Christian Manhart

Max Muckel Band 6


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du das? Der Berti ist hier“ krächzte es aus dem Hörer.

      „Ah, der Kramer Berti. Hallo Berti. Das ist aber nett, dass du dich rührst. Wie geht`s dir denn?“ Max war echt überrascht über den Anruf seines alten Kumpels Berti.

      „Prima kann ich nur sagen. Das heißt im Klartext: Ich bin noch für längere Zeit krankgeschrieben. Nein Max, keine Sorge. Das mit der Krankheit ist eigentlich keine große Sache. Meine ramponierten Bandscheiben sind`s nur. Das kommt halt vom vielen Sitzen. Und du? Wie geht`s dir? Ich hab gehört du bist schon in Rente?“

      „Nein, nicht ganz. Altersteilzeit nennt sich das. Ich bin jetzt in der Ruhephase. Deshalb brauche ich jetzt nicht mehr zu arbeiten. Das stimmt schon.“

      „Du hast es gut. Mein Betrieb lässt mich wahrscheinlich schuften, bis ich vom Stuhl falle. Dann hast du ja jede Menge Zeit, oder?

      Du Max willst du mit uns zum Pummelsee fahren? So wie damals. Der Rosstaler Willi und Paul Vogel fahren natürlich auch mit. Wir könnten Kartenspielen. So wie früher! Weißt du noch? Was meinst du? Ein Ausflug in unsere Jugendzeit?“ lockte Berti.

      Max überlegte einen Moment. Was Besseres hätte ihm eigentlich gar nicht passieren können. Schon hatte er die Vision von einem ausgefüllten Tag vor sich. Seine alten Freunde hatte er sowieso sträflich vernachlässigt in den letzen Jahren. So gesehen ein Wunder, dass ihn Berti einfach so anruft. Er beeilte sich zuzusagen:

      „Ah, ja eigentlich eine wirklich gute Idee. Wo trefft ihr euch denn? Ich hab nämlich momentan kein Auto zur Verfügung“ log Max. Aber mit dem Audi stand er eben immer noch auf Kriegsfuß.

      „Überhaupt kein Problem, wir holen dich ab. Sagen wir in einer halben Stunde?“

      „Ist gut. Das passt mir. Ich warte unten auf euch.“

      Nachdenklich legte Max auf. Das war dann doch komisch! Was wollten denn die alten Freunde plötzlich von ihm? Hatte Max denn nicht genau im Moment als das Telefon, klingelte ans Baden gedacht ... Prompt kam die Einladung zum Pummelsee zu fahren. Zufälle gibt‘s! Ausgerechnet zum Pummelsee! Da war Max schon ewig nicht mehr. Genauer, seit gewissen Vorfällen in der Vergangenheit hatte Max den Pummelsee vorsichtshalber gemieden. Oder besser: Gern war er da nicht mehr hingefahren.

      Das war natürlich schon eine Ewigkeit her. Wirklich kein triftiger Grund die alten Geschichten hervorzukramen. Es konnte überhaupt nicht schaden mal wieder zum Pummelsee zu fahren. Schließlich war Abwechslung das halbe Leben.

      Man musste auch mal raus aus der Öde des Alltags. Die Stimmung von Max besserte sich trotz der unangenehmen Erinnerung, die sich in seinem Kopf breitgemacht hatte. Er suchte sich seine Badesachen zusammen. Nachdenklich packte er auch seine uralte Taucherbrille mit dem Schnorchel daran mit ein. Man konnte ja nie wissen. So eine Taucherbrille hätte er damals wirklich gut gebrauchen können ... Aber er hatte sie sich erst viel später gekauft.

      

Wenig später klingelte es Sturm bei Max. Seine alten Freunde waren schon da. Als hätten sie schon um die Ecke gewartet, so schnell waren sie bei ihm. Max beeilte sich, dass er nach unten kam. Willi stand breitbeinig auf dem Gehweg. Er hatte ordentlich an Umfang zugelegt. Da war nicht mehr viel zu sehen von seinem stahlharten, muskulösen und drahtigen Körper. Bei Berti sah die Sache ganz ähnlich aus. Nur Pauli hatte sich von der Figur her nicht verändert. Er war unverändert schlank geblieben. Immer schon einer der Größten aus der Clique war er vielleicht sogar noch ein Stück gewachsen. Jedenfalls überragter er sie alle um fast eine Kopfgröße. Dafür war sein Gesicht ein bisschen mehr zerknittert als bei den zwei anderen. Er machte trotz seiner vitalen Figur und Größe vom reinen Äußeren her, den Eindruck eines wesentlich älteren Mannes.

      Willi Rosstaler hatte schon bald nach der Schule und Ausbildung ein eigenes, erfolgreiches Unternehmen gegründet und führte ein luxuriöses Leben. Das passte zu ihm. Genau wie sein Auto. Er hatte seine dicke Mercedes-S-Klasse frech in der Einfahrt abgestellt.

      Sie begrüßten sich freudig. Max durfte auf dem Beifahrersitz des Luxusschlittens Platz nehmen. Kaum hatte Willi den Motor gestartet, wollte er von Max schon wissen, wieso er denn momentan kein Auto habe. Max druckste ein wenig herum, bis er auf die Idee mit einem langwierigen Werkstattaufenthalt kam. Er erzählte eine reich ausgeschmückte Geschichte des angeblichen Ärgers, den er mit seinem neuen Auto hatte. Willi und die anderen gaben sich mit der Antwort zufrieden. Mit rasantem Tempo fuhr Willi in Richtung des Pummelsees.

      Max sah aus dem Seitenfenster. Gut, er hatte schon zu Hause mit gemischten Gefühlen an den Pummelsee gedacht. Am Pummelsee waren Max und seine Freunde früher sooft gewesen. Außer zu den Zeiten als Max ins Feriencamp geschickt wurde. Wenn da nicht die Sache mit dem Schilf und den Tauchexperimenten gewesen wäre. Max schluckte schwer, wenn er nur daran dachte. Ein dicker Kloß war plötzlich in seinem Hals.

      

Die Erinnerung an den Tag mit den Experimenten war unglaublich präsent und ließ ihm den Atem stocken. Sein Mund wurde staubtrocken. Er spürte, wie ihm der Schweiß auf der Stirn stand.

      ,Ach, am Besten gehe ich gar nicht ins Wasser‘ dachte sich Max und schielte zu Willi, der am Steuer seines protzigem Mercedes sass und bester Laune war. Willi, der Spaßvogel hatte sie damals alle zu dem gefährlichen Unsinn angestiftet. Er hatte ganz bestimmt kein schlechtes Gewissen.

      2

      Der gefährliche Unsinn an dem Max nun so lebhaft denken musste, als wäre es gestern gewesen, bestand aus Willis sagenhaften Tauchexperimenten. Eine richtig gemeine Schnapsidee hatte Willi an einem dieser unbeschwerten Badetage. Aber Willi hatte sich ja damals überall und bei jedem durchgesetzt. Sein Wort galt halt etwas unter den Freunden.

      Also machten sie notgedrungen alle mit. Wer wollte schon gerne als Feigling oder Drückeberger bezeichnet werden? Die immer wieder zu bestehenden Mutproben galten in der Clique als ein wichtiger Bestandteil, um dazuzugehören. Wer nicht mitmachte, konnte sich gleich neue Freunde suchen. Deshalb scherte keiner aus. Auch Max nicht. So ohne Weiteres hätte sich Willi nicht durchgesetzt, doch er hatte den Vorteil, dass er alle diese waghalsigen Mutproben als Erster bestanden hatte. Er machte es problemlos vor, da blieb den anderen nichts anderes als nachzuziehen.

      Der Pummelsee, nur wenige Kilometer von Bimpelstadt entfernt, war einer der wenigen natürlich entstandenen Seen in der Gegend. Deshalb gab es um den See herum ausgiebige Vegetation die damals, als Max noch ein Kind war, weitgehend unberührt und sich selbst überlassen war. Das Freibad hatte man erst einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt. Es wurde schnell zu einem beliebten Treffpunkt in der ganzen Gegend.

      Links und rechts neben dem Bad hatte man die Bäume, Büsche und das Schilf ungehindert weiterwachsen lassen. Ein hoher Zaun, der weit in den See hineinreichte, verhinderte, dass sich die Leute um den ganzen See hin ausbreiteten und das Schutzgebiet beschädigten. Das meterhohe, undurchdringbare Schilf neben dem Strand hatte es Willi besonders angetan.

      MBS5f.jpgDieser Wald aus dichten Halmen übte eine mystische Faszination aus. Als würde sich darin ein uraltes Geheimnis verbergen. Wahrscheinlich lag es aber bloß an dem Warnschild, das vor der Zone aus dem Wasser ragte.

      ,Baden verboten‘ stand darauf. Und in roter Warnschrift

      ,Lebensgefahr!‘

      Darunter.

      Dazu war sogar noch ein Totenkopf mit gekreuzten Knochen darunter abgebildet.

      Das Schilf, dessen Halme zwei, drei Meter aus dem Wasser heraus wuchsen,

      war so dicht, dass man sich nur mit Mühe hindurchschlängeln konnte. Unter Wasser gab es jede Menge von Schlingpflanzen und zahlreiche Blutegel. Die Blutegel waren jedoch harmlos. Aber vor den Schlingpflanzen hatte Max eine Heidenangst. Eine unheimliche Geschichte machte immer wieder die Runde: Angeblich waren schon Dutzende Menschen im Schilf ertrunken. Die Schlingpflanzen hinderten Eindringlinge