Frank Föder

Fremd- oder Selbstbestimmung?


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aufschließt und sich dort, wo es ihm gut geht, in dem, was er tut, gern bestätigen läßt, findet der Verkünder des Heils stets ein gefälligeres Echo. Wer der Menschheit für die nahe Zukunft das „Goldene Zeitalter“ verheißt und darüber hinaus versichert, daß es sich automatisch einstellen werde, im wesentlichen als Folge der angestoßenen Entwicklung, der darf nicht nur bei Einfaltspinseln, sondern auch bei allen denen des Beifalls sicher sein, die bei einem realistischeren Blick in die Zukunft dazu aufgerufen wären, ihrer Verantwortung gemäß zu handeln.

      Gefordert wären die Regierungen der maßgebenden Staaten. Diese jedoch zeigen sich alles andere als als besonnen und bedenklich. Sie sind mit „Apokalypseblindheit“ geschlagen, wie Günther Anders konstatiert. Ihre Weitsicht reicht gerade bis zur nächsten Legislaturperiode.

      Wo es um Gegenwartsbeurteilung geht, da verlegen auch gemeinhin recht diesseitig Veranlagte sich gern aufs Glauben: „Es wird schon nicht so schlimm kommen“. Gar zu außerordentlich, zu unfaßbar, zu aussichtslos ist, was die unverfälschte Betrachtung der Sachverhalte offenlegt.

      Von dem afro-amerikanischen Schriftsteller James Baldwin wird überliefert: „Menschen, die ihre Augen vor der Wirklichkeit verschließen, beschwören schlicht ihre eigene Vernichtung herauf.“

      Gleichwohl gibt es Zeitzeugen, denen seit langem das unbekümmerte Schwelgen in den gewonnenen Gelegenheiten Sorge bereitet. Dazu gehören die Mitglieder des Club of Rome und die Angehörigen der Union of Concerned Scientists [UCS]). Auch einige Nichtregierungsorganisationen (NGO) gehen gegen besonders gefährliche Auswüchse an. Den Mitgliedern der Weltorganisationen bleibt die Bedenklichkeit der Lage zwangsläufig nicht verborgen. Sie machen darauf auch reichlich aufmerksam.

      So finden sich zunehmend Menschen, die das Geschehen beunruhigt. Sie bleiben aber eine Minderheit. Obendrein besteht unter ihnen Uneinigkeit über die Möglichkeiten und Verfahren, den bedrohlichen Entwicklungen Einhalt zu gebieten.

      Henry Kendall, amerikanischer Umweltexperte und Nobelpreisträger, ist gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Wissenschaftler der Auffassung, daß der Menschheit nur mehr wenige Jahre bleiben, um das Steuer herumzureißen.

      Da gibt es eine Spezies, die über einen kleinen Körper im All gebietet. Sie überfüllt und überfordert ihn. Zur Massentötung fähig, läßt sie ihre Alphatypen ungehemmt ihrem Eigensinn frönen und jedes Maß verlieren. Sie führt sich auf, wie einst Zeus und seine Sippschaft. Deren Himmel immerhin hat der Orkus verschlungen.

      Die Geschöpfe des Prometheus schlagen in den Wind, was er sie einst lehrte. Hat er ihnen doch dringend empfohlen, sein Feuer auf kleiner Flamme zu halten.

      Die Ursache der Wirkung.

      Die Erdzivilisation droht zusammenzubrechen. Verantwortlich dafür ist der Mensch, das steht außer Frage. Doch schlägt sich hier seine Veranlagung nieder? Muß es darum gehen, ihn zu ändern oder ihn zu disziplinieren?

      Die bedrohliche Bevölkerungsvermehrung, was ruft sie hervor?

      Nach Robert Malthus vermehren sich Völker immer in besonderem Maß, wenn es ihnen wirtschaftlich gut geht. Demnach müßte es rosig aussehen auf dem Wirtsplaneten der Menschen.

      Vielerorts fehlt es den Bewohnern tatsächlich an nichts. Aber just dort werden zu wenig Kinder geboren. Offensichtlich kommen seit neuestem günstige wirtschaftliche Verhältnisse der Familienplanung bei jungen Menschen nicht mehr entgegen.

      Der alten Weisheit zum Trotz schrumpft die Bevölkerung, wo Wohlstand herrscht, und sie wächst, wo er ausbleibt. Neuerdings scheinen eher Armut und Ausweglosigkeit den Fortpflanzungstrieb anzuregen.

      Die Gegenwart leidet unter der Begebenheit, daß hier zu wenig und dort zu viel Geburten verzeichnet werden. Beide Erscheinungen sind bedenklich. Dennoch ist die Übervölkerung für die Situation auf der Erde das gefährlichere Übel. Was ruft sie hervor?

      An dieser Stelle drängt sich die Betrachtung einer Begebenheit auf, wie dieser: Vor achthundert Jahren „einte“, wie es in platthistorischer Diktion heißt, Dschingis Khan alle Mongolenstämme. Kaum hatte er dies vollbracht, verlangte die Macht, die er nun innehatte, nach mehr. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, daß ihm dafür unversehens viel Volk zur Verfügung stand.

      Noch heute gibt es in Arabien, in Afrika, im fernen Osten, Nomadensippen, die ungeachtet der mittlerweile vorhandenen Staatsstruktur sehr selbständig auf ihrem gegen andere Sippen abgegrenzten Gebiet ein Eigenleben führen. Das dürfte in den Jahrhunderten vor der Geburt des Großkhans im Inneren Asiens ebenso der Fall gewesen sein. Was also führte dazu, daß es jählings Mongolen zu Hauf gab? Und was regulierte, nachdem der Spuk vorbei war, die Fortpflanzung wieder auf ein normales Maß?

      Es macht wenig Sinn, diesen Vorgang zu vertiefen. Aber merkwürdig ist es schon, daß munter darauf los geschwängert wird, sobald die Eigenverantwortung aufhört und ein Mächtiger nach Masse ruft. Tüchtige Volksverführer haben einen hohen Verschleiß an Personal. Auch die Deutschen zeugten in ihren „großen Zeiten“ reichlich Nachwuchs.

      Unverkennbar haben äußere Umstände Einfluß auf das Geburtsgeschehen. Deshalb kommt die Frage nach der Ursache dafür, daß die Vermehrung eines Volks hin und wieder überhandnimmt, an den jeweils gegebenen Verhältnissen nicht vorbei.

      Wohlstand scheidet heute als Beweggrund aus. Er hemmt eher. Dagegen könnte Volksverführung nach wie vor nicht ganz unbeteiligt sein. Die meisten Geburten jedoch finden zur Zeit in Regionen statt, die von Zerrissenheit und Wirrnis geprägt sind. Hier ist die Zeugung offenbar Ausdruck einer Verzweiflung. Auch damit aber steht das Umfeld im Visier.

      Nun waren für Staat und Gesellschaft die Möglichkeiten, bezüglich des Kinderwunsches auf ihre Angehörigen einzuwirken, noch nie so reichhaltig wie heute.

      Nach dem Willen der Vereinten Nationen, ausgedrückt erstmals auf der Bevölkerungskonferenz 1994 in Kairo, soll „reproduktive Gesundheit“ die Gebärfreudigkeit eindämmen. Mann und Frau sollen ihre Familienplanung so einrichten, daß es zum Stillstand der Bevölkerungsvermehrung kommt. Mit anderen Worten: Es gilt, jungen Menschen die Kenntnis der Möglichkeiten zur Verhütung einer Schwangerschaft zu vermitteln sowie ihren Willen zu wecken, eines dieser Mittel anzuwenden, spätestens sobald das dritte Kind ins Haus steht.

      Gerade dort aber, wo Armut herrscht, machen die Paare davon zu wenig Gebrauch. Deshalb versuchen die Regierungen, auf andere Weise auf sie einzuwirken. In Indien verspricht ein Bundesstaat Frauen und Männern, die sich kostenfrei sterilisieren lassen, ein Auto. Der Club of Rome schlägt vor, jede Frau, die nur ein Kind bekommen hat, an ihrem fünfzigsten Geburtstag mit 80 000 Dollar zu belohnen.

      China greift zur Gewalt. Es erlaubt den Familien nur mehr die Aufzucht eines Kindes. Zwangsmaßnahmen indessen zeitigen selten, was sie bewirken sollen. Das Bevölkerungswachstum in der Volksrepublik beträgt trotz der Aktion noch fortlaufend 1,5 Prozent. Im übrigen leidet das Land jetzt unter einem Männerüberschuß.

      Was die Politik unternimmt, bleibt ohne die nötige Wirkung. Und die naheliegende Erwägung, das Unmaß hier und den Mangel dort auszugleichen, stiftet gerade in jüngster Zeit mehr Unheil als Erleichterung. Diese Begebenheit wird an anderer Stelle noch gesondert zu beleuchten sein.

      Nach alledem ergibt sich folgender Sachverhalt: Junge Menschen haben nicht das welt­geschichtliche Erfordernis im Auge, wenn sie kopulieren. Und die Bemühung, ihnen das gebotene Bewußtsein beizubringen, etwa durch Belehrung und verbesserte Bildung oder durch Belohnung, erbringt nicht den nötigen Erfolg. Druck andererseits hat überwiegend negative Auswirkungen.

      Achtsamkeit, so scheint es, verdienen die sozialen Verhältnisse. Gebraucht wird ein Umfeld, das Paare dazu bewegt, sich Kinder zuzulegen, aber eben nicht im Unmaß. Utopie? Mit diesem Urteil sind wir schnell bei der Hand. In Ermangelung eines erfolgversprechenden anderen Wegs indes lohnt es sich vielleicht, diesen Aspekt im Auge zu behalten.

      Die bedrohliche Beschädigung der Natur, was führt sie herbei?