Ernst Michael Schwarz

Der Tote im Luisenhain


Скачать книгу

um 08:00 Uhr-pünktlich. Britta in zehn Minuten bei mir, zur Abstimmung.“ Mit diesen Worten verschwand Sander in seinem Büro, das eher ein mit einer Glaswand abgetrennter Teil des Großraumbüros war. Aber nur hier kam er zur Ruhe. Nicht heute, da waren sie wieder - die Bilder aus dem Jahr 1987. Das schlimmste aber, der jetzt tote Kreibig, sah ihn direkt an und grinste so, als ob er ihn verhöhnen wollte.

      5.

      Sander und Britta Fuchs machten sich sofort nach der Dienstberatung auf direktem Weg in die Charité. Professor Weinert und Marie Dreger erwarteten sie schon: „Herr Sander, es ist schon eine Weile her und die Umstände unseres Wiedersehens sind sehr unschön. Zu den Erkenntnissen: Gut dass meine Kollegin Dr. Dreger so schnell am Tatort war. So gelang es uns die Abfolge der Stiche genau zu bestimmen. Hier, Stich Nr.1 die Halsschlagader, Sie sehen, Herr Sander ich bleibe bei den deutschen Bezeichnungen, alles andere im Bericht. Nr. 2 direkt ins Herz. Also er hat sofort das Bewusstsein verloren, dann starker Blutverlust und im wahrsten Sinne des Wortes der Todesstoß direkt ins Herz. Er war sofort tot. Die anderen zehn Stiche overkill, also post mortem. Da war jemand richtig sauer. Gut, aber das hätten Sie auch alles im Bericht lesen können. Jetzt zu den Dingen, die nicht im Bericht stehen, weil Ahnung, Vermutungen usw.“ Der Professor holte etwas Luft und wandte sich Britta zu: „Wissen Sie, … Frau ?“ „Fuchs…“ half ihm Sander. „Wir haben da so ein Abkommen. Ich darf Vermutungen usw. anstellen, ohne dass sie offiziell werden dürfen, denn wir sind keine Kriminalisten. Sollte ich oder meine Kollegin Dr. Dreger falsch liegen, haben wir nichts gesagt. So richtig Herr Sander?“ Sander nickte nur. „Liegen wir richtig, kann es sich der Herr Hauptkommissar auf die Fahnen heften und er muss uns einen ausgeben.“ „ Lagen wir schon mal falsch, Karl?“ meldete sich Frau Doktor Dreger zu Wort. „Nein !“ erwiderte Sander frostig. Britta bemerkte, wie ihr der Professor leicht zuzwinkerte. Sie verstand, da war was gewesen zwischen den beiden. „Jetzt sind Sie dran, Frau Kollegin!“ Professor Weinert übergab an seine Kollegin und trat einen Schritt vom Seziertisch zurück.

      „Sehen Sie hier…“ begann Marie Dreger, dabei hob sie den Kopf des Toten etwas an, „… der Mund leicht geöffnet, als ob er etwas sagen wollte, oder gesagt hatte, bevor er ins Reich der Finsternis entwich.“ Britta schaute genau hin und meinte: “Könnte es nicht ein Schrei gewesen sein, gewissermaßen der Todesschrei, Angst oder so was?“

      „Eher unwahrscheinlich. Es ging alles sehr schnell. Der konnte nicht mehr schreien. Ich war mir auch unsicher. Aus diesem Grund habe ich heute Morgen unseren Forensiker gebeten drauf zu schauen. Seiner Meinung nach, waren es nur ein oder zwei Worte. Was, wenn er die Person, die ihn attackiert hat, erkannte und so etwas wie: Du? oder Was Du? noch sagen konnte, also die Person kannte.“ Britta überlegte einen Moment: „Kühn, aber vielleicht sehr hilfreich. Karl was meinst Du? Person aus dem persönlichen Umfeld? Karl ? Hallo Raumschiff, hier Erde!“ Sander war abwesend und sehr blass geworden: „Entschuldigung, war wohl doch etwas wenig Schlaf letzte Nacht. Habt Ihr noch etwas?“ „Ja, die Stichwaffe. Im Bericht wird stehen - Fabrikat unbekannt. Aber ich bin mir nicht sicher, deshalb keine Vermutungen im Bericht. Bei meinem Einsatz in Afghanistan hatte ich solche Stichverletzungen zu behandeln. Ich würde auf ein RUI Tactical Knife tippen, Klinge 13,8cm, Stärke der Klinge 4mm. Denselben Typ gibt es auch als Springmesser, geht problemlos durch Stoff und Glas, absolut tödlich. Das Messer der Spezialkräfte der US Navy.“ Sander wurde noch blasser: „Die gibt es doch nicht in Deutschland, außer im Internet, verstehe. Wir sind dran.“ Der Professor konnte es sich nicht verkneifen: „Wir freuen uns schon auf ein leckeres Essen und einen guten Rotwein, Herr Hauptkommissar.“ Da war Sander aber schon draußen und am Fahrstuhl und Britta konnte nur mit Mühe folgen.

      6.

      Seit dem Mord an Willi Kreibig waren noch nicht mal zwei Tage vergangen. Karl Sander wollte mit seinem Team die ersten Ergebnisse auswerten und die weiteren Schritte beraten. Das große Whiteboard war aufgebaut, allerdings noch sehr leer. Nur in der Mitte prangte ein Foto von Willi Kreibig. Selbst auf dem Foto wirkte der ehemalige Oberst bedrohlich und gefährlich, obwohl er jetzt schon fast achtundvierzig Stunden in der Gerichtsmedizin lag, über zugerichtet und sehr tot.

      „Paul, habt Ihr oder die Spusi was in der Wohnung im Katzengraben gefunden?“ begann Sander die Beratung. „Nein, nichts was uns weiter bringen würde, außer dass es jetzt damit in Köpenick auch ein DDR –Museum gibt. Einfach gruselig, alles vollgestopft mit Devotionalien aus DDR-Zeiten. Interessant sind vielleicht ein paar Fotos, auf denen Kreibig mit etlichen anderen Typen zu unterschiedlichen Anlässen abgelichtet ist.“ Während Paul sprach, heftete Susi zwei Fotos neben dem Kreibig-Porträt an das Board. Jetzt meldete sie sich zu Wort: „ Ich war ja gestern noch mal am Tatort, habe mich umgesehen und mit ein paar Leuten gesprochen. Einer Bedienung des griechischen Restaurants, einem gewissen Konstantin, ist etwas Interessantes aufgefallen: Ein sehr gepflegter ältere Herr, schlank, Mitte sechzig großer breitkrempiger Hut; er beobachtete fast eine Stunde den Tatort. Als er sich unbeobachtet fühlte, ging er hinter die Absperrung und suchte offensichtlich etwas. Anschließend war er noch im Restaurant und hat sich sehr für die Ereignisse tags zuvor interessiert. Dabei hat ihn der Kellner unbemerkt mit dem Handy fotografiert, leider nur von der Seite.“ Susi heftet auch dieses Foto an das Whiteboard. „Ich habe diesen Kellner für das Protokoll heute nach Dienstschluss einbestellt.“

      In der Zwischenzeit war auch Max eingetroffen, ohne Pizza, aber mit Laptop und Kaffeepott. Alle mussten grinsen, außer dem Chef. Angesäuert bemerkte Sander nur: „So, jetzt begrüßen wir auch den besten Computerspezialisten Berlins. Hast du wenigstens was für uns, Max?“ Max ging gar nicht auf die Stichelei ein. „Ja, und ob. Ich habe den Genossen Oberst durchleuchtet, alles, Handy, Computer, einfach alles. Für Euch ausgedruckt, bitteschön.“ Max ließ ein Bündel dicht bedruckte Blätter rumgehen. „Der nach der Wende ach so ruhige Willi Kreibig war gar nicht so ruhig. Seine Wohnung im Katzengraben bewohnte er nur von November bis März. Ansonsten lebte er in seinem Wochenendhaus in Gosen am Seddinsee und dort war er sehr aktiv. Interessant ist, dass die Datsche auch im Winter belebt war, wenn Kreibig dort nicht persönlich anwesend war. Da wir alle wissen, dass es zum Bedienen von Computern, Smartphones usw. immer noch eines oder mehrerer Menschen bedarf, muss dort jemand gewesen sein. Also war und ist die Datsche immer noch so etwas wie eine Operationszentrale oder mehr. Stellt sich auch die Frage, wer trieb sich dort rum. Für euch dürfte auch von Interesse sein, dass die Gegend dort altes Stasigelände war, auf, oder besser unter dem sich ein Bunker befindet. Also für Kreibig ein Heimspiel. Noch etwas habe ich herausgefunden. Kreibig und der oder die Anonymusse von Gosen haben sehr oft mit zwei Nummern in Neukölln telefoniert, im Rollbergviertel. Außer den nicht zu verfolgenden Prepaid-Handys, verwette ich meine nächste Pizza, dass die Telefonnummern zum Al Madi Clan gehören. Also Drogenhandel, Prostitution, Geldwäsche, Autoklau und Waffenhandel. Eine ganz feine Gesellschaft. Kreibig und Al Madi Clan, da tippe ich doch mal auf Waffenhandel, oder?“

      Es war sehr still geworden bei dem Vortrag von Max. Britta Fuchs fasste noch den Besuch in der Gerichtsmedizin zusammen und dann stellte Sander die Aufgaben fürs Team: „Wir müssen jetzt ganz vorsichtig vorgehen. Ich informiere Erkner und die Außenstelle des LKA Brandenburg in Frankfurt/Oder. Die sollen uns einen Verbindungsmann schicken, nach Gosen, zur Datschensiedlung am Zwiebusch, wir senden nur eine Streife aus Erkner vorbei, mal sehen, wer sich dort rumtreibt. Tarek, du siehst dich mal etwas näher in Neukölln um. Paul und Susi, ab nach Köpenick, kennt jemand den unbekannten Mann, Hotels, usw. Britta, du forderst bitte bei der Stasiunterlagenbehörde alles an, was die zu Kreibig und seinem Umfeld haben. Max, du buddelst weiter, Richtung Waffenhandel usw. Renate hält die Stellung und fasst alles Bisherige zusammen. Ich bin jederzeit über Handy erreichbar, informiere erst mal unsere liebe Frau Staatsanwältin und bin dann in Köpenick. Ich habe da so eine Idee… Ansonsten: bis morgen früh, gleiche Stelle, gleiche Welle und jetzt an die Arbeit. Wir brauchen Ergebnisse!“

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте