Laura Feder

Die Kinder Paxias


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sehr dunklen Stimme. Dabei lockerte er seinen Griff gerade genug, um ihr ein Nicken zu ermöglichen.

      Sie reagierte nicht, glaubte so etwas wie Enttäuschung in seiner Miene zu erkennen, während er ergeben aufseufzte.

      „Das dachte ich mir fast. Wie kann ich dir jetzt bloß beibringen, dass du hier nichts zu befürchten hast? Dass du hier in Sicherheit bist?

      Ich will dir nicht wehtun, wenn du mich nicht dazu zwingst.“

      Sie entspannte sich merklich unter ihm. Misstrauen mischte sich in ihren Blick, den Hass ein wenig mildernd.

      Er schrieb dies dem beruhigenden Klang seiner Stimme zu und beeilte sich fortzufahren.

      Alles war besser als eine Fortsetzung des Kampfes mit ihr. Sie musste unglaubliche Schmerzen leiden, er hoffte inständig, ihr nicht noch mehr davon zuzufügen, während er sie im Bett festhielt.

      Aus diesem Grund hatte er vor ihrem Kampf nur ihre Hände ruhiggehalten.

      Bei allen guten Mächten Paxias, niemals hätte er gedacht, dass noch so viel Kraft in ihr steckte. Colias Kräutermixtur hätte sie nicht nur sechs Stunden schlafen lassen sollen, sondern für diese Zeit auch ihren Körper betäuben müssen. Nun waren gerade vier Stunden um, und sie war gefährlich wie ein wildes Raubtier. Ihr Angriff hätte ihm sicherlich sein Leben gekostet, wäre er nicht unsterblich und hätte sie nicht ein gebrochenes Bein.

      Der Schmerz, der vor wenigen Momenten ihr schönes Gesicht verzerrt hatte, war ihm selbst fast körperlich spürbar gewesen, deswegen hatte er sie mit besonderer Vorsicht zurück ins Bett gebracht. Ungeachtet seines eigenen Zustandes.

      Sie hatte ihn tatsächlich an seiner verwundbarsten Stelle getroffen. Er war nur mit Mühe einer Ohnmacht entgangen, und es war mehr ein Reflex gewesen, der ihn sie wegschleudern ließ.

      Bei ihrem qualvollen Schrei hatte er seinen eigenen Schmerz übergangen und ihr nur helfen wollen, sich nicht noch mehr zu verletzen.

      Und nun, da er auf ihr saß, das äußerst schmerzhafte Pochen in seinem Schritt ignorierend, war er von dem Bestreben erfüllt, ihr ihre wahrscheinlich große Angst zu nehmen und ihn als Freund statt als Feind anzusehen.

      „Mein Name ist Iain, ich …“

      „Wo bin ich?“, unterbrach sie ihn aggressiv.

      Es gab nichts Schlimmeres als formellen Austausch, vor allem, wenn die Fronten weit davon entfernt waren, geklärt zu sein.

      Ihre erniedrigende Lage trug auch nicht gerade dazu bei, ihre Stimmung zu heben und vorgeben zu können, ein friedfertiger Wächter zu sein. Leider ließ ihr der verlorene Kampf keine Wahl. Er zwang sie zu Verhandlungsbereitschaft.

      Und Iain war mehr als erfreut, als ihre klangvolle Stimme ihn herrisch anfuhr. Auch wenn er seine Ansichten über ihre vermutete Angst schleunigst revidieren musste.

      Das Wesen unter ihm, dessen angespannte Muskeln er an seinen Beinen deutlich spüren konnte, war eindeutig ein kriegerischer Geist mit einer Unerschrockenheit, von der selbst er sich noch eine gute Scheibe abschneiden konnte.

      Er war voller Bewunderung und so erleichtert, dass sie eine Sprache besaßen, dass er ihre Frage ohne Zögern beantwortete.

      „Du bist in der Himmelsburg, ich selbst habe dich …“

      „Bin ich auf Paxia?“, unterbrach sie ihn abermals ungeduldig. Wollte er ihre Frage nicht verstehen?

      „So ähnlich.“ Nun lächelte er sogar über sie. Hatte er denn überhaupt keinen Respekt vor ihrem Kampfmut?

      Ihre Wut flackerte erneut auf.

      Iain bemerkte seinen Fehler sofort. Offensichtlich teilten sie nicht das gleiche Verhaltensmuster, und er beeilte sich, ihr den Stachel zu nehmen.

      „Diese Welt ist Paxia, das stimmt. Doch du befindest dich im Reich des Himmels, weit über der Oberfläche Paxias, dort, wo die Wolken aufhören.“

      Nun war es an ihr, überrascht zu sein.

      Das Reich des Himmels.

      Konnte es sein, dass ihre erste Begegnung auf dieser Welt der lebende Beweis für die Authentizität der Sagen war?

      Einen Moment vergaß sie ihre feindliche Haltung.

      „Dann bist du ein Sagenwesen?“

      „Wenn du es so nennen willst. Zumindest findet man einiges über mein Volk in den Überlieferungen.“

      Sie erinnerte sich gut daran. Diese Wesen sollten ohne Flügel fliegen können und große Macht über das Wetter Paxias haben. Sie bestimmten, wann die Sterne Paxias zu sehen waren und wann nicht. Es war an ihnen, den Himmel mit Wolken zu bedecken und den Regen zu beherrschen – wenn die Wesen des Windes ihnen mit einem Sturm nicht die Pläne zunichte machten und die Wolken wegfegten.

      Ihre gelehrte Seite drängte ihr unzählige Fragen auf und erweckte ihr Interesse. Doch noch war ihr Misstrauen größer, erst mussten die Unklarheiten beseitigt werden.

      „Wie bin ich hierher gekommen? Und was ist mit mir? Was hast du mir angetan?“

      Iain zuckte betroffen zusammen. Sie traute ihm keinen Moment, dachte noch immer, sie wäre unter Feinden. Und das war das Letzte, was er wollte. Es war an der Zeit, dieses Missverständnis zu beseitigen.

      „Ich habe dich bewusstlos gefunden, nachdem der Sturm vorbei war. Du schienst in Lebensgefahr und große Schmerzen zu haben, also habe ich dich hierher gebracht, damit unsere Medizinerin dir helfen konnte.“

      „Der Sturm“, murmelte sie, dann war ihre Erinnerung doch richtig. Der Tornado hatte sie durch die Luft gewirbelt und dann ganz unvermittelt aufgehört. Sie war über einem Wald abgestürzt …

      „Heißt das, du hast mich von Paxia fortgebracht!? Ich muss sofort wieder zurück!“

      Aufgebracht wand sie sich unter ihm, versuchte sich aus seinem Griff zu lösen. Iain reagierte, indem er sie fest ins Bett drückte und seine Arme gegen ihre Schultern drängte.

      Sein Gesicht war dicht über ihrem, dass sie seinen Atem auf ihren Wangen spürte, während er aus eindringlichen grauen Augen ihren Blick suchte.

      Fasziniert hielt sie inne, ihr fiel ein, dass in einer der ältesten Überlieferungen vermerkt war, dass Himmelswesen ihre Gefühle nicht verbergen konnten, da ihre Augen, gleich dem Himmel, mit den Stimmungen ihre Farbe wechselten.

      Im Augenblick glichen sie einem dicht bewölkten Horizont – sie durfte seiner Betroffenheit glauben.

      „Ihr wart verletzt, Fremde. Iain hat Euch retten wollen!“ Colias ironische Stimme durchschnitt die erstarrte Atmosphäre. Beider Köpfe fuhren erschrocken zu der Medizinerin herum, die mit verschränkten Armen an einem Fenster lehnte. Sie war völlig lautlos eingetreten und hatte die beiden eine Zeitlang interessiert beobachtet.

      Iain war ein wenig verlegen, sie gaben sicher ein seltsames Bild ab. Doch seine Gegnerin hatte ganz andere Sorgen.

      „Ich bin verletzt?!“ Entsetzt sah sie zwischen den anderen hin und her.

      Iain nickte ernst.

      „Du hast dir dein rechtes Bein gebrochen. Colia hier hat es dir richten müssen.“ Damit wies er auf die Frau, die nun näher getreten war und sie ruhig betrachtete.

      „Aber ich darf nicht verletzt sein! Ich habe einen Auftrag, den ich erfüllen muss – so schnell es mir möglich ist!“

      „So schnell es Euch möglich ist“, unterbrach die Medizinerin sie bestimmt; den wütenden Blick, der darauf folgte, ignorierte sie. „Und das wird in den nächsten sechs Wochen nicht der Fall sein.

      Bei Paxia, Ihr braucht jetzt Eure ganze Kraft für die Heilung. Ich habe Euch extra ein Mittel gegeben, das Euch noch mindestens eine Stunde hätte schlafen lassen müssen, damit der Prozess schneller eingeleitet wird und Ihr keine Schmerzen spüren braucht.“

      „Keine Herrschaft über meinen Körper.“ Sie explodierte