Monika Starzengruber

Was dieses Weib so alles treibt


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aufgesetzter aber liebenswürdiger Miene wandte Luisa sich der Nachbarin zu.

      „Oh, guten Tag, Frau Stumm.“

      Frau Stumm deutete auf die Schachteln auf den Boden.

      „Was treiben Sie denn da? Man könnte meinen, Sie erhalten Zuwachs bei den vielen Kartons. Was in Gottes Namen ist da drin?“

      Neugierig reckte sie ihren Hals vor, und da sie nichts als Lebensmittel entdecken konnte, und das ihre Neugier nicht befriedigte, kam nochmals: „Was denn, in Gottes Namen?“

      „Lebensmittel“, lautete die erschöpfende Antwort.

      „So viel?“ Frau Stumm betrachtete die Schachteln und war ehrlich entsetzt.

      „Das verdirbt doch alles, das gute Zeug.“

      Bei ihr sei noch nie etwas weggeworfen worden, entgegnete Luisa, wobei sie allerdings ein wenig flunkerte. Denn die Jausenbrote, die von den Kindern in der Schule verschmäht wurden, segneten stets das Zeitliche im Biomüll. Frau Stumm ahnte wohl, viel mehr würde sie von Luisa nicht erfahren und zuckte die Schultern.

      „Mich geht es natürlich nichts an.“

      Endlich ein Wort, dem sich Luisa voll und ganz anschloss.

      „Übrigens, Frau Karl ...“

      Wenn Frau Stumm mit "übrigens" anfing, wusste Luisa, was folgte. Eilig machte sie sich an den Kartons zu schaffen, damit sie wegkam.

      „... haben Sie schon gehört, die "Neuen", die erst vorige Woche zugezogen sind...“

      Das fehlte Luisa noch und das war etwas, was sie im Moment am allerwenigsten gebrauchen konnte – Altweiberklatsch pur, der ihre knapp bemessene Zeit in Anspruch nahm.

      „... und da haben sie doch tatsächlich gesagt ...“

      Die Verkäuferin hätte die Schachteln nicht so vollstopfen sollen, dachte Luisa, als sie sich anschickte, zwei hochzuheben.

      „... was sagen Sie dazu, Frau Karl, ist das nicht eine bodenlose Frechheit?“

      „Wie? Oh, ja, natürlich.“ Wovon sprach sie überhaupt?

      „Solche Leute sollte man gar nicht hierher ziehen lassen. Die üben bloß einen schlechten Einfluss auf unsere Kinder aus, finden Sie nicht?“

      Seit wann hat Frau Stumm denn Kinder?, wunderte sich Luisa.

      „... und gestern, Frau Karl ...“

      Luisa griff sich an die Stirn. Ihre Nervosität stieg. Und wieder einmal überkam sie der Wunsch nach acht paar Armen. Und nach Siebenmeilenstiefel, die sie von Frau Stumm, die ihrem Namen so gar keine Ehre machte, fortbrachten.

      „... na, das sollen die erst mal versuchen, aber solche Menschen schrecken vor nichts zurück ...“

      Besser, ich trage einen Karton, überlegte Luisa und nahm einen kleineren hoch. Dabei hoffte sie, dass er wenigstens so lange standhielt, bis sie im Haus war, die Lebensmittel drückten ganz schön durch. Den weiteren Wortschwall von Frau Stumm würgte sie ab, indem sie sich zum Gehen wandte und sagte: „Die Kartons tragen sich leider nicht allein ins Haus, obwohl es sehr praktisch wäre, finden Sie nicht?“

      „... und ich habe gesagt - wie meinen Sie?“

      Frau Stumm begriff zwar nicht, trotzdem winkte sie Luisa nach, während es in ihr sichtlich arbeitete und sie wohl dachte: Was will sie haben? Einen Karton, der sich ins Haus trägt?

      Ihre liebliche Meinung über die Nachbarin verstärkte sich umgehend, was ihre Miene zur Schau trug: Die hat einen gewaltigen Vogel.

      Ruhe und Entspannung, davon konnte Luisa nur träumen. Wenn ihr alles vergönnt war, das nicht. Gleich im Vorzimmer fiel sie über eine Leiter, die am Boden lag, was zur Folge hatte, dass sie stolperte und auf dem Allerwertesten landete. Der Karton in ihrer Hand machte sich, daneben sie irgendwo vergebens Halt suchte, selbständig, und flog durchs Zimmer, wobei sämtlicher Inhalt herausfiel und geräuschvoll zu Boden krachte. Zum Glück waren keine Flaschen dabei. Aber Eier.

      Luisa wusste nicht wieso, plötzlich kam ihr das Sprichwort "Trautes Heim, Glück allein" in den Sinn. Angebrachter wäre gewesen "Ein Unglück kommt selten allein". Denn im nächsten Moment ertönte ein freudiges "Wau, Wau" hinter ihr. Gleich darauf spürte sie zwei behaarte, braune Pfoten an ihrem Körper, voll bekleckert von den zerbrochenen Eiern, die überall am Boden herumlagen. Stasi, ein übergroßer, weißbrauner Bernhardiner störte sich nicht daran, die Kleider seines Frauchens damit überall zu beschmieren. Kräftig brachte er seine Wiedersehensfreude zum Ausdruck, indem er einen Freudentanz um Luisa aufführte, schließlich die Pfoten auf ihre Schultern legte und hingebungsvoll ihr Gesicht leckte. Energisch versuchte Luisa den Hund abzuwehren. „Stasi, wirst du wohl aufhören.“ Sie schubste ihn weg. „Stasi ... verschwinde, pfui - geh Platz!“ Vergebens.

      Die Küchentür wurde aufgestoßen. Florian erschien auf der Bildfläche und rief aufgebracht: „Ich habe es ihr gesagt, aber sie hört nicht, sie guckt immer so komisch“, Florian leiser, „Marie ist plemplem.“ Er tupfte sich mit dem Zeigefinger auf die Schläfe.

      Endlich ließ Stasi von Luisa ab. Er zog es vor, bei Florian weiterzumachen. Luisa, die zunächst ihre Sinne ordnen musste, wollte etwas erwidern, vergaß es wieder, da im nächsten Augenblick Marie aus der Küche stürzte, um gleich danach ihr rasantes Tempo abzubremsen, wie ein Ferrari auf dem Nürburgring im Boxenstopp. Die aufgestellten Möbelstücke des oberen Stockwerkes waren wohl nicht schuldlos daran. Wer wollte schon auf hartem Holz landen. Noch dazu mit so viel Schwung, zwei Gläsern und einen Besen in der Hand? „Sie sind schon hier?“, fragte sie erstaunt, als sie Luisa erblickte. Diese tadelte Florian: „Ich dachte, du hast es ihr gesagt?“

      Er rang die Hände. „Aber davon rede ich die ganze Zeit. Marie ist taub, ehrlich!“

      Luisa versuchte aufzustehen. Sie rutsche auf dem mit Ei verschierten Boden aus und landete nochmals auf dem Allerwertesten. Dadurch erblickte Marie den versauten Boden, sah auf Luisas Kleidung, die ebenso aussah und fragte: „Was machen Sie denn da?“

      Für Florian eine überflüssige Frage. „Mama sitzt auf dem Boden, siehst du das nicht?“

      „Hä?“ Marie machte ein Gesicht, als hätte sie nicht verstanden. Dann legte sich über ihre Miene so etwas wie eine Erleuchtung und sie zog zwei Ohrenpfropfen aus ihren Ohren, die sie der verdutzten Luisa hinhielt.

      „Was sagtest du, Florian?“

      „Dass Mama auf dem Boden sitzt!“

      „Du brauchst nicht so zu schreien, ich bin nicht schwerhörig.“

      „Nein, nicht mehr“, ergänzte Luisa. Hinter ihrer Stirn braute sich eine Wolkenbrut zusammen, die drohte, sich jeden Augenblick zu entladen. Bevor sie zum Einkaufen fuhr, trug sie Marie auf, die Leiter wegzuschaffen und was war geschehen? Ja, sie hatte sie beiseitegeschafft, weiß Gott. Bestimmt einen Meter weiter nach rechts oder nach links!

      Marie entging Luisas finsterer Gesichtsausdruck nicht. Im Glauben, die Ohrenpfropfen seien schuld daran, erklärte sie rasch: „Die Tapezierer machten solchen Lärm.“

      Luisa war es zwar unbegreiflich, wie man mit Tapeten und Kleister Lärm verursachen konnte, aber da sie im Moment nicht in der Verfassung war, sich diesen „mystischem Problem“ weiter zu widmen, musste sie wohl oder übel noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Diesmal noch. Viel dringender erschien ihr im Moment die Lösung ihrer eigenen Problematik und die versuchte sie zu finden, indem sie abermals ansetzte aufzustehen. „Flori, hilfst du mir?“ Aber Florian war nicht mehr da und Marie vertrollte sich eingeschnappt in die Küche, ganz ihr Denken präsentierend: Meine Hilfe ist nicht gefragt ... Wie heißt es so schön? Irren ist menschlich. Seufzend ergab sich Luisa ihrem geplagten Hausfrauen-Schicksal und mühte sich allein hoch. Sie spreizte die Finger. Wenn nur nicht alles so klebrig wär …

      „Ich bin ja auf einiges gefasst gewesen, aber auf so einen ehrfurchtsvollen Empfang nicht.“

      Luisa, noch immer in gebückter