Stefan Zweig

Magellan


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Seemacht des Sultans von Ägypten sowie jene der indischen Rajahs zu vernichten und so streng alle Häfen unter Kontrolle zu halten, daß von diesem Jahre des Herrn 1505 an kein Schiff ohne portugiesischen Paß auch nur ein Korn Gewürz mehr verfrachten darf. Mit dieser militärischen Aufgabe geht die ideelle, die religiöse Hand in Hand: in allen eroberten Ländern das Christentum zu verbreiten; darum hat die kriegerische Ausfahrt zugleich das Zeremoniell eines Kreuzzugs. Mit eigener Hand überreicht der König in der Kathedrale Francisco d' Almeida die neue Fahne aus weißem Damast mit dem eingewebten Kreuze Christi, die über heidnischen und maurischen Landen siegreich wehen soll. Kniend empfängt sie der Admiral, und auf den Knien leisten hinter ihm die Fünfzehnhundert, die alle gebeichtet und das Abendmahl empfangen haben, den Eid der Treue ihrem irdischen Herrn, dem König von Portugal, sowie dem himmlischen Herrn, dessen Reich sie über diesen fremden Reichen erheben sollen. Feierlich wie eine Prozession durchschreitet der Zug die Stadt zum Hafen; dann donnern zum Abschied die Geschütze, und grandios gleiten die Schiffe den Tejo hinab in das offene Meer, das ihr Admiral bis ans andere Ende der Erde für Portugal erobern soll.

      Unter den Fünfzehnhundert, die vor dem Altar mit erhobener Hand den Eid der Treue schwören, kniet auch ein vierundzwanzigjähriger Mann bisher unberühmten Namens, Fernão de Magelhaes. Von seiner Herkunft weiß man kaum mehr, als daß er um 1480 geboren ist. Aber schon seine Geburtsstätte ist umstritten. Der von späteren Chronisten angegebene Ort Sabrosa in der Provinz Tras os Montes hat sich nach neueren Forschungen als unrichtig erwiesen, weil ein angebliches Testament, welchem man diese Zuweisung entnahm, endgültig als Fälschung erkannt wurde; die größte Wahrscheinlichkeit spricht noch immer dafür, daß Magellan in Porto geboren wurde. Auch über seine Familie ist nicht viel mehr bekannt, als daß sie adelig gewesen, freilich nur im vierten Range des Adels, des »fidalgos de cota de armes«; immerhin gewährt diese Herkunft Magellan das Recht, ein eigenes Wappen zu fuhren und zu vererben, sowie den Zutritt zum königlichen Hof. Angeblich hat er schon in frühester Jugend der Königin Leonore als Page gedient, womit aber keinesfalls erwiesen ist, daß jemals in jenen anonymen Jahren seine Stellung bei Hofe eine sonderlich bedeutsame gewesen wäre. Denn als der »fidalgo« vierundzwanzigjährig in die Flotte eintritt, ist er nichts als ein gewöhnlicher »sobresaliente«, einer von den fünfzehnhundert subalternen Kriegsleuten, die zusammen mit Mannschaft und Schiffsjungen in der gleichen Schiffskammer essen, leben und schlafen, gerade nur einer von den »unbekannten Soldaten«, wie sie zu Tausenden in diesen Krieg um die Eroberung der Welt ausziehen, immer tausend, die zugrunde gehen, ein Dutzend, die das Abenteuer überleben, und immer nur ein einziger, der den unsterblichen Ruhm ihrer gemeinsamen Tat an sich reißt.

      Magellan ist auf dieser Fahrt einer von Fünfzehnhundert und nicht mehr. Vergeblich sucht man seinen Namen in den Chroniken des indischen Kriegs, und nicht viel anderes kann man ehrlich von all diesen Jahren aussagen, als daß sie unvergleichliche Lehrjahre für den künftigen Weltfahrer gewesen sein müssen. Ein Sobresaliente wird nicht heikel angefaßt und für alles verwendet; er muß Segel reffen im Orkan und an den Pumpen stehen, muß heute Sturm laufen gegen eine Stadt und morgen in der glühenden Sonne Sand schippen für den Festungsbau. Er muß Waren schleppen zum Tausch und Wacht halten in den Faktoreien, zu Fuß kämpfen und zu Schiff, das Senkblei handhaben können und das Schwert, gehorchen und befehlen. Aber an allem beteiligt, lernt er auch teilnehmen an allem und wird alles zugleich, Kriegsmann, Seemann, Kaufmann, Kenner der Menschen, der Länder, des Meeres und der Gestirne. Schließlich mengt diesen jungen Menschen schon früh das Schicksal in die großen Geschehnisse, welche die Weltgeltung seiner Nation und die Gestaltung der Erde für Jahrzehnte und Jahrhunderte begründen werden, denn nach einigen kleinen Gefechten, die mehr Plünderungen sind als redlicher Krieg, empfängt Magellan die eigentliche Feuertaufe in der Seeschlacht von Cannanore (16. März 1506).

      Diese Schlacht von Cannanore stellt einen entscheidenden Wendepunkt in der portugiesischen Eroberungsgeschichte dar. Der Zamorin von Calicut hatte Vasco da Gama bei seiner ersten Landung (1498) freundlich empfangen und sich bereit gezeigt, mit diesem unbekannten Volke Handel zu treiben. Aber bald hatte er erkennen müssen, daß die Portugiesen, als sie wenige Jahre später mit größeren und besser gerüsteten Schiffen wiederkehrten, offenkundiges Herrenrecht über ganz Indien anstrebten. Mit Schrecken sehen die indischen, die mohammedanischen Händler, welch ein gefräßiger Hecht da plötzlich in ihren stillen Karpfenteich eingebrochen ist, denn mit einem Hieb haben die Fremden sich aller Meere bemächtigt. Kein Schiff wagt sich mehr aus den Häfen aus Furcht vor diesen brutalen Piraten, der Gewürzhandel stockt, die Karawanen nach Ägypten bleiben aus; bis an den Rialto von Venedig spürt man, daß irgendwo eine harte Hand die Leitung durchschnitten haben muß. Der Sultan von Ägypten, dem seine Zölle fehlen, versucht es zunächst mit dringlicher Drohung. Er schreibt an den Papst, wenn die Portugiesen weiterhin wie Räuber im indischen Meere schalteten, würde er als Repressalie das Heilige Grab in Jerusalem zerstören. Aber weder der Papst noch irgendein Kaiser oder König haben mehr Gewalt über den imperialistischen Willen Portugals. So bleibt den Geschädigten nur übrig, sich zusammenzutun und rechtzeitig den Portugiesen in Indien Schach zu bieten, ehe sie sich endgültig festsetzen. Den Angriff bereitet der Zamorin von Calicut vor, im geheimen unterstützt vom Sultan von Ägypten und wohl auch von den Venezianern, die ihm – Gold ist immer dicker als Blut – unter der Hand Kanonengießer und Geschützmeister nach Calicut senden. Mit einem einzigen plötzlichen Schlag soll die christliche Flotte überfallen und vernichtet werden.

      Aber oft entscheidet die Geistesgegenwart und Energie einer Hintergrundsfigur für Jahrhunderte Geschichte. Ein glücklicher Zufall rettet die Portugiesen. Durch die Welt wandert damals ein verwegener, durch seinen Mut und seine Frische gleich sympathischer italienischer Abenteurer namens Lodovico Varthema. Nicht Gier nach Gewinn, nicht Ehrgeiz treibt den jungen Menschen in die Ferne, sondern eine ganz ursprüngliche, urtümliche Wanderlust. Ohne falsche Scheu bekennt dieser geborene Vagant: »Weil von zu schwerem Begriff und abgeneigt, aus Büchern zu studieren«, habe er sich entschlossen, »zu versuchen, persönlich und mit eigenen Augen, die verschiedenen Orte der Welt zu besehen, weil ja doch die Berichte eines einzigen Augenzeugen mehr wert seien als alles Gerede vom Hörensagen her«. Als erster Ungläubiger schleicht sich der verwegene Varthema ein in die verbotene Stadt Mekka (sein Bericht ist noch immer die Standardbeschreibung der Kaaba geblieben) und gelangt nach vielen Fährlichkeiten nicht nur bis nach Indien, nach Sumatra und Borneo, das immerhin schon Marco Polo betreten hatte, sondern als erster Europäer (und dies wird für die Tat Magellans mitentscheidend sein) auf die vielgesuchten islas de la especeria. Auf dem Rückweg erhält der als mohammedanischer Mönch Verkleidete in Calicut von zwei christlichen Renegaten erste Kunde von dem geplanten Überfall des Zamorin auf die Portugiesen. Aus christlicher Solidarität flüchtet er unter äußerster Lebensgefahr zu den Portugiesen hinüber, und seine Warnung kommt glücklicherweise noch zurecht. Als am 16. März 1506 die zweihundert Schiffe des Zamorin die elf der Portugiesen unvorbereitet zu überfallen hoffen, stehen diese schon schlachtbereit. Es wird der schwerste Kampf, den der Vizekönig bisher bestanden; mit nicht weniger als achtzig Toten und zweihundert Verwundeten (eine riesige Zahl für die ersten Kolonialkriege) bezahlen die Portugiesen ihren Sieg – freilich einen Sieg, der ihnen endgültig die Herrschaft über die indischen Küsten sichert.

      Unter den zweihundert Verwundeten befindet sich auch Magellan: wie immer ist es sein Schicksal in diesen dunklen Jahren, nur Wunden zu erhalten und keine Auszeichnung. Er wird zunächst mit den andern Blessierten nach Afrika hinübergeschafft; hier verliert sich seine Spur, denn wer führt Protokoll über Leben und Sterben eines einfachen Sobresaliente? Eine Zeitlang scheint er in Sofala geblieben zu sein, dann muß er auf irgendeine Weise als Begleiter eines Transports zurückbefördert worden sein; aller Wahrscheinlichkeit nach – an diesem Punkt widersprechen sich die Chronisten – ist er im Sommer 1507 auf demselben Schiff wie Varthema nach Lissabon heimgekehrt. Aber schon hat die Ferne über den Seefahrer Gewalt bekommen. Schon grüßt ihn Portugal fremd, und sein knapper Urlaub wird nur ein ungeduldiges Warten auf die nächste Indienflotte, die ihn zurückführt in seine eigentliche Heimat: das Abenteuer. Dieser neuen Flotte, mit der Magellan nach Indien zurückkehrt, steht eine besondere Aufgabe zu. Zweifellos hat sein illustrer Reisegefährte Lodovico Varthema bei Hof Bericht erstattet über den Reichtum der Stadt Malacca und genaue Mitteilungen gemacht über die vielgesuchten Gewürzinseln, die er als erster Europäer und Christ ipsis oculis gesehen. Dank seinen Informationen begreift man am