Ute Dombrowski

Angst in Nastätten


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lagen auf dem Sack.

      „Grillen, Wein trinken und ein bisschen plaudern, mehr nicht.“

      Undine stellte die Vase auf den Tisch und dachte: Wenn er wüsste, was wir wissen, würde er ganz sicher über die Arbeit reden wollen, aber versuchen wir mal das Thema zu umschiffen. Ihre zweite Runde durch den Ort hatte am Vormittag einige Neuigkeiten ans Tageslicht gebracht, für die sich der Kommissar sehr interessieren würde.

      7

      Undine und Lene waren nicht von Tür zu Tür gegangen, um die Leute nach einem Brief zu fragen, sondern hatten die wichtigen Punkte angesteuert, wo die Neuigkeiten des Tages ausgetauscht wurden. Auf dem Rückweg sahen sie eine Menschentraube aus etwa zwanzig Personen, die sich vor dem Fotogeschäft versammelt hatte. In deren Mitte stand eine Frau und gestikulierte wild. Als Undine und Lene dort eintrafen, öffnete sich die Tür und Richard Eibmann, der Besitzer des Geschäftes, streckte seinen Kopf hinaus.

      „Was ist denn hier los?“, fragte er.

      „Du kommst gerade recht“, rief die Frau und ging die Treppe hinauf. „Hast du schon deine Post durchgesehen? Es gehen Drohbriefe um in unserem friedlichen Nastätten!“

      Undine kannte die Frau vom Sehen und jetzt bahnte sie sich den Weg bis zur Mitte.

      Sie fragte: „Was denn für Drohbriefe?“

      Nun sprudelte es aus der Frau heraus, die jetzt wie eine Rednerin neben Richard auf der Treppe stand.

      „Ich war heute beim Bäcker Krinkmann. Der war ganz außer sich, denn er hat einen Brief bekommen, in dem jemand droht, Nastätten zu vernichten. Ich frage mich, was der Bäcker getan hat.“

      „Warum der Bäcker?“, fragte Richard.

      „Naja, man bekommt doch nicht ohne Grund einen Drohbrief. Der Krinkmann hat sicher eine Leiche im Keller. Ich gehe da nicht mehr hin. Und stellt euch vor, er hat sich noch darüber lustig gemacht. Seine Frau stand hinten im Laden und ich habe deutlich gesehen, dass sie geweint hat. Was mag er wohl angestellt haben? Sicher irgendwas mit den Zutaten für sein Gebäck.“

      „Mein Liebe“, sagte Undine streng, „wenn man so etwas behauptet, sollte man schon Beweise dafür haben. Sie können doch nicht einfach unseren Bäcker in Misskredit bringen. Ich kenne die Krinkmanns schon lange und sie sind gute Menschen, die nichts Unlauteres tun.“

      „Und wer sind Sie? Stecken Sie vielleicht mit denen unter einer Decke?“

      „Ich bin Undine Nithritz und wohne am Bucher Pfädchen.“

      „Ach! Lag nicht erst eine Leiche in Ihrem Garten?“

      Die Frau schaute sich siegessicher um, aber die anderen Leute sahen auf den Boden und drei gingen weiter. Richard wippte unsicher auf seinen Füßen. Undine blieb ruhig.

      „Die Leiche lag AN meinem Garten und nicht in. Außerdem hat die Polizei den Mord aufgeklärt und ich war es nicht.“

      „Na, wer weiß, vielleicht haben die den Falschen. Also wenn ich so einen Brief bekommen würde, dann würde ich den verschwinden lassen.“

      Sie hatte bemerkt, dass den Menschen vor dem Fotogeschäft das Ganze langsam unangenehm war. Den Moment nutzte Lene und rief, dass man nun nach Hause gehen könne und sich beruhigen solle.

      „Genau!“, stimmte Richard ihr zu. „Und außerdem … was sollen denn die Leute denken, wenn Sie hier vor meinem Laden stehen und so einen Aufruhr veranstalten.“

      Langsam löste sich die Menschengruppe auf und Richard ging zurück in den Laden. Undine und Lene eilten zum Bäcker. Sie wussten, dass sie jetzt unbedingt mit Fred Krinkmann und seiner Frau reden mussten. Die Bäckerei war schon geschlossen, aber die beiden Frauen gingen über den Hof nach hinten in die Backstube.

      „Gude, Fred“, rief Undine.

      Der Bäckermeister fuhr herum und begrüßte die Frauen freundlich.

      „Mädels, was führt euch denn zu mir? Brot vergessen?“

      „Wir waren eben in der Stadt unterwegs und vor Richards Laden waren Leute, die über dich geredet haben“, fiel Lene mit der Tür ins Haus.

      „Oh, was denn? Haben sie über das neue Walnussbrot gesprochen?“

      „Nein, über den Brief, den du bekommen hast.“

      Einen Moment lang herrschte Stille, nur die Geschirrspülmaschine surrte im Hintergrund. Die Wär­me in der Backstube war kaum auszuhalten, zumal es draußen auch nicht kälter war. Die Augen von Fred hatten vor Aufregung geflackert, was Undine nicht entgangen war.

      „Das war ein Dummkopf, der sich einen Spaß erlaubt hat.“

      „Warum denkst du, hast du so einen Brief bekommen?“

      „Ich habe keine Ahnung. Was … was haben denn die Leute gesagt?“

      Lene berichtete von dem Gerede vor dem Fotogeschäft. Fred Krinkmann schaute sich gehetzt um. Er hoffte, dass seine Frau nichts davon mitbekommen hatte.

      „So eine Gemeinheit, ich bin ein unbescholtener Bürger von Nastätten. Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen. Niemals! Und jetzt zerreißen sich die Leute das Maul über mich.“

      Er war verzweifelt auf einem Hocker zusammengesunken und wischte sich mit einem Geschirrtuch die Stirn ab.

      Undine und Lene sahen sich ratlos an, dann nickte die Autorin ihrer Freundin zu.

      „Es gibt noch weitere Briefe“, sagte sie. „Wann genau kam er denn?“

      „Ich weiß nicht, meine Frau nimmt die Post raus und legt sie mir auf den Schreibtisch. Gestern Abend habe ich dann alles durchgeschaut. Kornelia war sehr erschrocken, aber ich konnte sie wieder beruhigen. Wisst ihr, was sie dachte?“

      Die beiden Frauen schüttelten den Kopf.

      „Sie dachte, der stammte von einem Mann, mit dessen Frau ich eine Affäre habe. So etwas traut sie mir zu. Dann haben wir uns ordentlich gestritten, bis sie nur noch geheult hat. Ich habe meine Frau nicht betrogen und war sehr enttäuscht, dass sie das von mir dachte.“

      „Das Klatschweib am Laden hat allen erzählt, dass Kornelia verheult aussah. Es gibt insgesamt sechs Briefe. Außer dir haben der Kommissar, Jasmin, Günther Betzberger, Herbert und ich einen bekommen.“

      Fred Krinkmann sah Lene ungläubig an.

      „Du? Und Jasmin? Warum das denn?“

      „Das wissen wir ebenso wenig wie du. Ich denke, es wäre gut, wenn wir uns mal alle an einen Tisch setzen.“

      „Das glaube ich auch, denn wir dürfen uns von dem Blödsinn nicht unser Leben verderben lassen. Undine, du hast keinen Brief bekommen, warum das?“

      Undine zuckte mit den Schultern.

      Sie fragte: „Du glaubst also auch, dass es ein Scherz ist?“

      „Natürlich, du etwa nicht?“

      „Ich bin mir nicht sicher. Was denkt deine Frau jetzt?“

      „Sie glaubt, dass wir alle verloren sind. Und wie ist es mit Jasmin?“

      „Sie ist vollkommen niedergeschlagen. Günther und Reiner glauben wie du an einen Streich. Die Leute in der Stadt wissen nicht, was sie denken sollen. Die meisten halten sich raus. Aber ich denke, viele haben Angst.“

      „Vielleicht ist es besser, wenn sie sich raushalten. Ich kann mir den armen Herbert vorstellen. Der ist sicher durch den Wind.“

      Jetzt musste Undine lachen, denn Fred hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Herbert hatte sich zuhause an die Arbeit gemacht und horchte mit einem alten Stethoskop die Wände ab. Das hatte er ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, als er gestern heimgegangen war.

      „Komm, Lene, wir gehen nach Hause.