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J.C.Caissen
Eisblumen
im
Blaubeerwald
Imprint
Titel: Eisblumen im Blaubeerwald
Autor: J.C.Caissen
published by: epubli GmbH, Berlin
Copyright: © 2013 Cornelia Ahlberg
ISBN 978-3-8442-7556-8
Inhaltsverzeichnis:
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Vorwort
Viele Menschen wissen, daß sie unglücklich sind.
Noch viel mehr Menschen wissen nicht, daß sie
glücklich sind.
(Albert Schweitzer)
1
„Aaaaah, du glaubst ja gar nicht, wie wohl das tut.“ Corinna schließt die Augen, sinkt noch ein wenig tiefer in das eigentlich fast zu heiße Badewasser und bewegt langsam ihre Zehen, spreizt sie und krümmt sie, spreizt sie und krümmt sie. Der Badeschaum geht ihr bis knapp unter die Unterlippe. Tief saugt sie Luft in die Nase ein, hält sie an und sinkt dann mit dem Kopf ganz ein in das wohlduftende Badewasser. Nach einer kurzen Weile taucht sie wieder auf, die nassen Haare hängen ihr in Strähnen über die Augen. „Iiiieeeh, das ist total gemein von dir, na warte.“ Corinna sprüht eine hohe Wasserfontäne aus dem Mund hinüber zu Dennis, der neben der Wanne auf der Toilettenbrille hockt. Sie lacht schallend. Jetzt ist er aufgesprungen, füllt schnell seinen Mund am Waschbecken mit kaltem Wasser, dreht sich um und will es seiner Mutter zurückgeben, aber die ist schon wieder abgetaucht. Er wartet, lange kann sie ja nicht dort unten bleiben und sprüht ihr dann aus spitzem Mund das kalte Wasser ins warme Gesicht. „Brrr, das ist ja eiskalt“. Corinna fröstelt plötzlich. „Wir sind ja auch in Schweden, da, wo die Eisbären auf der Straße herumspazieren“, meint Dennis. „Das ist doch nur so eine dumme Erfindung von Leuten, die nicht wissen, wie es hier wirklich aussieht.“ „Ist aber doch eine tolle Vorstellung. Ich fände das lustig, mal einem richtigen Eisbären auf der Straße zu begegnen.“ Dennis ist ein richtiger Tierfreund. In ihren Urlauben am italienischen Strand brauchte er immer gleich einen Eimer, damit er erst einmal Sand in den Boden füllen konnte, dann Meereswasser. Dann sammelte er allerlei Getier, das er am Strand und im Wasser so fand. Corinna wunderte sich immer, daß er auch die kleinsten Tierchen und Muscheln einfach so entdeckte, und alle Strandwanderer blieben stehen bei dem Jungen, der so versunken, völlig mit sich selbst beschäftigt war und leise vor sich hin sang. Sie fragten ihn, was er denn gesammelt hätte und schauten in Dennis' Eimer hinein. Dennis erklärte dann ohne aufzuschauen, daß er nicht nur Muscheln und kleine Krebse, sondern auch eine klitzekleine Flunder, die sich vergeblich im Sand verstecken wollte, einen Mini-Tintenfisch, der bei Berührung kräftig grau schwarze Tinte ausblies, einen Seestern und zwei kleine Quallen in seinem Eimer hatte. Eine der Quallen glibberte ihm dabei durch die Finger zurück ins Wasser. Seltsamerweise sprach er auch Deutsch mit Italienern oder allen anderen Urlaubern. Er plapperte einfach drauf los und die Leute hörten freundlich zu und nickten und schauten nochmal in den Eimer.
„Na, einen Eisbären sehe ich doch lieber hinter einem Wassergraben oder einer dicken Glasscheibe, auf jeden Fall mit sicherem Abstand. Die Jungs sind gefährlich.“ Corinna sieht hinüber zu Dennis, der sitzt da mit verträumten Augen und starrt ins Leere, seine Füße schaukeln hin und her.
Plötzlich steht André in der Tür. „Na, ihr zwei. Habt ihr euch den Reiseschmutz schon abgerubbelt? Wenn ihr dann so langsam fertig seid, können wir essen. Ich habe schnell etwas zusammengerührt. Aber nehmt euch die Zeit, die ihr braucht.“ Er verschwindet wieder aus dem Türrahmen.
Corinna und Dennis waren erst vor gut zwei Stunden bei Andrés Büro angekommen. André war dann mit seinem Wagen, natürlich typisch schwedisch, einem großen und sicheren Volvo, vorausgefahren. Corinna und Dennis hinterher.
Corinna war 19 Stunden lang nonstop von Deutschland nach Schweden gefahren, mit ihrem kleinen, alten Toyota Starlet. Sie hatte mehr als einmal gebetet, daß die Karre nur ja durchhalten solle.
Sie und Dennis waren geflohen aus Deutschland. Und zwar auf Anraten von Corinnas Anwalt. Was für ein mutiger Mensch, jemandem so einen Rat zu geben.
Obwohl ihr Mann Walter, Dennis' Vater, nach der Trennung damit einverstanden war, daß Dennis mit Corinna nach Schweden umziehen dürfe, so wollte er plötzlich nichts mehr davon wissen. Dennis meinte nach einem dieser Wochenenden, die er gewöhnlich mit der berufstätigen Corinna in deren Wohnung verbrachte, er wolle nicht mehr zurück zum Vater. Als Corinna Walter dies telefonisch mitteilte, drehte der völlig durch und wollte die Polizei schicken, um ihn abholen zu lassen. Wenn sie sich jetzt nicht beeilen würden, schnell nach Schweden auszureisen – und nicht erst, wie geplant, in drei Monaten –, so meinte ihr Anwalt, dann würde Corinna ihren Sohn nicht mehr so ohne weiteres mitnehmen können. Ein Gerichtsprozeß könne natürlich angestrebt werden, der könne sich aber schlimmstenfalls einige Jahre hinziehen.
Also hatten Corinna und Dennis schnell ein paar Sachen zusammengepackt, Dennis hatte ein paar gewaltige Butterbrote geschmiert für die Reise, während Corinna notwendige, praktische Dinge erledigte. Sie hatte schließlich auch noch gute Freunde informiert, bevor sie sich endlich auf den Weg nach Schweden machten.
Dennis hatte während der ganzen Fahrt, bis hin zur Grenze, an der sie noch hätten aufgehalten werden können, unentwegt geredet, über Gott und die Welt. Die Anspannung war einfach zu groß für den gerade neunjährigen Jungen. Nach der Grenze dann war sein Kopf, wie auf Knopfdruck, langsam zur Seite weggekippt, er fiel in tiefen Schlaf und wurde über die restlichen gut tausend Kilometer nicht ein einziges mal mehr wach. Erst als sie bei Andrés Büro in Stockholm angekommen waren, wachte er schlaftrunken auf.
Corinna steigt aus der Wanne, und während sie sich abtrocknet, steigt Dennis in ihr Wasser und plantscht erst einmal darin herum, schüttet sich Shampoo auf die Haare und geht auf Tauchstation, um es wieder raus zu waschen. Corinna föhnt sich derweil die Haare und zieht sich frische Wäsche an. Viele Teile zum Wechseln hat sie nicht einpacken können. Sie muß dann eben sehr bald waschen. „Du machst bitte nicht mehr allzu lange. André wartet mit dem Essen“. Corinna geht hinüber zum Wohnzimmer.
Was für ein Glück sie doch hatten. André und sie hatten sich vor einem knappen Jahr kennengelernt, während eines internationalen Managerseminars ihrer Firma. André arbeitete in Schweden, Corinna in Deutschland. Bereits nach dieser einen, gemeinsamen Arbeitswoche war erstaunlicherweise beiden klar, daß sie ihr Leben