Golem?“, fragt Golina. „Was ist das denn?“
„Ein künstliches Wesen. Man macht es aus Metall, glaube ich, aber wie genau das funktioniert, weiß ich nicht. Als ich noch klein war, hatten wir einen im Dorf. Sie sind sehr stark und helfen beim Kampf gegen Monster. Unserer hat mir einmal sogar eine Blume geschenkt. Aber dann ist er irgendwann kaputt gegangen. Ich wusste nicht, dass es im Wüstendorf einen neuen Golem gibt.“
„Klingt ja toll“, erwidert Golina. „So einen könnten wir auch gut gebrauchen!“
„Ach was, wozu denn?“, meint Margi. „Wir haben doch Kolle!“
Ihr Freund grinst breit. Primo fühlt einen leichten Stich der Eifersucht. Er wünscht sich, Golina wäre genauso stolz auf ihn wie Margi auf Kolle.
„Ich glaube, wir sagen besser Magolus Bescheid“, meint Golina und klettert als Erste die Leiter herab.
„Sie kommen!“, ruft sie, als sie das Bankett erreicht, wo sich die übrigen Dorfbewohner bereits zum Essen niedergelassen haben.
„Was, jetzt?“, erwidert Birta. „Das geht jetzt nicht. Sie sollen warten, bis wir mit dem Essen fertig sind. Wer nicht kommt zur rechten Zeit ...“
„Aber sie wussten doch gar nicht, dass wir ein Essen für sie vorbereitet haben“, wirft Primo ein. „Außerdem haben sie eine weite Reise hinter sich. Wollt ihr sie denn nicht wenigstens begrüßen?“
„Na gut, in Notchs Namen, wenn es unbedingt sein muss“, grummelt Magolus. Er legt sein gebratenes Hühnchen aus der Hand und folgt den vier Freunden zusammen mit den anderen Dorfbewohnern zum Flussufer.
Als sie die Gruppe der Wüstendorfbewohner näher kommen sehen, stoßen sie erstaunte Rufe aus:
„Was ist das denn für ein Monster, das die da bei sich haben?“
„Das sieht gefährlich aus!“
„So was kommt mir hier nicht ins Dorf!“
„Ach was, das ist bloß ein Golem, der ist nicht gefährlich.“
„Und woher willst du das wissen? Für mich sieht er ziemlich gefährlich aus.“
„Das weiß doch jeder, dass Golems ungefährlich sind!“
Die Delegation der Fremden erreicht endlich das östliche Flussufer. Es sind mehr, als Margi angekündigt hatte: Neben dem Priester in seiner purpurnen Robe zählt Primo sechs Begleiter. Das wird ganz schön eng in der Schmiede seines Vaters.
„Willkommen, Fremdlinge!“, ruft Magolus feierlich. „Ich bin Magolus, der Priester dieses schönen Dorfs!“
„Igitt!“, erwidert der Priester des Wüstendorfs. „Schon wieder Wasser! Gibt es denn in diesem unseligen Landstrich keine Möglichkeit, trockenen Fußes euer Dorf zu erreichen?“ Genau wie Margi spricht er das E breit wie ein Ä aus: Schon wiedär Wassär.
„Warum watet ihr nicht einfach hindurch wie normale Leute?“, fragt Magolus.
„Ich soll mir die Füße nass machen?“, fragt Wumpus zurück. „Und außerdem, wisst ihr denn nicht, dass Golems nicht durch Wasser gehen können?“
„Äh, ja, doch, natürlich, klar“, stottert Magolus.
„Da drüben gibt es einen Übergang“, erklärt Olum, der jeden Winkel des Flusses kennt.
Die Delegation aus dem Wüstendorf folgt dem Flussufer ein Stück weit nach Norden bis zu der Stelle, wo er durch einen schmalen Grasstreifen unterbrochen ist. Die Dorfbewohner gehen ihnen am anderen Ufer entgegen, so dass sie sich an der Überquerung treffen.
„Nochmals herzlich willkommen“, sagt Magolus und streckt die Hand aus.
„Jaja, schon gut“, erwidert der Anführer der Delegation, ohne die Hand zu ergreifen. „Ich bin übrigens Hohepriester Wumpus.“
„Hohepriester?“, fragt Magolus. „Wieso Hohepriester? Was soll das heißen, Hohepriester?“
„Das hier ist Haudruf, der führende Schmied in unserem Dorf“, fährt Wumpus fort, ohne auf Magolus‘ Frage einzugehen.
„Aber wir haben doch bloß einen ...“, beginnt der Mann, auf den Wumpus gezeigt hat, doch dieser unterbricht ihn, um die anderen der Reihe nach vorzustellen: „Trakto, der Vorsitzende des Landwirtschaftsverbandes, daneben Ariela, die Fischereibeauftragte, Bux, der eine führende Position in unserer Lederherstellung innehat, Schaschli, die Fleischfabrikantin, und Daun, der Inhaber unserer Wollmanufaktur.“
„Auch ich heiße euch herzlich willkommen“, sagt Margi. „Ich freue mich, Besuch aus meinem früheren Heimatdorf zu bekommen.“
„Aha, das soll also das Wunderdorf sein, von dem du erzählt hast“, stellt Wumpus fest. „Na, wir werden ja sehen.“
Staunend betrachten die Dorfbewohner den Golem.
„Der ist ja riesig!“, meint Kaus und streckt seine Hand danach aus.
„He, nicht anfassen!“, sagt einer von Wumpus‘ Begleitern. „Er ist nicht gut auf Fremde zu sprechen.“
„Aber ihr seid doch die Fremden!“
„Was denn, habt ihr etwa keinen Golem in eurem kümmerlichen Dorf?“, fragt Wumpus mit herablassendem Tonfall.
„Nein, aber wir haben was viel Besseres ...“, beginnt Margi, doch Magolus fällt ihr ins Wort: „Doch, natürlich haben wir einen Golem. Sogar zwei. Nur sind sie momentan gerade nicht da.“
„Ach?“, fragt Wumpus. „Wo sind sie denn?“
„Im Wald“, improvisiert Magolus. „Sie sind im Wald. Holz fällen.“
„Soso, Holz fällen“, erwidert Wumpus.
Ehe er kritische Nachfragen stellen kann, sagt Porgo: „Ihr müsst von der weiten Reise hungrig sein. Kommt, wir haben ein Festessen für euch vorbereitet.“
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