Manfred Rehor

Planet der Magie


Скачать книгу

der Kegelstadt: Felder und kleine Waldgebiete wechselten sich ab. Manchmal sah man Arbeiter der Karaquz auf den Feldern, doch die blickten nicht auf, wenn der Konvoi an ihnen vorüberzog.

      Abends schirrten die Fahrer die Zugtiere ab und brachten sie zu Grasflächen am Straßenrand, wo sie weiden konnten. Die männlichen Tiere bekamen ihr Futter in Näpfen hingestellt, ohne dass man sie ausschirrte. Beim Fressen behielten sie ihre Weibchen ständig im Auge.

      Nachdem die Tiere versorgt waren, aßen auch Karaquz und Menschen. Der Offizier gesellte sich zu Macay und seinen Freunden. „Ihr. Schlafen. Im. Wagen“, sagte er. „Soldaten. Wache. Vor. Wagen.“

      So hielten sie es von nun an immer.

      Gegen Abend des dritten Tages änderte sich das Bild. Die Waldstücke wurden größer, die Felder seltener. Bei Sonnenuntergang, als der Konvoi entlang der Straße anhielt, um Rast zu machen, konnte Macay voraus ein großes, zusammenhängendes Waldgebiet erkennen. Es dehnte sich auf sanft ansteigenden Hügeln nach Süden und Südwesten aus.

      „Was ist dort?“, fragte Macay den Offizier und zeigte auf einen fernen Lichtfleck am Rande des Waldes.

      „Eereba. Stadt.“

      „Kommen die Einwohner hierher zum Konvoi, um Handel zu treiben?“

      „Konvoi. Kein. Handel. Kegelstadt. Handel.“

      „Wie fahren wir morgen weiter?“, fragte Rall.

      Der Offizier deutete in ihre bisherige Fahrtrichtung und machte eine bogenförmige Bewegung mit dem Arm. „Wald. Berge. Kegelstadt.“

      „Eine weitere Kegelstadt hinter diesem Waldgebiet. Werden wir sie morgen erreichen?“

      „Drei. Tage.“ Der Offizier wendete sein Anucaya und ritt davon.

      Die Nächte verliefen ereignislos. Morgens spannten die Fahrer die weiblichen Zugtiere wieder an und der Konvoi setzte sich in Bewegung.

      Während der ersten Stunden im Wald sah Macay einen Trupp Holzfäller, der in der Nähe der Straße Bäume fällte. Es waren große, plumpe Gestalten, die mit mächtigen Äxten hantierten, als würden die kaum etwas wiegen.

      „Man könnte sie für Bären halten“, sagte Rall, dessen scharfe Augen mehr Einzelheiten erkannten. „Sie sind über und über behaart und haben Schnauzen statt Nasen.“

      Je weiter sie in den Wald hinein fuhren, desto dunkler und stiller wurde es. Kein Vogelgezwitscher unterbrach das Rumpeln der Räder. Aber auch sonst gab es keine Unterbrechung, bis sie über eine Hügelkuppe fuhren und im Tal ihr Ziel sahen: eine kegelförmige Stadt mit kupfernen Bändern, die deutlich kleiner war als diejenige, von der sie aufgebrochen waren.

      Der Wald lichtete sich, die ersten Felder erschienen. Sie wurden nicht von Karaquz bearbeitet, sondern von einer buckeligen Rasse mit sechs Paaren von Armen und Beinen. Aus der Ferne sahen sie aus wie zu groß geratene Käfer. Als Macay den Offizier nach ihnen fragte, nannte der einen unverständlichen Namen und fügte hinzu: „Bauern. Dörfer. Waldrand.“

      Nachdem der Offizier weitergeritten war, sagte Zzorg: „Es gibt zu viele verschiedene intelligente Rassen auf dieser Welt.“

      „Warum?“, fragte Macay. „Auch auf unserer Heimatwelt gibt es mehrere Rassen. Die Menschen, euch Echser, die Katzer, zu denen Rall gehört, die Zwirge, das intelligente Wasser Orgari, die Gemlier ...“

      „So weit wir wissen, sind das außer Orgari alles Abkömmlinge der Alten Menschen oder Ergebnis ihrer Zuchtversuche“, unterbrach ihn Zzorg. „Hier auf Bundara sehen wir jedoch Rassen, die so unterschiedlich sind, dass sie nicht miteinander verwandt sein können. Wie kommt es, dass sich auf einem Planeten gleichzeitig so viele Intelligenzen entwickeln?“

      „Ich weiß es nicht. Aber da wir nur unsere Heimat und diese Welt kennen, können wir kaum beurteilen, was normal ist.“

      „Mich wundert auch, dass nicht längst eine der Rassen alle anderen unterjocht hat“, sagte Rall. „Das wäre eigentlich der normale Lauf der Dinge, findet ihr nicht?“

      „Ich fürchte, der Offizier versteht unsere Sprache nicht gut genug, um uns bei der Beantwortung dieser Frage helfen zu können. Vielleicht treffen wir eines Tages jemanden, der es uns erklären kann.“

      Sie erreichten die kupferne Kegelstadt der Karaquz an einem Abend. Einige Wagen wurden abgeladen, erhielten aber gleich neue Ladung. Die Soldaten und die Fahrer bekamen frische Verpflegung. Für Macay und seine Freunde war ein Zimmer vorbereitet worden. Es glich dem in der goldenen Kegelstadt. Auch der Ratsherr, der sie begrüßte, war von seinem Kollegen dort kaum zu unterscheiden, jedoch hatte er eine kupferfarbene Kette umhängen.

      Allerdings verstand dieser Ratsherr die Sprache der Menschen nicht. Ob er wusste, warum Macay eine Maske trug, war ihm nicht anzumerken. Die wenigen Worte, die der Offizier übersetzte, waren nur eine förmliche Begrüßung.

      Am folgenden Morgen fuhr der Konvoi weiter. Zunächst hielt er direkt nach Westen auf das Gebirge zu und erst nach vielen Meilen bog er nach Südwesten ab.

      Der Offizier kam zu Macay geritten und deutete auf das Gebirge. „Zaroba.“ Dann zeigte er nach Osten. „Origelar.“

      „Verstehe: Wir fahren zwischen den beiden Städten hindurch. In Zaroba wird Erz verarbeitet und in Origelar leben viele Handwerker.“

      Der Offizier nickte und ritt weiter.

      Ihr Weg führte sie durch bewaldetes Gebiet, allerdings änderte sich die Art der Bäume nach und nach. Waren es bisher Laubbäume und Nadelbäume gewesen, wie Macay sie so ähnlich von seiner Heimatwelt kannte, so mischten sich nun zunehmend seltsame Gebilde dazwischen. Sie hatten zwar einen Stamm und waren so hoch wie die übrigen Bäume, aber sie verfügten über keine Äste. Stattdessen breiteten sie ein großflächiges, filigranes Gebilde aus dünnsten Zweigen aus, die mit kleinen, grünen Blättern bedeckt waren.

      „Wie Vogelfedern“, sagte Rall. „Wenn mehrere davon nahe beieinanderstehen und sich im Wind beugen, wirken sie wie Fächer.“

      „Ist das wirklich der Wind?“, fragte Macay. „Er scheint mir zu schwach zu sein, um die Bäume so stark zu bewegen.“

      „Du hast recht“, sagte Zzorg. „Wir werden den Offizier fragen, ob er etwas über diese Bäume weiß.“

      Rall richtete sich auf seinem Reittier auf. „Ich kann den Offizier nirgends sehen. Vielleicht hat er sich wegen der Mittagshitze irgendwo in den Schatten gelegt.“

      Auch Macay war die zunehmende Hitze aufgefallen. So weit nach Süden waren sie aber noch nicht gekommen, dass sich das Klima spürbar ändern konnte. Er sah zu dem Fahrer des Wagens, neben dem sie herritten. Doch der starrte unbewegt auf seine Zugtiere herab. Ebenso wie die Soldaten, die links und rechts von ihm auf der Bank saßen.

      Macay hörte Vögel zwitschern. Das gefiel ihm, weil es bei der Fahrt durch den dichten Wald so auffallend gefehlt hatte. Die Sonne stach grell herunter, auch wenn sie den höchsten Punkt ihrer Bahn bereits überschritten hatte.

      Er wandte sich an seine beiden Freunde: „Die Hitze ist ungewöhnlich, findet ihr nicht auch?“

      Zzorg zischte etwas Zustimmendes, das Macay nicht verstand. Schweigend ritten sie weiter.

      Der Abstand zu dem vor ihnen fahrenden Wagen schien sich zu vergrößern. Aber das konnte täuschen. Die Straße wand sich wie eine Schlangenlinie durch den Wald, obwohl vom Gelände her dafür kein Grund ersichtlich war. Die Federbäume wuchsen dichter und senkten sich von beiden Seiten über die Straße, bis sie einem überdachten Gang ähnelte.

      Insekten summten durch die Luft, den Anucayas und ihren Reitern vor der Nase herum. Macay schlug nach einem, das allzu frech versuchte, sich auf seine Maske zu setzen. Dabei verlor er das Gleichgewicht und stürzte von seinem Reittier.

      Von überall her drang plötzlich Lärm auf ihn ein, doch das interessierte Macay nicht mehr. Warum lassen die mich nicht schlafen, dachte er noch. Dann verlor er das Bewusstsein.