Roland Reitmair

Servus in Bhutan


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uns durch. Ich zwang mich, die Augen offen zu halten. Es sollte bald soweit sein, Landung – wenngleich ich immer noch nicht ausmachen konnte, wo der Vogel aufsetzen wollte.

      Auf einem hügeligen Ausläufer im Tal stand ein Bauernhaus. Wir flogen dort so knapp drüber, dass man mit freiem Auge die Hühner zählen konnte.

      Danach ging’s fast im Sturzflug hinunter, noch über einen Bach, eine gemauerte Begrenzung und dann: sanfte Landung auf einer fußballfeldgroßen Landebahn.

      (Rollfeld Paro mit Dzong im Hintergrund)

      Gelandet

      Das Zollgebäude war ein wunderschönes Bauwerk im traditionellen Stil, mit schnitzverzierten Giebelbalken, aber nicht größer als ein Kuhstall. Die modernen Metalldetektoren passten irgendwie nicht dazu. Die Hektik ließen wir im Flugzeug, die Formalitäten dauerten ein bisschen, doch die Ruhe der freundlichen Beamten übertrug sich auf die Passagiere.

      Äußerlich wirkte auch ich ruhig. Projektleute würden mich abholen… aber wohl erst nach dem Zollgebäude.

      Ich fühlte mich völlig fertig, wollte endlich irgendwo ankommen, endlich schlafen. Wieder war mir flau im Magen und das Zollgebäude schien leicht zu schwanken. Also setzte ich mich abseits der Warteschlange auf meine Tasche und wartete, bis alle anderen abgefertigt waren. Erst dann machte ich mich auf durch die Kontrolle und trat aus der kleinen Halle ins Freie.

      Draußen schnaufte ich tief durch. Jetzt also Bhutan.

      Am Parkplatz vor der Halle standen nur mehr wenige Fahrzeuge. Zwei davon hatten eine Aufschrift an der Tür, aber ein Projektfahrzeug war nicht dabei.

      Noch während ich mich enttäuscht umsah, fragte plötzlich jemand: „Sir Roland???“

      Am liebsten hätte ich den Mann umarmt. Doch so glücklich wie ich über die Frage, war er, Sonam, über meine Antwort. Er hatte schon befürchtet wieder unverrichteter Dinge nach Thimphu zurück fahren zu müssen. Sonam schnappte sich meine Taschen und ging mit mir zu einem blauen, alten, etwas verbeulten VW – Bus.

      Von dieser ersten einstündigen Fahrt in die ungefähr fünfzig Kilometer entfernte Hauptstadt Thimphu ist mir nur mehr wenig in Erinnerung.

      Die schmale Straße wand sich dem engen Tal entlang, das sich nur hin und wieder ein wenig öffnete, wenn etwa ein Seitental dazu kam. Dort war dann Platz für Felder und Weiden. Meistens aber blieb das Tal ein tiefer Einschnitt, der neben dem Fluss kaum Platz für die Straße bot.

      Den ersten Schock verpasste mir der Fahrer als er bei Gegenverkehr links auswich, aber klar, Linksverkehr. Hätte mir schon beim Einsteigen auf der „falschen“ Seite auffallen können. Ich war wirklich im Halbschlaf.

Bild 32

      Sonam staunte bei meinen unbedarften Fragen. Ganz besonders habe ich ihn beeindruckt, als ich wissen wollte, was denn die Leute hier überall anbauen. „Sir?“, fragte er und konnte es gar nicht fassen.

      „Na da drüben, das flache Feld. Was ist das für Getreide?“

      „Reis“, sagte er, „das ist Reis…“, und schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf, als ich ihm erklärte noch nie in meinem Leben ein Reisfeld in natura gesehen zu haben.

      Auf halben Weg etwa passierten wir den Kontrollpunkt in Chudzomchu.

      „In Bhutan wird, da die Grenze zu Indien mehr oder weniger eine grüne ist, vermehrt im Landesinneren kontrolliert“, erklärte Sonam und verließ kurz das Fahrzeug, um die Formalitäten zu erledigen.

      Endlich erreichten wir Thimphu. Sonam brachte mich zu Gunther, einem Österreicher, Steirer – seines Zeichens Optiker.

      Er war der Mann der ersten Stunde. Vor Jahren schon begann er hier in Bhutan, als „Volunteer“ in einem Projekt der Katholischen Kirche Deutschlands. Ziel des Projektes: die vielen, durch den Rauch der offenen Feuerstellen in den Häusern, auftretenden Augenkrankheiten zu bekämpfen.

      Nachdem aber immer alles anders kommt, wie geplant, kam es, dass Gunther sich verliebte, verheiratete, und deswegen nach Projektende beschlossen hat, in Bhutan zu bleiben.

      Er arbeitete ab sofort für verschiedenste Projekte als Kontakt- und Koordinationsstelle. Mit diesen Arbeiten wollte er das Eigenkapital zur Finanzierung seines eigenen Optikergeschäfts in Thimphu aufbringen.

      Wann immer ein Amtsweg umgangen werden sollte, weil’s wer eilig hatte, Gunther war der richtige Mann dafür. Er kannte die richtigen Leute, und kannte vor allem die Umgangsformen, er war auch lange genug dort.

      So war Gunther auch für jenes Projekt der „Feuerwehrmann“, wo ich zivildienen sollte.

      Wir unterhielten uns nur kurz, dann bat ich Gunther höflich mich zu entschuldigen. Ich brauchte Schlaf.

      Sonam brachte mich in ein vom Projekt gemietetes Guesthouse. Dort legte ich mich – wie ich war – ins erstbeste Bett und schlief dreizehn Stunden durch.

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      Erste Eindrücke

      Wie gerädert wachte ich am nächsten Tag auf. Zuerst suchte ich mir das Badezimmer und schlüpfte unter die Dusche.

      Sonam hatte meine Tasche noch zur Tür herein geschoben, bevor ich ihn freundlich, aber vehement hinauskomplimentierte. Dort stand sie noch immer.

      Ich sah mir das Guesthouse genauer an. Momentan war ich der einzige Projektmitarbeiter in der Hauptstadt und somit im Haus allein.

      In der Küche fand ich Tee und gesalzene Kekse. Nach Dusche und Frühstück fühlte ich mich schon viel besser.

      Dann machte ich mich auf den Weg diese Stadt, dieses Land und die Leute zu erkunden…

      Thimphu ist die Hauptstadt des Königreiches, mit rund vierzigtausend Einwohnern nach unseren Maßstäben aber höchstens eine Kleinstadt.

      In Bhutan wird sich aufgrund der geographischen Gegebenheiten kaum eine viel größere Stadt entwickeln können. Ich bin kein Experte, aber mehr als zwei- oder dreimal so viele Menschen werden hier einfach nirgends Platz finden.

      Die Stadt erstreckt sich (wie auch anders) in einer ziemlichen Hanglage, die Häuser im höchstgelegenen Bezirk Motithang liegen sicher gute zweihundert Höhenmeter oberhalb vom Markt, dem tiefsten Punkt drunten am Fluss. Verkehrsadern dazwischen verlaufen entlang der Höhenlinien, Verbindungen hinauf und hinunter gibt es eindeutig zu wenige, abgesehen von Wegen für Fußgänger.

      Die Stadt ist also am besten per pedes zu durchqueren, auch wenn einen stinkend qualmende Lastwagen den Atem rauben.

      Manchmal fühlte ich mich an eine schmutzige, spanische Hafenstadt erinnert, vom Bewuchs der umliegenden Hügel und Berge her wiederum an Südtirol (auch wenn es andere Pflanzen waren), oder (wegen dem herb-würzigen Geruch) an Korsika. Dann wieder sah ich mich am Fuße der karnischen Alpen, nur eben auf 2.300 m.

      Die Bergrücken rund um Thimphu erreichen eine Höhe von ungefähr viertausend Meter und sind bis oben hin mit Nadelhölzern und riesigem „Almrausch“ (verschiedenen Rhododendron-Arten) bewachsen.

      Das Guesthouse thronte wie eine toskanische Villa am Ende einer Sackgasse inmitten der Stadthanglage. Nur die bunt verzierten, handgeschnitzten Balken wirkten fremd.

      Kaum ein Gebäude hatte mehr als vier Stöcke, und der Baustil war vorwiegend traditionell und einheitlich, so wie das Guesthouse.

      Allerdings fielen mir zwischen den wunderschönen alten und genau so schönen neuen Häusern auch einige betonierte