Magdalena Gräfenberg

Helen und die Häute der Frauen - Erster Teil: SOKO Haut


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      MAGDALENA GRÄFENBERG

      Helen und die Häute der Frauen

      Erster Teil: SOKO Haut

      Roman

      Erschienen: 2018

      Titel der Originalausgabe: H. Helen und die Häute der Frauen

      Erster Teil: SOKO Haut.

      ©2018 durch Aatal Healthcare AG, Obwalden, Schweiz

      Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch öffentlichen Vortrag, Übersetzung, Druck, Umgestaltung als Comic, Übertragung durch Rundfunk, Film, Fernsehen, Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Aatal Healthcare AG, Obwalden, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

      Umschlagmotiv: ©Aatal Healthcare AG

      Helen und die Häute der Frauen

      Erster Teil: SOKO Haut

      Remember everything is right until it’s wrong.

      You’ll know when it’s wrong.

      Ernest Hemingway

      Prolog

      15. Juli 2010

      Es war inzwischen 23 Uhr. Androsch saß nun schon seit Stunden hinter dem Steuer und kämpfte gegen seine Müdigkeit. Endlos zogen sich beiderseits der Piste die reifen Sonnenblumenfelder hin. Die Blütenkörbe wurden vom Licht der Scheinwerfer gestreift und blitzten gelb auf. Zwischendurch gaben dann wieder die kahlen, grauen Stängelsteppen der schon abgeernteten Mohn- und Rapsfelder dem Auge keinen Halt. Im Radio kamen jetzt Nachrichten. Es hatte einen Anschlag mit vielen Toten im Iran gegeben. Er wurde dem IS zugeschrieben, ein Racheakt und ein Zusammenhang mit dem Drogenhandel wurden vermutet. Er lachte vor sich hin. Er kannte die Wege von Ost nach West und umgekehrt. Er stellte das Radio ab und ließ die CD laufen, die noch im Fach war. Eye of theTiger und andere Songs. Androsch hatte außerdem noch Hunger. Aber zu essen gab es vorläufig nichts mehr. Der Rest in der Tüte war versaut. Immer wieder schaute er nach hinten in den Wagen. Die Decke kam auf dem Plastiksack in den Kurven leicht ins Rutschen. Er drehte sich erneut um, nichts war zu sehen, alles in Ordnung.

      Trotz Schengener Abkommens war man bei den österreichischen Grenzern nie sicher, ob sie nicht doch kontrollieren würden. Weit hinter Rosenheim, an den „österreichischen Linien“, wie er die Grenze für sich nannte, hätte er fast die Nerven verloren. Da standen sie doch tatsächlich mit mehreren Grenzern an dem kleinen Übergang. Es sah aus, als ob sie ihn kontrollieren wollten. Er malte sich schon aus, wie sich das Szenario entwickeln und er schnell zu seiner alten Aggressivität zurückfinden würde. Er spielte die Handgriffe durch. Er spürte den pochenden Puls im Kopf und sah das Flimmern vor seinen Augen. Nervös tastete er nach den harten Konturen unter seiner Jacke. Das letzte Intermezzo lag Jahre zurück. Doch in letzter Sekunde wurde er von dem Grenzer durchgewinkt. Anschließend war ihm so schlecht, dass er sich übergeben musste. Er kotzte in die Tüte auf dem Nebensitz, in der noch ein halbes Brötchen mit Schinken und Äpfeln lag. An der ungarischen Grenze, kurz vor Szombately, ließ man ihn anstandslos passieren. Die zwei Männer der Grenzwache waren mit der Kontrolle eines rumänischen Vito beschäftigt. Dann ging es kurz weiter über die ungarische Nationalstraße. Ab da dann nur noch über Nebenstraßen. Ab jetzt würde er noch etwa zwei oder drei Stunden über die Staubstraßen brauchen, dann wäre er an der Hütte, beim Jagdhaus in den Wäldern von Bakony, wo er morgen die restliche Arbeit zu erledigen hatte. Er würde sie wecken und sie würde ihm Gulasch oder Letscho aufwärmen. Danach würde er sich unter ihrer Decke zwischen ihre weichen Schenkel legen. Wenn jetzt noch unerwartet eine Polizeikontrolle käme, würden die Ausweise ausreichen. Er sah ihm zum Verwechseln ähnlich. Der Führerschein war alt, daher war das jugendliche Gesicht sowieso nicht zu beurteilen. Es war alles so plötzlich gegangen. So schnell hatten sie ihm keine neuen Ausweise beschaffen können. Der Chef hatte auf der besonderen Abwicklung bestanden und keinen Widerspruch geduldet. Er musste fahren. Wie immer wollte er das Andenken, wie er es nannte, aufbewahren. Nur in Szeged war es möglich, das Andenken in der entsprechenden Weise zu präparieren und in der gewünschten Form zu würdigen. Androsch fand das etwas zu sentimental, er hätte das Problem anders gelöst. Aber das war nicht seine Aufgabe, sich den Kopf für andere zu zerbrechen. Vorher hatte er daher in der Jagdhütte noch die letzte unangenehme Aufgabe zu erledigen, die ihn etwa eine Stunde oder etwas mehr beanspruchen würde. Der Chef bestand dieses Mal auf einer Präparation des Kopfes. Danach musste er nur noch aufräumen, die Reste fortbringen. Das Übrige würden die Sauen erledigen. Nichts würde weiter übrigbleiben. In Szeged musste er nur das Päckchen weitergeben. Wichtig war nur, es so gut zu verpacken, dass das Salz nicht herausrieseln und auch kein Gestank entstehen konnte. Er wusste nicht genau, wohin es geschickt wurde. Aber er hatte mitbekommen, dass der Chef nach seinen Jagdreisen immer wieder kistenweise Trophäen aus Afrika geliefert bekam. Die waren es gewöhnt, Ungewöhnliches zu präparieren. Dieses Päckchen sollte auch dahin geschickt werden.

      Die Staubpiste, über die er fuhr, war breit, aber die Begrenzung jetzt im Dunkeln schwer vom Übergang zu den Feldern rechts und links zu unterscheiden. Die Unterscheidung fiel ihm umso schwerer, je müder er wurde. Jetzt wurde es ein wenig hügeliger und auch kurviger. Die Bodenhaftung hatte auf dem Split des Belages stärker nachgelassen. Der Belag der Staubstraße war grober geworden. Er war jetzt gefordert. Ab und zu trieb der Wagen in den Kurven sehr weit auf die andere Seite. Er brauchte jetzt unbedingt eine kurze Pause und fuhr in einen Feldweg. Er stellte sich hinter den Wagen und pinkelte. Auf der langen Strecke hatte er genügend Zeit, seinen Gedanken nachzuhängen. Noch vor einem Jahr war er die ewig weite Strecke nach Oral alle 14 Tage mit Doreen und der einen oder anderen ihrer Freundinnen gefahren. In Oral waren sie bei einem Arzt gewesen, dann war es wieder zurück gegangen. Weiß der Geier, warum sie nicht geflogen waren. Angeblich hatten sie Flugangst. Eines Tages war mit den Fahrten Schluss gewesen. Doreen hatte er nie wieder gesehen. Das war sehr schade, denn sie hatte einen herrlichen Körper. Auf diesen Fahrten hatte sie ihm ab und zu Gelegenheit zu diesen kleinen Freuden gegeben. Er hatte nichts dagegen gehabt, dass sie dann nur den Analverkehr mit ihm zuließ. Kurz vor der Ankunft in Oral und dann wieder in Szeged war sie großzügig gewesen und hatte ihm dann auch mit dem Mund seine Wünsche erfüllt. Diese Fahrten nach Oral machten jetzt andere mit anderen Frauen. Anschließend wurde er dann auf der Strecke von Szeged zur Ostsee eingesetzt. Da transportierten sie dann die Mädchen. Die letzten Wochen waren nicht übertrieben anstrengend gewesen. Er musste nur Frauen, die aus der Ukraine nach Ungarn kamen, in den Fässern über die Grenze an die Ostsee, in dieses einsame Gehöft direkt am Steilufer, schleusen und sie dort einreiten. Das war eine Arbeit, die er gerne machte. Nicht immer war es nötig, dabei Gewalt anzuwenden. Hin und wieder halfen auch die Hunde, die der Chef speziell dafür trainiert hatte. Die meisten Frauen gingen danach ganz freiwillig auf die Knie, wenn er den Gürtel öffnete. Nur wenige mussten sie zu dritt festhalten, bis sie verstanden hatten, was ihre zukünftige Aufgabe war. Wenn er sie erst einmal nach einem Fluchtversuch ausgepeitscht oder die Hunde auf sie freigelassen hatte, waren sie ganz zahm und machten alles freiwillig mit. Bei der letzten Fracht war eine dabei gewesen, in die er sich fast verliebt hatte. Leider war sie sehr schnell weiterverkauft worden, nachdem er sie sich vertraut gemacht hatte.

      Danach hatte es Arbeit in diesem Kloster gegeben. Die Arbeit dort hatte ihm viel Spaß gemacht, aber nach diesem Zwischenfall hatten sie ihn jetzt wieder auf die Straße geschickt. Man hatte ihm noch einen Metallkoffer mitgegeben, den er in der Fabrik abgeben sollte. Ihre beiden Koffer waren auch dabei. Er hatte das alles zusammen hinten im Wagen gelagert. Man hatte ihm noch gesagt, wo in diesem Wagen, den er bisher nicht kannte, die Papiere seien, für den Fall einer Kontrolle. Der Beifahrersitz blieb leer. Da lagen seine Jacke und die vollgekotzte Tüte, die er jetzt wegwarf. Als er hinten um den Wagen herumging, tropfte eine schwärzliche Flüssigkeit unter der Hecktür des Geländewagens heraus. Er wusste, wie sie roch. Scheiße, das kam durch die Erschütterungen auf der Piste. Es wurde Zeit anzukommen. Er trank noch aus der Wasserflasche und stieg wieder ein, fuhr auf die Piste zurück und gab Gas. Er fuhr jetzt mit hoher Geschwindigkeit, er wollte es hinter sich bringen. Er fuhr voll aufgeblendet, um alles zu sehen und nicht einzuschlafen. Hinter ihm entwickelte sich eine gewaltige Staubfahne. Das Nachtprogramm machte nicht wirklich