Ute Dombrowski

Angst in Nastätten


Скачать книгу

soll er das denn wissen?“, fragte Lene.

      „Na, er weiß doch, wer wir sind, sonst hätte er uns nicht geschrieben.“

      Nun mischte sich Jasmin wieder ein: „Herbert hat recht. Er kennt euch. Und wenn ihr ihm hinterher schnüffelt, sprengt er euch ganz sicher in die Luft.“

      Undine schüttelte den Kopf, Herbert nickte und rutschte ein Stück zu Jasmin. Er griff nach einem Brötchen und knabberte daran. Seine Gedanken kreisten um die Bombe, die womöglich in seinem Haus war.

      „Du musst dir ja keine Sorgen machen“, sagte er zu Undine, „mit deinem Fachwerkhaus.“

      „Der Sockel ist gemauert.“

      „Hast du mal geschaut, ob irgendwo etwas verändert ist?“

      „Nein, noch nicht. Aber das wäre mir sicher schon längst aufgefallen.“

      Lene stand auf und lief mit wachem Blick langsam an Undines Haus entlang. Sie verschwand für einen Moment durch das große Tor und kehrte kopfschüttelnd zurück.

      „Da ist nichts.“

      Herbert flüsterte: „Wissen wir denn, wann die Bombe versteckt wurde?“

      „Nein“, erwiderte Undine, „aber ich lebe hier schon ewig, das hätte ich bemerkt. In meinem Haus ist nichts eingemauert. Schluss damit! Es gibt so viele neue Häuser in Nastätten, da ist es viel leichter, etwas in einem Stein zu verstecken.“

      „Dann lass uns etwas essen und danach einen Spaziergang machen!“, forderte Lene die drei anderen auf.

      „Ohne mich!“, lehnte Jasmin ab und auch Herbert schlich wieder heim.

      4

      „Was ist das denn?“, brummte Günther Betzberger.

      Er hatte die Post aus dem Kasten genommen und den weißen Umschlag ohne Briefmarke direkt aufgerissen. Er kramte die Lesebrille aus der Hosentasche und las. Jupp Fröbel, der Nachbar, der ebenfalls an seinem Briefkasten stand, grinste.

      „Na, Herr Betzberger, ist es ein Haftbefehl?“

      „Nein, du Klugscheißer. Ein Haftbefehl ist meistens rosa. Und der Schwachsinn hier ist weiß.“

      „Warum Schwachsinn?“

      „Es geht dich zwar nichts an, aber es ist eine Bombendrohung.“

      Jupp begann zu lachen.

      „Wer droht Ihnen denn?“

      Günther zuckte mit den Schultern.

      „Keine Ahnung, der Brief hat keinen Absender und keine Unterschrift. Da war wohl jemandem langweilig. Hast du auch einen?“

      Der Nachbar blätterte seine Post durch und schüttelte den Kopf.

      „Das sind nur Rechnungen. Der Absender wird sich schon etwas dabei gedacht haben, ausgerechnet Ihnen eine Bombendrohung zu schicken. Sie haben es sich nun mal in kürzester Zeit mit vielen hier im Ort verscherzt.“

      „Ach was. Ihr seid einfach Mimosen.“

      „Was soll denn in die Luft gesprengt werden? Ihr Haus?“

      „Nein, Nastätten. Also juckt mich das nicht. Aber es ist sicher ein dämlicher Scherz von so einem Lackaffen von Nachbarn.“

      Günther sah sein Gegenüber arrogant an, hob die Nase noch ein wenig höher und stapfte auf seinen Hof. Dort warf er die Post auf die Schwelle der Hintertür und startete die Säge. Dass es gerade ein Uhr war, störte ihn überhaupt nicht.

      Jupp rollte mit den Augen und ging ins Haus. Wenig später hörte man, wie er alle Fenster schloss, obwohl es brütend heiß war. Die Sonne brachte alles zum Glühen und ein Gewitter würde heute Abend sicher die Luft reinigen. Es war seit Tagen richtiges Sommerwetter, was die meisten Menschen für Juni schon zu heiß fanden. Jetzt ratterten überall die Rollläden herunter.

      Günther hatte während seiner Arbeit keine Gedanken mehr an den Brief verschwendet, aber als er sich nach zwei Stunden in den Schatten setzte und einen Eistee trank, fiel ihm die Drohung wieder ein.

      „Diesem Witzbold werde ich es zeigen“, rief er, boxte in die Luft und nahm sein Handy.

      „Hallo, Polizei?“, fragte er. „Ich bin Günther Betzberger aus Holzhausen, Lindenstraße. Ich habe heute einen Brief mit einer Bombendrohung für Nastätten bekommen. Den Penner, der den geschrieben hat, möchte ich wegen Belästigung anzeigen.“

      Am anderen Ende war Reiner und hörte schnaufend zu.

      „Ich bin Kommissar Nickich, wir haben uns gestern gesehen. Wann haben Sie den Brief bekommen?“

      „Also der war heute im Postkasten, aber er hatte keine Briefmarke. Mein Spürsinn sagt mir, dass den jemand persönlich eingeworfen hat.“

      „Warum werfen Sie das Ding nicht einfach in die Papiertonne?“

      „Das mache ich noch, aber ich fühle mich belästigt. Sicher war das irgendein Nachbar, dem meine Nase nicht passt.“

      „Haben Sie eine spezielle Person in Verdacht?“

      „Keine Ahnung, ich bin mit keinem meiner Nachbarn befreundet. Die alten Spießer hassen mich. Aber vielleicht war es auch diese Anna, die mir immer noch nicht alle Schlüssel ausgehändigt hat. Die hat sowas Nerviges, Hartnäckiges. Und der ihr Mann ist auch net ohne. Sieht aus wie ein Waldschrat mit seinem Bart. Denen traue ich alles zu!“

      „Wollen Sie tatsächlich, dass ich gegen die beiden eine Anzeige aufnehme?“

      „Ja, nein, keine Ahnung. Ach was, lassen wir das. Die Bombe kracht eh in Nastätten und das kann mir auch egal sein, oder?“

      „Wie Sie meinen, Herr Betzberger. Wenn Sie möchten, können Sie uns den Brief auch vorbeibringen, dann machen wir ein Protokoll.“

      Jetzt lachte Günther laut los.

      „Sie spinnen wohl? Ich fahre doch wegen dem Wisch net extra nach Sankt Goarshausen. Wenn Sie den haben wollen, kommen Sie vorbei!“

      „Danke für die Information, Herr Betzberger.“

      „Wollen Sie gar nicht wissen, was drin steht?“

      „Wollen Sie mir alles vorlesen?“

      Günther schnaufte und las den Brief langsam vor. Reiner sagte nichts weiter, aber es war schon merkwürdig, dass ausgerechnet dieser Günther Betzberger genau denselben Brief bekommen hatte wie er selbst. Und dazu kam der von Undines Freundinnen. Was war hier los? Hatten etwa noch mehr Leute diesen Unsinn geschickt bekommen?

      Nachdem sie aufgelegt hatten, nahm Günther den Brief noch einmal und las.

      „Wie der schon schreibt … ist bestimmt ein Studierter … so eine gestelzte Sprache. Klingt schon ein bisschen nach Lehrer. Oder Lehrerin.“

      Er kniff die Augen zusammen. Wenn Anna Keusert oder ihr Mann hier nochmal auftauchen würden, dann würde er ihnen auf den Zahn fühlen. Jetzt war er sich vollkommen sicher, dass der Brief von den letzten Bewohnern seines Hauses kam. Wütend warf er alles in eine Ecke und streckte seine Beine aus.

      „Die sehen keine andere Möglichkeit mehr, als mich mit solch einem Kram unter Druck zu setzen. Und sicher stecken die Nachbarn mit unter deren Decke. Ich mache denen die Hölle heiß!“

      Um seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, griff er erneut zur Säge. Jupp hatte sich nach der Mittagsruhe auf den Weg gemacht, den anderen Anwohnern in der Umgebung von der Neuigkeit zu berichten.

      „Kein Wunder“, sagte eine ältere Dame drei Häuser weiter. „So ein Ekel hätte einen Denkzettel verdient.“

      Vor dem alten Dorf-Bäcker hatten sich mehrere Leute versammelt und sprachen über das Wetter.

      „Gude, Jupp. Was schleichst