Antonia Colloni

Aufbereitung der Geschehnisse rund um die Loveparade-Katastrophe am 24.7.2010 in Duisburg


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Ursache und Wirkung von Handlungen und Vorgängen als auch die daraus resultierenden Konsequenzen für das Erleben und Verhalten von Menschen“. (wikipedia)

      Frage: Ist Duisburg ein Exempel für Deutschland? Offenbart es, was hier los ist (bzw. nicht los ist), oder nimmt Duisburg mit ihren Regenten eine etwaige Sonderstellung ein?

      Prof. Dr. Knill: Der Fall Duisburg steht für politisches und administratives Versagen, wie es in allen politischen Systemen und auf allen Ebenen immer wieder vorkommt. Glücklicherweise hat dieses Versagen nicht in allen Fällen die gleich katastrophalen Auswirkungen wie im Falle Duisburgs. Auch der Versuch der Verantwortlichen, sich der Rechenschaft zu entziehen, ist normal. Eher selten (und in diesem Sinne ist Duisburg ein Sonderfall) ist, dass sie damit angesichts der katastrophalen Folgen ihres Versagens auch durchkommen. Dies kann nur vor dem Hintergrund einer gegebenen Macht- und Interessenkonstellation erklärt werden.

      Ein Bochumer Strafrechtler, dessen Studentin bei der Loveparade ums Leben kam, geht davon aus, dass niemand verurteilt wird, da das Verfahren – ähnlich dem Fall „Düsseldorfer Flughafenbrand“ – seiner Ansicht nach eingestellt werden wird. Dessen Regensburger Kollege Prof. Dr. Ernst Henning Müller, der zum Thema im Beck-Rechtsblog veröffentlicht, denkt das nicht, geht aber auch nur davon aus, dass die später einmal Verurteilten zu einer Geldstrafe und eventuell zu einer Freiheitsstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt würde, verdonnert werden, mehr nicht. Wie kann das sein, dass in Deutschland Eigentumsdelikte oder Wettbetrugsfälle mit zum Teil mehrjährigen Freiheitsstrafen OHNE Bewährung ausgesetzt werden und Leute, die 21 Menschen umbringen, MIT? Da scheint doch wirklich was faul zu sein. Entscheidend sei die Fahrlässigkeit als solche, erklärt Herr Professor Müller, das reicht von einfacher und leichtfertiger Fahrlässigkeit und geht hin zur billigenden Inkaufnahme, was jedoch bereits als Vorsatz gewertet werde. Das sehe ich anders, denn ich denke, dass eine billigende Inkaufnahme durchaus noch als Fahrlässigkeit gewertet werden müsste und zwar als eine grobe, die es allerdings so nicht gibt. Im Falle der Loveparade wird man sich im Voraus unisono darauf verständigt haben, dass es einige Verletzte geben wird, weil es die immer gibt und Wolfgang Rabe hatte ja auch klar und deutlich von "Kollateralschäden" gesprochen gehabt. Angenommen, man hat dies weiter gefasst und sich gesagt, hier, in dieser neuralgischen Zone und sensiblem Bereich könnte es Verletzte geben, wäre dies als eine billigende Inkaufnahme zu bewerten. Wie schaut es aber aus mit dem billigenden in Kauf nehmen von Verletzten an sich? Man weiß doch, wie schnell aus Verletzten Tote werden können auf Veranstaltungen, insbesondere auf großen, jeder Stadtmarathon birgt ja da bereits Gefahren, nicht wahr, Herr Professor Müller?

      Strafrechtlich von Bedeutung sind hingegen Vertreter von Organisationen, die (bislang) bei der Staatsanwalt (noch) überhaupt keine Rolle spielen, entweder weil man sie von der Liste mittlerweile gestrichen hat oder weil sie von vorne herein nicht darauf gelandet sind. Zu allererst wäre meiner Ansicht nach der hauptamtliche Geschäftsführer des Mitveranstalters Essen für das Ruhrgebiet alias Ruhr.2010 GmbH zu nennen, Herr Dr. h.c. Fritz Pleitgen. Ja, des MITVERANSTALTERS, denn das war Essen für das Ruhrgebiet nun mal, auch wenn sich Herr Pleitgen auf den Kopf stellt! By the way, was Sie da von „moralischer Verantwortung“sübernahme faselten, ist ja nun mal auch völliger Blödsinn, aber ich denke, Sie wissen das selbst. So etwas existiert nur in Ihrer Fantasie und in der von Adolf Sauerland, der gut ein Jahr später bedauert, nicht selber auf diese geniale Idee gekommen zu sein. Es existiert einzig eine persönliche und in Ihren Fällen eine politische Verantwortung und wie, Herr Sauerland, inzwischen weiß, eine juristische, womit die strafrechtliche gemeint ist.

      Nicht nur in der Frage der finanziellen Entschädigung ist die Frage nach etwaigen Mitveranstaltern höchst interessant. Auch in Fragen eines eventuellen Vertragsbruchs gegenüber der Stadt Duisburg und der Frage, ob es von dem Essener Gesellschafter vielleicht versäumt wurde, zu veranlassen, die an der Kulturhauptstadtaustragung beteiligte Kommune bei der Ausrichtung ihrer größten Veranstaltung zu beraten und zu kontrollieren und – wohlgemerkt – der größten leuchtendsten und strahlendsten der Essen für das Ruhrgebiet GmbH überhaupt! Hier kommt aber noch eine weitere mögliche Mitveranstalterin ins Spiel, das städtische Marketingunternehmen nämlich, die Duisburg Marketing GmbH mit ihrem hauptamtlichen Geschäftsführer Uwe Gerste, die es überdies gewesen sein könnten, die die „Ruhr.2010“ GmbH zu beraten/zu betreuen bzw. zu kontrollieren gehabt hätte, denn zum damaligen Planungskreis zählten Vertreter derselben! Gleichfalls zu überprüfen wäre gegebenenfalls das Duisburger Kulturhauptstadtbüro mit dessen Geschäftsführer Karl Janssen, gleichzeitiger Geschäftsführer der Duisburg Marketing GmbH in dieser Hinsicht. Und wer sagt uns, dass nicht auch die Metropole Ruhr GmbH und der Regionalverband Rhein-Ruhr nicht auch Mitveranstalterinnen gewesen waren?

      Weiterhin interessant ist die 100%ige Bahntochter Aurelis Real Estate, nicht in Form einer etwaigen Mitveranstalterin, sondern als Eignerin des Großteils des Veranstaltungsgeländes, zu dem der Teil gehört, an dem die Menschen verstarben. Sie hatten zwar wohl ordnungsgemäß das Hausrecht übertragen und auch die Freistellung über ihr Grundstück erteilt (da es ohne nun mal eigentlich gar nicht geht), was aber in Fragen der finanziellen Opferentschädigung gleichfalls ohne Bedeutung ist, da einzig und allein die Frage von Relevanz ist, wer das Eigentumsrecht besaß. Dies ist auch im Falle der DB Netz AG so, die die Betreiberin des Tunnels ist und im Falle des Landesministeriums für Verkehr etc., die wiederum die Betreiberin der Karl-Lehr-Straße darstellt, denn diese ist die Landesstraße L237. Ebenfalls von höchster Bedeutung, dies aber nur dann, wenn dort Tote geborgen worden wären, die Menschen also vorab nicht dort von der Rampe ab etwa Höhe des Bauzauns/Gully/Wurzel (der zum Bereich Aurelis zählt) hingetragen wurden, um sie dort beispielsweise zu reanimieren. Laut Staatsanwaltschaft gab es zwei Funde außerhalb der Rampe (Treppe, Bauzaun): einen am Fuße der Westrampe, einen am Ausgang des Westtunnels, was Orte sind, die sowohl der Straße als auch dem Tunnel zuzuordnen sind.

      Was das untere Rampenareal angeht, so behauptet der von der Staatsanwalt befragte Security-Chef, dass zu Beginn der Veranstaltung der Gully noch in Ordnung gewesen sei, dass sich das erst später – im Verlauf der Veranstaltung – geändert hätte (vermutlich deshalb, weil Personen darüber gelaufen waren). Dass er darum den Verbindungsbeamten der Polizei darauf aufmerksam gemacht habe und er dann einen Bauzaun darauf gelegt hätte. Nicht erwähnen tut er hingegen die Wurzel, und die Staatsanwalt an dieser Stelle (im aktuellen Zwischenbericht von Januar 2011) ebenso nicht. Weshalb nicht? Denn hierzu äußert sich in diesem Bericht sogar ein beauftragter Gutachter, und auch dieser erwähnt die Wurzel mit keinem Wort! Er stellt lediglich fest, dass der Gully aufgrund seines insgesamten Zustandes schon lange zuvor äußerst kaputt und schadhaft gewesen muss, veraltet, morsch, fehlerhaft, unvollständig, woraus man schließen könne, dass der Schaden schon recht lange bestehe. Fazit: Zwei bzw. drei gegenteilige Meinungen, wonach die des Gutachters letztendlich Gültigkeit haben müsste, aber auch dieser erwähnt die Wurzel nicht, was ja letztendlich DIE Stolperfalle schlechthin gewesen sein könnte! Bei der kann man nicht unterschiedlicher Meinung sein, die war nicht beseitigt worden und fertig, die war vermutlich ebenfalls Jahre alt, so wie sie da herausragte! Und da der Security-Chef einen leichten - wenngleich engmaschigen Bauzaun - darauf gelegt hatte, muss davon ausgegangen werden, dass sich Wurzelteile sogar an einigen Stellen hindurchgedrückt haben könnten, da eine alte, morsche Wurzel nun mal nicht aussieht wie ein Gartenschlauch und ein Zaun darüber somit nicht plan gelegen haben kann. So ein Ding hat Ecken und Kanten, Rinde, Verzweigungen und Verästelungen. Ich hatte sie gesehen, und sie sah verdammt schlimm aus Anfang September 2010. Für diese Schäden war laut des Kommentatoren Meister für Veranstaltungstechnik (der auch ein solcher ist) einzig und allein Lopavent verantwortlich. Für die letztendliche Kontrolle und Endabnahme des Areals jedoch sowohl das Ordnungs- als auch das Bauamt. Die Tatsache, weshalb der offen stehende Gully erst Anfang September 2010 entdeckt wurde, hat damit zu tun, dass diejenigen, die dort hinter Zäunen sofort eine Gedenkstätte eingerichtet hatten, einen Betonklotz darauf gelegt hatten und darüber einen der Kränze. Fiel somit also nicht auf. Genauso wenig wie die herausragend Wurzel daneben, die man auch zudekoriert hatte (Fotos: http://loveparade2010doku.wordpress.com/bilder/)

      Das Ordnungs- und Bauamt hatten sich fadenscheinig von ihren Pflichten entbinden lassen und zwar ab dem 23.7.2010, was definitiv überhaupt nicht geht, da man sich von NIEMANDEN davon entbinden lassen