja nur ein Scherz‹, dann beugte sie sich nach vorne, um ihn auf die linke Wange zu küssen. ›Danke für alles, was Du für mich getan hast‹.

      ›In zehn Minuten fahren wir los‹, es war ein Befehl, als sie mit Holger wieder nach vorne kam. In der Stimme von Ronald klang die unterdrückte Wut, die er nicht offen zeigen wollte.

      ›Ich bleibe heute in der Stadt, wir treffen uns dann morgen wieder‹. Damit ließ sie ihn stehen, dann zog sie, während sie nach ihrer Winterjacke griff, nach Holgers Hand, um ihn mitzuziehen.

      Während Roland zuerst nur verblüfft auf ihren Rücken starrte, dann die vertraute Geste des Händchenhaltens registrierte, zuckten seine Gesichtsmuskeln vor Wut. Diesem Schnösel würde er es zu gegebener Zeit schon noch zeigen.

      Es war, als hätte er heute seinen eigenen Willen abgegeben, so folgsam befolgte er ihre Vorschläge. Hätte sie ihn nicht selbst auf andere Art und Weise kennengelernt, es wäre nur ein kurzes Intermezzo für die Tage der Ausstellung geworden. So wartete sie interessiert ab, wie lange es dauern würde, bis er aus seinem tranceähnlichen Zustand wieder den Zustand der Normalität erreichen würde.

      Sie waren, trotz winterlichem Wetter spazieren gegangen, hatten geredet, dabei hatte sie ihm das Verhältnis zu Ronald dargelegt. Dieser hatte sich seit frühester Jugend darauf versteift, dass sie beide irgendwann heiraten würden, damit ihre Höfe zusammengelegt werden konnten.

      Nach Auflösung der landwirtschaftlichen Genossenschaften nach dem Ende der DDR hatten ihre wie auch seine Eltern ihre ursprünglichen landwirtschaftlichen Flächen zurückerhalten. Beiden Familien ging es mehr schlecht als recht, da die wirtschaftliche Nutzung der kleinen Flächen nicht immer gewährleistet war.

      Dies hatte Ronald zum Anlass genommen, gedanklich die etwas kleinere Fläche seiner Familie, mit der etwas größeren Fläche ihrer Familie zu vereinen. Als für ihn ebenfalls gangbare Lösung erschien ihm das Verhalten der Bauern von vor zwei Jahrhunderten, die ihre Höfe durch die Heirat der Kinder vergrößerten.

      Seit jener Zeit verfolgte er sie, trotz immer wiederkehrender Ablehnung, mit seinen Heiratswünschen. Sogar die körperliche Ablehnung ihres Hundes Brutus hatte ihn nicht abgehalten weiter zu behaupten, er würde sie eines Tages heiraten. Der Gipfel seiner Vorwürfe hatte darin bestanden, als er ihr vorgehalten hatte, sie hätte ihren Hund dressiert, damit dieser ihn angreifen würde.

      Holger, der ihr während des Gesprächs die ganze Zeit zugehört hatte, erzählte ihr von dem Familienhof, den allerdings sein älterer Bruder übernehmen sollte.

      ›Dann hab ich mir den falschen Bruder ausgesucht, sagte sie lächelnd‹.

      Zuerst verblüfft dann spöttisch, ›wer hat hier wen ausgesucht‹.

      ›Entschuldige, meine Mutter sagt immer zu mir, ich soll nicht so vorlaut sein, sonst finde ich nie einen Mann‹.

      Den Kopf nachdenklich hin und her bewegend, ›ja ja wenn denn die Mutter da mal nicht recht hat‹. Der Schalk in seinen graublauen Augen machte die grüblerische Aussage jedoch bereits im Ansatz zunichte.

      Sie hatten unterwegs eine Kleinigkeit gegessen, als die Kälte langsam an ihr hochkroch, spätestens als ihr Bibbern nicht mehr zu übersehen war, ergriff er energisch die Initiative.

      ›Komm mit mir in meine Pension, da ist es wenigstens warm, da können wir uns weiter unterhalten, ohne zu frieren‹.

      Beide hatten das Thema der Übernachtung nicht angesprochen, spätestens seit ihrer Absage an Ronald, dass sie in Berlin bleiben würde, wusste er, dass sie keine Schlafgelegenheit hatte.

      Es klang selbstverständlich, als sie ihm, ohne zu zögern, zustimmte. ›Ja lass uns gehen mir ist kalt und ich friere schon seit einer Weile‹. Wie selbstverständlich hakte sie sich bei ihm unter und drückte sich an ihn.

      Als sie im warmen Zimmer gesessen hatten, erzählte er weiter von seiner Familie, auch um keine Befangenheit aufkommen zu lassen.

      ›Es war immer schon klar, dass mein Bruder den Hof übernehmen sollte, deshalb habe ich mich entschlossen Agrarwirtschaft zu studieren, da ich in der Landwirtschaft auch meine Berufung gesehen habe‹.

      ›Wie groß ist euer Hof, ist er sehr groß‹?

      ›Das ist sicher relativ, in unserer Gegend ist er der Größte mit etwas mehr als fünfzig ha, der nächstgrößere Hof hat nur knapp zwanzig ha‹.

      ›Unser Hof hat zwölf ha‹, ihr Erstaunen konnte er in ihren großen braunen Augen sehen, ›der von Ronalds Eltern hat nur sieben ha‹.

      ›Na jetzt weißt Du auch, warum der Dich heiraten will, als Großgrundbesitzerin bist Du ja ein begehrenswertes Objekt‹, neckte er sie.

      Er erzählte von dem kleinen Dorf, in dem er aufgewachsen war und welches kaum fünfhundert Einwohner zählte, von seinem Studium in Hannover, obwohl er auch in der sehr viel näheren Stadt Bremerhaven hätte studieren können.

      ›Ich brauchte den Abstand von zu Hause, da unsere Ansichten damals in den wenigsten Punkten übereinstimmten‹. ›Mein Vater wollte seine konventionelle Landwirtschaft, wie seit Jahrzehnten betreiben, ich habe ihn immer versucht zu überzeugen nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben‹. ›Er allerdings wollte nichts von Bio wissen, wir haben früher nur biologisch angebaut war sein Standardspruch, allerdings hatten wir auch nur dreißig Prozent Ertrag‹.

      ›Mein Vater war ein Sturkopf, ich war ein Eiferer, mein Bruder hielt sich meist raus, oder er vertrat die Ansicht meines Vaters. Na ja, das war es im Großen und Ganzen, jetzt kennst Du mein bisheriges Leben‹.

      ›Du hast die Hälfte ausgelassen‹, stichelte sie, ›wo bleiben die Liebschaften, die Freundinnen, die Ehefrauen.‹ Der Rest der Frage klang fast ängstlich, so als wollte sie nicht glauben, was sie gerade gesagt hatte, wollte bestimmte Realitäten nicht wahrhaben.

      Sein Achselzucken sprach Bände, ›derzeit bin ich alleinstehend, Single, total vereinsamt, alles, was Dir an Begriffen dazu einfällt, trifft auf mich zu‹.

      An dieser Stelle hatte sie ihn zum ersten Mal gesehen, als sie in seine Augen blickte, den Dackelblick den sie bereits von Brutus kannte. Von dem sie aber auch wusste, dass dieser ihn immer dann aufsetzte, wenn er etwas Bestimmtes erreichen wollte.

      Die Zeit war wie im Flug vergangen, keiner hatte auch nur in Erwägung gezogen, ein einziges Mal auf eine Uhr zu sehen. Als sie nun spürte wie ihre Glieder immer schwerer, das Gähnen immer häufiger wurde, wusste sie, dass jetzt die Zeit gekommen war, das anzusprechen, was beide bisher bewusst vermieden hatten.

      Unbewusst glitt ihr Blick zu dem Bett, dann sah sie ihn verlegen an, ›kann ich bei Dir schlafen, ich bin inzwischen so müde‹, das letzte Wort brachte sie nur noch unter Gähnen heraus. ›Bitte verstehe mich nicht falsch, aber ich möchte wirklich nur schlafen‹.

      ›Soll ich auf dem Sessel schlafen‹, die Frage kam eher zögerlich über seine Lippen, als er sie besorgt anblickte.

      ›Wenn wir uns beide nicht so breitmachen, passen wir bestimmt gemeinsam auf das Bett‹. Ihre Stimme klang burschikoser als sie sich fühlte, er sollte ihre plötzlich aufsteigende Angst nicht spüren. Plötzlich hatte sie Angst in einer bestimmten Schublade zu landen, die sie gerade bei ihm vermeiden wollte.

      Eine übel riechende Wolke riss sie aus ihren Gedanken, ›Brutus du Ferkel, kannst du deine Blähungen nicht draußen absondern‹. Ihr Magen rebellierte, als sie die Türe öffnete, die direkt in den Garten führte. Ein tiefer Zug erfrischte ihre Lungen, langsam begann sich ihr Magen, wieder von dem Schock zu erholen.

      ›Brutus raus mit dir, wenn du fertig bist, kannst du wieder reinkommen.