Julia Fromme

Zeit der Könige


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harten und ungerechten Herrschaft leiden, wieviel Unglück hast du ihnen gebracht.“

      Endlich verstummte sie. Albrecht brachte kein Wort heraus. Wie konnte es nur sein, dass diese Frau, mit der er seit fast neun Jahren verheiratet war, so verbittert war. Nie hatte sie sich beklagt, sich immer seinen Entscheidungen gebeugt. Ewig frömmelnd war sie mehr in der Kirche als in der Burg anzutreffen gewesen, hatte sie sich zur Tugendwächterin des gesamten Hofes aufgeschwungen. Wie konnte er nur so blind gewesen sein. Statt sich diese Frau zu seiner stärksten Verbündeten zu machen, um sich so der Unterstützung ihrer böhmischen Familie zu versichern, hatte er sie einfach ignoriert und als schwach abgetan. Doch dass sie ihm jetzt so die Meinung sagte, zeugte von wenig Schwäche. Aber nun war es zu spät. Er hatte ihre Sympathie längst verloren, wenn überhaupt je besessen.

      Albrecht wandte sich ab und schritt langsam zur Tür. „Ich habe keine Zeit für solchen Unsinn. Wenn das hier vorbei ist, werde ich dir sagen, was ich von deiner ach so hohen Meinung über mich halte. Jetzt muss ich mich darum kümmern, mein Land zu verteidigen.“

      Albrecht hatte bereits den Türknauf in der Hand, als ihre Stimme ihn innehalten ließ.

      „Wenn du klug bist, dann gehst du zum Kaiser und bittest ihn um Gnade. Nur so kannst du vielleicht deine Herrschaft noch retten!“

      Der Markgraf stimmte ihr überraschender Weise zu. „Vielleicht hast du recht, Sophie. Ich werde darüber nachdenken. Doch vorher muss ich diesen böhmischen Abschaum aus meiner Stadt vertreiben.“ Damit ließ er sie stehen und ging hinaus, nicht ohne die Tür heftig hinter sich zuzuschlagen.

      Sophie verharrte einen Moment wie erstarrt. Diese neuerliche Beleidigung ihrer Familie ließ auch die letzten Gefühle, die sie noch für Albrecht hegte, ersterben. Jetzt sah sie keinen Anlass mehr dazu, sich loyal zu zeigen. Sie wollte sich mit ihrer kleinen Tochter Christina auf die Burg Camburg zurückziehen, eines der Güter, das zu ihrer Morgengabe gehörte.

      Noch am selben Abend verließ Sophie mit ihrer Tochter in Begleitung eines kleinen Trosses die Stadt Meißen. Man ließ sie unbehelligt ziehen. Zu ihrer Begleitung gehörte auch Nicolas, von dem sie wusste, dass er mehr zu Dietrich als zu Albrecht stand. Sie fragte ihren Gemahl nicht um Erlaubnis, den Jungen mitnehmen zu dürfen. Durch seine Anwesenheit hoffte sie, unversehrt an den Truppen Dietrichs vorbeizukommen. Nicolas war nicht sehr begeistert gewesen, mit der Markgräfin zu gehen. Auch wenn er am Hofe unter den Sticheleien Falks und seiner Kumpane zu leiden hatten, hätte er es vorgezogen, hier im Kreise seiner Freunde zu bleiben. Doch die anderen ermutigten ihn, nicht zu verzagen.

      „Es ist eine gute Gelegenheit, zu erfahren, was am Hof der Markgräfin so vor sich geht. Und bestimmt bist du klug genug und lässt dich nicht in irgendwelche Machenschaften, die Sophie gegen ihren Gemahl ausheckt, hineinziehen“, meinte Ragin.

      Nach vier Tagen erreichten sie ihr Ziel. Sophie sollte nicht mehr nach Meißen zurückkehren.

      Albrecht erlitt vor den Toren von Meißen eine verheerende Niederlage, die Stadt wurde von den bischöflichen Truppen schwer verwüstet. Albrecht floh auf das Gut einer seiner Vasallen. Von hier aus versuchte er mit den kaiserlichen Ratgebern Kontakt aufzunehmen, um mit diesen eine Verständigung zu erzielen. Doch lehnten sie es ab, selbst irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Albrecht musste also den Staufer in Italien persönlich aufsuchen. Er bestellte für die Zeit seiner Abwesenheit seinen Onkel, den sächsischen Herzog Bernhard und seinen Vetter, Markgraf Konrad von der Ostmark zu den Sachwaltern der Burgen Meißen und Camburg, in welcher sich Sophie noch immer aufhielt. Auch wenn ihn mit Sophie nichts mehr verband, so lag ihm das Wohl seiner Tochter doch am Herzen, denn sie war das einzige Kind, das ihnen noch am Leben geblieben war.

      Albrecht traf den Kaiser nicht auf seinen italienischen Besitzungen an. Um dem Winter so weit wie möglich zu entfliehen, war der kränkelnde Monarch bis nach Sizilien gezogen. Tagelang wartete Albrecht darauf, zu Heinrich vorgelassen zu werden. Doch der weigerte sich, den Markgrafen zu empfangen und dieser musste den Hof unverrichteter Dinge wieder verlassen.

      Blind vor Wut überquerte er im zeitigen Frühjahr trotz grimmiger Kälte und nahezu unpassierbarer Wege die Alpen. Von seinen Gefolgsleuten forderte er schier unerträgliche Strapazen. Mehr als ein Pferd samt Reiter oder Packtier war in einen steilen Abgrund zwischen den eisigen Felsen gestürzt oder im tiefen Schnee auf immer versunken.

      Nach einem Monat erreichte Albrecht Meißen, wo er sich in seiner Burg verschanzte und finstere Pläne schmiedete. Seine Mitmenschen behandelte er immer grober, und schon wegen geringster Vergehen ließ er sie hart bestrafen. Sein Ziel war es, im östlichen Sachsen die Gefolgsleute des Kaisers militärisch zu verfolgen, das Ackerland und die Siedlungen der umliegenden Diozösen zu vernichten und danach alle seine eigenen Burgen und Städte nach der Devise der verbrannten Erde zu zerstören, damit dem Feind nichts mehr in die Hände fiel. Nur Leipzig sollte verschont bleiben, um hier eine starke Bastion gegen seine Gegner zu haben und die Stadt und Burg des Pleißenlandes zum Mittelpunkt des Kampfes zu machen.

      Kapitel 6

       Burg Meißen

       März 1195

      Nicolas schaute sich verstohlen um. Die Mauern warfen bereits lange Schatten, als er sich durch das Burgtor, immer an der Wand entlang, in Richtung Eingang zum Palas schlich. Er war fast einen ganzen Tag und eine ganze Nacht geritten. In großer Eile hatte er Camburg verlassen, noch immer die dramatischen Ereignisse, die sich wenige Zeit zuvor ereignet hatten, vor Augen. Obwohl es Ende März war, wehte ein eisiger Wind, der immer wieder dunkle Wolken brachte, aus denen dann ein gefrorener Regen herabprasselte. Nicolas fror erbärmlich und sehnte sich nach einem wärmenden Feuer. Mit Vorfreude dachte er an die alte Berthe und ihre heiße Suppe.

      Schnell schlüpfte er durch die angelehnte Tür. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zu schließen, um den kalten Wind von draußen fernzuhalten.

      Nicolas atmete auf. In der Halle sah er Tassilo von Hohnberg am Ende der langen Tafel sitzen, einsam über einem Humpen Bier seinen Gedanken nachhängend. Bei dem Geräusch der sich nähernden Schritte hob er den Kopf und ein breites Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht.

      „Nicolas, mein Junge“, rief er erfreut. „Bin ich froh, dich bei guter Gesundheit zu sehen. Niemand konnte sagen, wo du bist, bis mir der kleine Konrad erzählt hat, dass du mit der Markgräfin die Burg verlassen hast.“ Tassilo schüttelte ungläubig den Kopf.

      „Wieso bist du bei Nacht und Nebel von hier fort, Nicolas? Der Markgraf hat getobt vor Wut, als er hörte, dass seine Frau Meißen heimlich verlassen und einen seiner Knappen mitgenommen hat.“

      Nicolas verbeugte sich ehrerbietig vor seinem alten Lehrmeister. Die Erleichterung, gerade ihn hier anzutreffen, ließen seine angespannten Schultern nach unten sacken.

      „Herr Tassilo, ich habe wichtige Nachrichten für den Markgrafen. Doch hatte ich Angst, ihm unter die Augen zu treten. Aber ich muss unbedingt zu ihm. Es geht um die Markgräfin.“ Nicolas schaute ängstlich um sich.

      „Was ist es, was du unserem Herrn so dringend sagen musst, Nico? Der Markgraf ist noch nicht im Meißen. Allerdings hat ein Bote bereits seine baldige Ankunft gemeldet. Er ist auf dem Rückweg von seiner Reise nach Italien, wo er zum Kaiser wollte.“

      Nicolas ließ sich direkt vor Tassilo auf den Boden sinken und atmete tief durch.

      „Nico, was ist los, bist du krank?“, fragte der alte Mann besorgt.

      „Nein, Herr, aber erleichtert.“ Nicolas grinste. „Und erfroren und halb verhungert.“

      „Ach, mein Junge. Ich bin froh, dass du wohlbehalten wieder hier bist.“ Tassilo nahm Nicolas bei den Armen und zog ihn zu sich hoch auf die Bank.

      „Bald werden die Mägde das Abendmahl auftragen. Dann kannst du dich stärken. Emma“, rief er laut, so dass Nicolas erschrocken zusammenzuckte. Doch schon nach wenigen Augenblicken erschien eine dralle Magd in der Halle.

      „Bringe dem jungen Herrn einen Becher heißen Wein, Emma. Aber beeil dich, er ist halb