Kalika Häring

Vier Frauen allein in Istanbul


Скачать книгу

Fahrkartenschalter mit der Aufschrift "Otobüsü". Das klingt wie Autobus, also wird man dort vielleicht wissen, wo und wann ein Bus in die Stadt fährt. Vielleicht hätten wir ein paar Wörter Türkisch lernen sollen, denn der Herr am Schalter versteht kein Deutsch, kein Englisch und auch sonst nichts von dem, was wir sagen. Aber irgendwie müssen wir herausfinden, wo der Bus fährt.

      Also: "Otobüsü????" Antwort: Nicken.

      "Otobüsü Istanbul???" Nicken.

      „Wo?“ Fragender Blick.

      Wir zeigen mit ausholender Geste in die Runde. Wo? Lächeln. Mh, geht nicht. Wie viel kostet das? (Reiben der Finger aneinander). Der Mann schreibt auf: 12 TL. Also zwölf Türkische Lire. "Otobüsü Istanbul zwölf (Finger) Lire?" Nicken.

      Aha. Danke. Weiter zum Taxistand. Die Taxifahrer verstehen jede Sprache. Eine Fahrt bis in die Innenstadt von Istanbul kostet 100 Türkische Lire, das sind 50 Euro. Bei vier Personen kostet der Bus also 48 Lire, das ist die Hälfte des Taxipreises. Lohnt es sich, dafür das Wagnis einzugehen? Und ist ein Taxi nicht bequemer? Ja, vielleicht,aber spannender ist doch die Geschichte mit dem Bus. Wir klappern nach und nach alle Busse mit laufendem Motor ab und fragen "Istanbul???"

      Nein, Rumänien, Rundreise.....Alles ist dabei, nur Istanbul nicht. Aber schließlich erklärt uns ein Busfahrer, dort an der Haltestelle fährt der Linienbus nach Istanbul. Der kostet pro Person 12 Lire und man bezahlt beim Kassierer im Bus. Man fährt direkt in die Innenstadt und braucht dafür ca. zwei Stunden. Und der Bus fährt in einer halben Stunde. Das nennen wir mal eine Auskunft! Der Bus kommt auch gleich danach an, so dass wir unser Gepäck verladen können und noch Zeit haben, schnell zur Toilette zu flitzen. Die Toilette befindet sich im Flughafengebäude. Aber eben mal schnell zurück in den Flughafen zur Toilette geht leider nicht. Dazu muss man erst einmal wieder komplett durch eine Kontrolle mit Tasche abgeben, Jacke ausziehen, durch das Piepsgerät, alles wieder

      anziehen, Tasche nehmen – und jetzt aber schnell. Die Blase drängt und der Bus auch. Um diese Zeit fahren nicht sehr viele Leute mit, so dass wir die hintere Bank für uns haben und uns ausstrecken können. Kurz vor der Abfahrt kommt der Kassierer in den Bus und sammelt das Geld ein. Die Fahrt ist lang, aber wir sind so müde, dass wir sowieso alles verschlafen. Am frühen Morgen mit der aufgehenden Sonne erreichen wir schließlich den Taksim Platz im Herzen von Istanbul. Hier ist Endstation. Die erste Hürde ist geschafft. Geht doch !

      Viele Menschen sind zu dieser Zeit noch nicht unterwegs, aber in einem kleinen Cafe bekommen wir schon mal ein heißes Getränk. Etwas übernächtigt sind wir jetzt doch und auf weitere Busfahrten hat niemand mehr Lust. Wir beschließen, von hier aus ein Taxi bis zum Hotel im Bezirk Sultanahmet zu nehmen. Wir wissen, dass das Hotel in der Piyerloti Straße liegt und es von dort nicht weit bis zur blauen Moschee und zur Hagia Sofia ist. Dem Taxifahrer zeigen wir auf der Karte, wo wir hin wollen. Ja, alles verstanden. Für zwanzig Lire ist er bereit, uns zum Hotel zu fahren. Das Geld bekommt er vorab, damit er seine Meinung unterwegs nicht ändern muss. Die Fahrt geht los. Von weitem sehen wir schon die Moschee und die Hagia Sofia. Der Taxifahrer zeigt auch noch hin, damit wir sie auch wirklich sehen. Dann biegt er nach rechts ab und fährt und fährt und fährt und die Moscheen verschwinden hinter uns. Vielleicht ist die Straße zu unserem Hotel gesperrt? Oder vielleicht kann man gar nicht direkt dorthin fahren? Wir fahren durch abenteuerliche Straßen. Es regnet inzwischen, die Straßen stehen noch voller Wasser von den Unwettern mit Überschwemmungen der letzten Wochen und das Taxi klettert mit atemberaubender Geschwindigkeit schlecht gepflasterte Gassen rauf und runter, dass uns Angst und Bange wird. Hier soll unser Hotel sein?? Endlich – wir biegen in eine schöne, ruhige grüne Straße mit einer Anlage aus neuen Holzhäusern ein. Das sieht doch gut aus! Der Taxifahrer steigt aus und fragt ein paar Männer, ob er hier richtig ist. Piyerloti ist schon richtig, aber hier ist nicht Sultanahmet. Und die Straße heißt auch anders. Nur das Hotel hat den Namen. So was auch. Wer hatte die schlaue Idee, vorab zu zahlen??

      Zurück geht es in halsbrecherischer Fahrt durch die engen, steilen Straßen. Jetzt regnet es richtig. Wir sind inzwischen ganz still geworden.

      Wird das noch was? Ungefähr zwanzig Minuten später kommen wir tatsächlich vor unserem Hotel an. Alles stimmt: die Straße, der Hotelname und die Moscheen kann man auch sehen. Wir sind glücklich!! Zweite Hürde geschafft! Weil wir so gute Menschen sind, geben wir dem Taxifahrer noch 15 Lire drauf. „Dumm stellen kann auch reich machen“, wird der sich gedacht haben. Ein heißes Getränk wäre jetzt das Richtige. Die Zimmer sind leider so früh am Morgen noch nicht frei, aber der freundliche Herr an der Rezeption bietet uns an, dass wir doch erst einmal nach oben in den siebten Stock fahren sollen, um dort schön zu frühstücken. Dafür könnten wir ihn küssen!

      Oben angekommen, bietet sich uns ein herrlicher Ausblick: Wir schauen genau auf das Marmarameer mit allen seinen kleinen und großen Schiffen. Der Regen hat aufgehört, die Sonne kommt heraus. Das Meer glitzert so wunderschön. Es ist ein Traum!!! Wir setzen uns in das helle Restaurant mit Rundumblick und bunten Blumen auf der Terrasse und entspannen uns bei ganz viel Tee, Kaffee, heißer Schokolade, Toastbrot, Hörnchen, Schafskäse, Oliven, Rührei und so weiter. Und immer dieser herrliche Blick über das blaue blaue Meer! Nach dem Frühstück sind sogar die Zimmer schon fertig, so dass wir einziehen können.

      Geschafft! Istanbul wartet. Obwohl wir eine Nacht nicht geschlafen haben, sind wir jetzt trotzdem so fit, dass wir erst einmal hinausgehen wollen zu einem ersten Orientierungsgang. Mit dem Stadtplan in der Hand machen wir uns auf in Richtung Sultanahmet Moschee, der „blauen Moschee“. Die ist ausgeschildert, und man sieht auch die Minarette immer mal zwischen den Häusern durchgucken. Auf dem Weg vom Hotel zur Moschee kommen wir durch viele hügelige Straßen, auf denen man teilweise ganz schön klettern muss. Und immer nach unten schauen!! Plötzlich ist das Stück Bürgersteig zu Ende, auf dem man eben noch gehen konnte. Rechts fällt urplötzlich eine steile Treppe ab. Ein neues Stück Bürgersteig kommt, aber höher als der alte. Und die Pflastersteine auf der Straße liegen nur grob in den Sand gedrückt da, jederzeit bereit, herauszubrechen und ein Loch zu hinterlassen.

      Aber schließlich kommen wir unversehrt vor dem sogenannten Hippodrom an, das sich an der Seite der Moschee entlangzieht. Das Hippodrom war einstmals eine Pferderennbahn, als Istanbul noch Konstantinopel hieß. Davor hieß es Byzantion und war nur eine mittlere Provinzstadt.In diesem Byzantion wurde das erste Hippodrom gebaut.

      Nachdem römische Kaiser Konstantin 324 n.Chr. die Hauptstadt von Rom nach Byzanz verlegt hatte, bekam Byzanz den neuen Namen Konstantinopel und das Hippodrom wurde erweitert. Es ist heute ein länglicher Platz mit einem Obelisken und einer Säule darauf, die als eine Art „Reiseandenken“ aus anderen Ländern mitgebracht wurden und heute etwa zwei Meter unter Straßenniveau stehen. An der von uns aus gesehen linken Seite steht der sog. „Deutsche Brunnen“, der ein Geschenk Deutschlands als Andenken an den Besuch von Kaiser Wilhelm II im Jahr 1898 ist. Nachdem wir die Säule, den Obelisken und den Brunnen ausführlich besichtigt haben, überqueren wir die Straße und gelangen zum Seiteneingang der Sultanahmet Moschee, die auch „blaue Moschee“ genannt wird. Direkt neben dem Eingang haben verschiedene Händler ihre Geschäfte. So muss es damals in Jerusalem ausgesehen haben, als Jesus so böse wurde und die Händler aus dem Moscheebereich vertrieben hat. Nun ja, vielleicht hat er ja Recht gehabt, aber einen kleinen Blick können wir doch mal hineinwerfen...

      Alles gibt es: Jacken, Taschen, Kissen, Schals, Brillen, Skulpturen und Plastikmoscheen. Wer hier nichts findet, dem ist nicht zu helfen. Die freundlichen Verkäufer helfen gern, teilen uns und beraten getrennt, damit wir das wunderbare türkische Handwerk und die günstigen, aber absolut echten Markenprodukte zu würdigen lernen. Zwei von uns sind absolut beratungsresistent, die anderen Beiden kaufsüchtig. Und eine Sonnenbrille braucht man bei der unerwarteten Intensität der Istanbuler Sonne. Ein warmer Wollumhang für den Abend kann auch nicht schaden. Wir haben Oktober! Und günstig sind die Sachen in der Tat. Fünf Türkische Lire für die Brille und zehn für den gewebten Umhang aus garantiert echter Schafwolle aus dem Taurus-Gebirge mit garantiert alten überlieferten Mustern darauf. Nein, da kann man nicht zögern. Die Sachen müssen mit!

      Nach erfolgreichen Geschäften verlassen wir unter den ständigen Verbeugungen unserer beiden netten Berater den Laden und betreten den großen Moscheengarten durch das steinerne Tor