gefallen. Wir Schülerinnen haben auch unsere Rechte. Wir haben einen Schülerrat gebildet und erheben Einspruch gegen jede Ungerechtigkeit.« Annemarie wußte selbst nicht, woher sie den Mut zu diesen energischen Worten nahm, während Vera sie ängstlich zupfte, doch bloß zu schweigen.
Auf der Stirn des gestrengen Oberhauptes hatten sich unheilverkündend gewitterschwere Wolken geballt. Jetzt brach das Donnerwetter herein.
»Also Revolution – Revolution in meiner Schule! Das ist ja nett! Schülerrat – ja, schämen Sie sich denn gar nicht, mir altem Mann mit derartig aufsässigen Ideen zu kommen? Haben wir noch nicht genug an der Revolution draußen im Lande? Und wissen Sie, törichtes Kind, denn überhaupt, was solche Schülerräte bezwecken?« So ärgerlich hatte Annemarie den Herrn Direktor noch nie gesehen.
»Gerechtigkeit,« stieß sie mit dem letzten Rest ihres arg zusammengeschmolzenen Selbstbewußtseins hervor. »Die Schülerräte sollen bei Ungerechtigkeiten der Lehrer zu Gericht sitzen und – – –«
»So, also über eure Lehrer wollt ihr aburteilen, ihr jungen Grünschnäbel, ihr! Vielleicht auch über die Eltern zu Hause, falls euch an ihrer Erziehung irgend etwas nicht paßt? Da seid ihr ja mal wieder recht gründlich auf dem Holzweg in eurer Neunmalklugheit. Schülerräte sollen zu dem Zweck gebildet werden, um das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern zu bessern, zu einem freundschaftlicheren zu gestalten. Die Schülerräte sollen die Kameraden zum Guten beeinflussen, damit die Lehrer gar nicht erst notwendig haben, zu strafen. Sagen Sie mal, Annemarie Braun, sind Sie denn davon überzeugt, daß Ihr heutiges Verhalten, Fräulein Neubert gegenüber, vor einem derartigen Schülerrat hätte bestehen können?«
Annemarie stand stumm. Es kam nicht oft vor, daß sie eine Antwort schuldig blieb. Nein, höflich und bescheiden hatte sie sich heute ganz gewiß nicht benommen.
»Sie sprechen sich selbst durch Ihr Schweigen das Urteil. Und nun gehen Sie und schämen Sie sich Ihrer kindischen Unvernunft.« Eine kurze Handbewegung scheuchte das Kleeblatt im Nu aus dem Zimmer.
Ja, Doktors Nesthäkchen schämte sich grenzenlos. So sehr, daß es all den neugierigen Fragen der in der Klasse auf sie Harrenden kaum standzuhalten vermochte. »Der Direktor ist nicht für Schülerräte – er ist schon zu alt für moderne Bestrebungen.« Das war alles, was man aus Annemarie herausbekam.
Nie mehr in ihrem ganzen Leben gründete sie wieder irgendeinen Verein!
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