Jonas Scotland

Fleischpflanzerl


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Empfanges: »Was ist denn hier los? Ich komm’ an — ein wildfremder Bengel macht die Tür auf und will mich nicht reinlassen! Dann hetzt du eine beißwütige Bestie auf mich, in meinem eigenen Haus! Verdammt! Was hat das zu bedeuten?«

      »Na, nu’ aber halblang! Erstens mal: Hermann ist kein wildfremder Bengel, sondern dein Sohn. Und Hans ist keine beißwütige Bestie, sondern seit langem unser treuer Hund. Und dass du doch noch mal nach Hause kommst, damit konnte ich ja wirklich nicht rechnen. Du bist aber grau geworden. Da ist es doch kein Wunder, dass dich der Junge nach den alten Fotos nicht erkennen konnte. Na ja, jetzt bist du da. — Hermann, nu’ hol schon den Verbandskasten!«

      Der Knabe, welcher noch vor Staunen den Mund offen stehen hat, gehorcht, ohne ein Wort herauszubringen. Auch Anton kann die Neuigkeiten gar nicht fassen: »Was redest du da? "Mein Sohn" sagst du?«

      »Na klar. Was denn sonst? Still jetzt! Da kommt er.«

      »Gut, aber darüber sollten wir uns mal gleich ausführlich unterhalten.«

      »Hier, Mutter«, stellt der Junge brav den Verbandskasten hin.

      Der Freigekommene schaut mit bittenden Augen erwartungsvoll seine Gemahlin an.

      Doch die reagiert darauf ganz anders, als er sich das vorgestellt hatte: »Na los! Du brauchst gar nicht so blöd zu gucken! Du kommst hier als Pascha zurück und denkst wohl, ich hätte nichts Besseres zu tun, als dich zu bedienen! Ich habe mich die ganze Zeit alleine durchschlagen müssen! Das bisschen Blut kannst du ruhig alleine abtupfen! Wenn du meinst, ich bedien’ dich wie früher, dann hast du dich geschnitten!«, schlägt es ihm kühl entgegen.

      »Ist ja schon gut, Hilde. Ich verbinde mich schon selbst. Aber dann will ich dich unter vier Augen sprechen. — Sag mal, mein Junge, wie alt bist du denn?«, wendet Anton sich nun an das zuhörende Kind.

      »Zwölf.«

      »So, zwölf schon? Aha.«

      »Wieso? Du, als mein Vater, musst das doch wissen, oder?«

      »Hm, ja. Eigentlich hast du Recht. — Donnerwetter! Der Bursche ist aber nicht auf den Mund gefallen.«

      »Ja, ich kann dir sagen: Manchmal ist es wirklich nicht einfach, mit dem Bengel zurechtzukommen. — Hermann, du gehst jetzt auf dein Zimmer! Dein Vater und ich müssen uns jetzt erst mal alleine unterhalten.«

      »Ja, Mutter.«

      Herr und Frau Brunisch begeben sich nun ins Wohnzimmer, wo er mit der Familiengeschichte hadert: »Also Hilde, so ein Unglück! Das uns das passieren musste!«

      »Meinst du den Krieg, oder was?«

      »Ja, das auch, aber ich meine natürlich den Jungen! Denkst du vielleicht, ich bin blöd? Ich weiß doch genau, dass er nicht von mir sein kann. Damals, als sich das Drama abgespielt hat, sind wir doch nicht zusammen ins Bett gegangen. Hans ist der Vater. Oder hast du etwa noch andere Kerle gehabt?«, zieht der ausgediente Soldat argwöhnisch in Betracht.

      »Was fällt dir ein! Natürlich nicht! Du weißt ganz genau, dass es nicht meine Schuld war! Es ist passiert! Und? Was sollte ich denn machen?«

      »Konntest du’s nicht wegmachen lassen?«

      »Nein. Wo denn, hier im Dorf?«

      »Oh, verdammt! Verdammt, so ein Unglück!«, ärgert Anton sich und hält die Hände vor sein Gesicht. »Oh, Hans, mein alter Freund, wie konntest du mir das antun?«

      »Rede doch nicht mit den Toten!«, beschwert die Ehefrau sich.

      Daraufhin kontert er: »Musstest du ihn auch noch Hermann nennen? Warum nicht gleich Adolf?«, womit er andeuten will, dass der Namenspatron nach ihrer politischen Einstellung gewählt wurde.

      »Du weißt genau, dass es damals noch eine Ehre war, so zu heißen! Außerdem weiß ich gar nicht, was du willst. Es ist doch ein schöner Name, passend für einen deutschen Jungen.«

      »Ja, ich weiß: Du warst ja von Anfang an dafür gewesen, für die Braunhemden!«

      »Hör auf mit diesen alten Geschichten! Du bist ja ...! Ein ganz altehrwürdiger Name ist das. Man hat mir erzählt, es gab einen Hermann schon vor Christi. Da war eine Schlacht im Teuteberger Wald. Und da gibt’s heute noch ein Hermannsdenkmal. Weißt du das nicht?!«

      »Und warum hast du dir diesen Mistköter angeschafft? Scheinst ja viel Geld zu haben, wenn du dir auch noch so ein Viech kaufen und ernähren kannst!«

      Als wenn der Hund ahnen würde, was man über ihn spricht, beginnt er laut zu knurren.

      »Ich habe ihn zu meinem Schutz gebraucht. Du weißt ja nicht, wie es damals hier zuging in dem Durcheinander kurz nach dem Krieg. Überall Herumtreiber! Keine Ordnung mehr. — Ruhig, Hans!«, gibt sie Befehl.

      »Jetzt sag mir aber mal eins: Wieso hast du das Viech "Hans" genannt? Willst du mich denn in den Wahnsinn treiben, Weib? Dann musst du den echten Vater deines Kindes ja wohl doch geliebt haben!«

      »Red doch nicht solch einen Unsinn! Hans hieß schon so, als ich ihn bekommen habe. Kannst du mir vielleicht sagen, wie man einem Hund, der jahrelang auf den Namen "Hans" gehört hat, plötzlich beibringen soll, auf einen anderen Namen zu hören?! Außerdem, die Mühe wollte ich mir nicht machen. Was ist schon ein Name? Ich habe keine Angst vor einem Namen! Und du doch sicher auch nicht, oder?«

      Anton schüttelt den Kopf und schweigt einen Moment. Dann bittet er: »Hast du was zu trinken im Haus? Ich könnte was vertragen.«

      »Was willst du denn?«

      »Was Scharfes.«

      Während man trinkt, geht das Gespräch besinnlicher weiter. Weil ihm vorhin beim Reinkommen der neue Wandschmuck auffiel, vermutet er: »Du bist ja wohl sehr fromm geworden, hast dir sogar ein eigenes Weihwasserbecken hingehängt.«

      Ganz froh, dass ihr Mann sich, nach der schwierigen Situation, offenbar wieder beruhigt hat, schmunzelt sie und meint: »Ach das? Ja, das sieht doch ganz hübsch aus, nicht wahr? Schön vornehm, wie bei besseren Leuten. Und ich muss ja auch darauf achten, dass das Kind mit Gott erzogen wird.«

      »So, so. Lässt du etwa das Wasser extra in der Kirche vom Pfarrer weihen?«

      »Wie? Welches Wasser? Da ist doch gar keines drin. Das ist doch nur so. Das ist Kunst.«

      »Vorhin war da Wasser drin«, sagt Anton.

      Ungläubig sieht die Hausherrin nach. Als sie es persönlich festgestellt hat, wird sie wütend: »Das muss Hermann gewesen sein. Na warte, dem Lümmel werd’ ich die Flausen austreiben!«

      Während Anton im Wohnzimmer sitzen bleibt und weiter den Trunk genießt, läuft seine Gattin die Treppe rauf, um ihren Sohn zur Rede zu stellen: »Hast du unten im Flur das Wasser in das Schälchen unter die Maria gegossen?«

      Ohne die Aufregung zu verstehen, erwidert Hermann: »Ja, warum? Ich wollte doch nur sehen, wie lange es dauert bis es verdunstet ist.«

      Daraufhin gibt sie ihm eine Ohrfeige und befiehlt: »Mach das nicht noch mal! Das ist Gotteslästerung! Du willst doch in den Himmel kommen. Außerdem blamierst du mich vor deinem Vater! Was soll der denn von mir denken, wenn ich dich nicht erziehen kann?!«

      »Aber das habe ich doch nicht so gemeint«, versucht er die Strenge zu mildern.

      »Widersprich mir nicht andauernd! Hast du verstanden?!«

      »Ja, Mutter.«

      Anschließend geht sie zurück ins Wohnzimmer und berichtet, was vorgefallen war.

      Der Ex-Wehrmachtsangehörige versucht zu akzeptieren, was er nicht ändern kann: »Da kommt man nach dreizehn Jahren nach Hause und hat von heute auf morgen einen zwölfjährigen Sohn.«

      »Ja, so kann es kommen, Anton.«

      »Na Hilde, nu’ erzähl mal. Was gibt’s sonst noch Neues?«

      Sie überlegt und antwortet: »Ja, der Neffe von Hans wohnt jetzt nebenan. Er hat das