K.B. Stock

Die Erben der Larojaner


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      Herzog Tarek-Khor war glücklich. Nach seiner glänzenden Karriere in der larojanischen Raumflotte, in der er als Kommandant großer Schlachtschiffe, Raumkreuzer und später als Flottenkommandeur gedient hatte, war ihm vom Systemkanzler der Zentralregierung des LARO-SYSTEMS zum Ende seines rund 50-jährigen erfolgreichen Berufslebens – nicht zuletzt wegen seiner Verdienste – ein Herzenswunsch erfüllt worden. Und so war er jetzt, am Ende seines aktiven Diensts in der Systemschutzflotte, im Alter von 70 Jahren als Kommandant des überlichtschnellen Forschungskreuzers KUNTUR in die Randzone der Milchstraße gestartet, um mit seiner rund 200-köpfigen Besatzung mehr über die ursprüngliche Herkunft des larojanischen Volks herauszubekommen. Sein erdähnlicher Heimatplanet LARO 5, zugleich die Hauptwelt des Fünf-Planeten-Systems Laro, war nämlich – wie man aus der überlieferten larojanischen Geschichtsschreibung wusste – nicht der Ursprungsplanet seines Volkes.

      Die KUNTUR war ein nach dem letzten Stand der larojanischen Technik aus der brandneuen Metalllegierung ULTRANIT gefertigtes und als langgezogene zylindrische Röhre gestaltetes Forschungsschiff mit rund 200 Metern Länge. Im Durchmesser ca. 40 Meter breit und hoch, verfügte die KUNTUR über vier neuartige überlichtschnelle MPD1-Triebwerksgondeln, die – paarweise übereinander – an beiden Seiten des Schiffskörpers angebracht waren. Flüge durch den Hyperraum mit einer Reichweite von etwas mehr als 5.000 Lichtjahren waren nach Zuschaltung eines Stützfeldgenerators mit diesem neu entwickelten Plasma-Triebwerkstyp kein Problem. Jedoch war man dann mindestens 1,5 Jahre mit der maximal möglichen 5.000-fachen Lichtgeschwindigkeit unterwegs.

      Angesichts unbekannter Gefahren war das Schiff beim Bau – neben leistungsfähigen Schutzschirmaggregaten – mit einer ganzen Reihe von schweren Laser-Impulsgeschützen und Photonentorpedowerfern bestückt worden, auch wenn diese gegenüber einem Schlachtkreuzer nur in deutlich geringerer Anzahl vorhanden waren. Schließlich brauchten die vielfältigen Ortungs-, Aufklärungs- und Laboreinheiten an Bord auch ihren Platz.

      Zur Verstärkung der Besatzung hatte das Schiff zusätzlich 50 der erst seit wenigen Jahrzehnten auch im Raumdienst verwendeten Androiden an Bord, die sowohl im Bordbetrieb, als auch als Kämpfer und zur wissenschaftlichen Unterstützung der Forschungscrew eingesetzt werden konnten. Äußerlich waren diese künstlich geschaffenen Wesen, bis auf ihre blassere Hautfarbe und ihre grün-lila Uniformen, nicht von einem biologisch geborenen Larojaner zu unterscheiden.

      LARO 5, eine kühle erdähnliche Welt mit drei Kontinenten und einem planetenumspannenden Ozean, kreiste um eine rote Zwergsonne und war – den Überlieferungen der Alten nach – vor vielen Millionen Jahren von Auswanderern besiedelt worden, die – der Sage nach – als Kolonisten von einem Planeten aus einem weit entfernten Sonnensystem gekommen waren.

      Die ursprüngliche Clan-Struktur der Alten war, nach vielen kriegerischen Auseinandersetzungen auf LARO 5 selbst, zum Zeitpunkt des Starts der KUNTUR einer demokratisch legitimierten, konstitutionellen Monarchie mit einem regierenden parlamentarischen Rat gewichen.

      Und erst seit man vor etlichen Jahrtausenden die beiden benachbarten heißeren Planeten des Laro-Systems, LARO 4 und 3 in der äußeren Randzone der Sonne Laro mit inzwischen weiterentwickelten hochtechnisierten Mitteln auf und unter deren Oberfläche bewohn- und damit nutzbar gemacht hatte, konnte man von einem Laro-System sprechen.

      Darüber hinaus hatte man es vor einigen Jahrhunderten auch geschafft, weitere Planetensysteme in der näheren Umgebung zu erforschen, um einige davon zu besiedeln. Dazu hatte vor allem beigetragen, dass man es im Laro-System mittlerweile verstand, zuvor unbewohnbare Planeten mit einer planetenweiten Schutzschirmtechnologie so auszustatten, dass das technische Erzeugen einer künstlichen Atmosphäre kein größeres Problem mehr darstellte.

      Allerdings wurde damit auch den Keim der Zwietracht und der Anlass zu verlustreichen Raumschlachten zwischen den Nachkommen der Urbevölkerung Laros und den Gouvernements der Nachbarsysteme gelegt, die noch keine 100 Jahre zurücklagen.

      Doch das war inzwischen Vergangenheit – das Larojanische Reich des Jahres 701 v. Chr. hatte sich zu einem föderalen politischen Systemverbund entwickelt, der zwar nach wie vor feudal strukturiert, jetzt aber von einem gemeinsamen Systemrat demokratisch gesteuert gemeinsame Ziele verfolgte. Dies vor allem deshalb, weil man angesichts der verheerenden Opfer und Kriegsschäden allerseits eingesehen hatte, dass Krieg kein probates Mittel der Konfliktbewältigung darstellte.

      Was von der ursprünglichen feudalen Struktur systemweit übrig geblieben war, waren die Titel der Oberschicht, die vor allem in der Systemadministration sowie in der Führungsebene der Raumflotte weiterhin – sozusagen als Amts- bzw. Dienstgradbezeichnungen – Bestand hatten.

      Der 5. Planet der roten Zwergsonne LARO lag von der heutigen Erde aus gesehen im Sternbild Cygnus oder Schwan und war auf der Erde als Kepler-186f erst im Jahr 2014 der irdischen Geschichtsschreibung mit dem Kepler-Teleskop als bis dato erster und einziger erdähnlicher, in einer habitablen Zone liegender Planet in ca. 500 Lichtjahren Entfernung von der Erde entdeckt worden.

      Aber davon wusste Herzog Tarek-Khor natürlich nichts, denn er übernahm das Kommando über das Explorerschiff zu einer Zeit, die auf der Erde der Jetztzeit mit der Angabe 701 Jahre vor Christus bezeichnet wurde.

      Dort, auf der Erde, kannte man zu jener Zeit nur das im Sommer auf der Nordhalbkugel gut sichtbare Sternbild des Schwans, das auf der Erde auch als Kreuz des Nordens bezeichnet wurde und das schon den Schiffen der Phönizier als Navigationshilfe gedient hatte.

      Auch auf der Erde der Jetztzeit war den Menschen nichts davon überliefert, dass in grauer Vorzeit, vor über 60 Millionen Jahren, eine Vielzahl ihrer Vorfahren, dank ihrer hochentwickelten Raumfahrt-Technologie, bei einer galaktischen Katastrophe von der Erde geflohen waren, die jetzt im Sternbild des Schwans auf Kepler-186f lebten.

      Im Larojanischen Reich des Jahres 701 v. Chr. war den wenigen noch vorhandenen Aufzeichnungen zufolge nur bekannt, dass vor sehr langer Zeit Kolonisten auf dem unbesiedelten Planeten LARO 5 gelandet waren, die mutmaßlich aus dem gleichen lokalen Seitenarm der Milchstraße gekommen waren, in dem auch das Laro-System lag. Doch der genaue Ort, von dem die Vorfahren abstammten, ließ sich anhand der historischen Aufzeichnungen nach inzwischen mehr als 60 Millionen vergangenen Jahren nicht mehr ermitteln. Schließlich hatten die Alten im Zuge von Flucht und Auswanderung mit der Kolonisierung des damals einzig bewohnbaren Planeten LARO 5 genug zu tun gehabt und so war ihre ursprüngliche Herkunft irgendwann in Vergessenheit geraten.

      Aber der Name des Ursprungsplaneten ihres Volkes war überliefert worden: TERRUM, so hatten die Alten ihren Ursprungsplaneten genannt, den sie anscheinend im Zuge einer kosmischen Katastrophe verlassen hatten.

      Nachdem das Larojanische Reich erst in den letzten Jahrzehnten endlich befriedet worden war, hatte man im Jahr 701 vor Christus regierungsseitig jetzt wieder Kräfte und Mittel für Fernexpeditionen bereitgestellt.

      Und der Auftrag von Kommandant Tarek-Khor lautete nun, das sagenhafte TERRUM wieder zu finden. TERRUM, soviel war aus den antiken Aufzeichnungen bekannt, sollte als dritter Planet eines 9-Planetensystems um eine gelbe Sonne mit Namen SOL kreisen und sich – wie schon beschrieben – angeblich in einem Fragment des gleichen lokalen Seitenarms der Galaxis befinden. Und Tarek-Khor und seine von ihm aus der Raumflotte ausgewählten Frauen und Männer waren nun auf der Suche danach.

      Kapitel 2 Am Ziel – 700 Jahre v. Chr.

      Nahezu ein Jahr war seit dem Start des Forschungsraumschiffs KUNTUR vergangen. Zahlreiche Sonnensysteme und Planeten des leicht gebogenen, lokalen Seitenarmfragments der Milchstraße, hatte Tarek-Khor während dieser Zeit mit seiner Besatzung bislang angeflogen, erforscht und katalogisiert, ohne auf eine Spur der Vorfahren zu stoßen.

      Aber Aufgeben war auch nach so langer Zeit der Abwesenheit von zuhause seine Sache nicht; schließlich hatte man noch nicht einmal ein Fünftel der für solche Explorer-Einsätze üblichen Zeitspanne erreicht.

      Momentan waren Kommandant Tarek-Khor und seine Besatzung etwa 500 Lichtjahre vom heimatlichen Laro-System entfernt etwa in der Mitte des auf der heutigen Erde als Orionarm bekannten Seitenfragments der Galaxis unterwegs.

      Mora-Lhan,