Fjodor Dostojewski

Die Brüder Karamasow


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Art Kreischen aus und stürzte sich auf Grigori.

      »Sie ist hier! Sie haben sie versteckt! Aus dem Weg, Schurke!«

      Er wollte Grigori fortreißen, aber der stieß ihn zurück. Außer sich vor Wut, holte Dmitri aus und versetzte seinem Gegner mit voller Kraft einen Schlag. Der alte Mann stürzte jäh zu Boden, und Dmitri sprang über ihn hinweg und stieß die Tür auf. Smerdjakow blieb im Saal, am anderen Ende; blaß und zitternd näherte er sich Fjodor Pawlowitsch.

      »Sie ist hier!« schrie Dmitri Fjodorowitsch. »Ich habe sie soeben selbst zum Haus einbiegen sehen, konnte sie nur nicht einholen. Wo ist sie? Wo ist sie?«

      Diese Rufe machten auf Fjodor Pawlowitsch einen unbegreiflichen Eindruck. All seine Angst war im Nu verschwunden.

      »Haltet ihn, haltet ihn!« brüllte er und stürzte hinter Dmitri Fjodorowitsch her.

      Unterdessen hatte sich Grigori erhoben, war jedoch geistig noch wie abwesend. Iwan Fjodorowitsch und Aljoscha liefen dem Vater nach. Man hörte, wie im dritten Zimmer etwas zu Boden fiel und zerklirrte. Dmitri Fjodorowitsch hatte beim Vorbeilaufen eine große gläserne Vase von einem Marmorsockel gestoßen.

      »Packt ihn!« brüllte der Alte. »Zu Hilfe!«

      Doch Iwan Fjodorowitsch und Aljoscha holten den Alten ein und brachten ihn mit Gewalt in den Saal zurück.

      »Warum rennen Sie ihm nach? Er wird Sie totschlagen!« rief Iwan Fjodorowitsch zornig dem Vater zu.

      »Wanetschka, Ljoschetschka, sie ist also hier! Gruschenka ist hier! Er sagt, er hat selbst gesehen, wie sie herlief ...«

      Er konnte nicht weiterreden vor Erregung. Er hatte Gruschenka diesmal nicht erwartet, und die plötzliche Nachricht, sie sei da, brachte ihn fast um den Verstand. Er zitterte am ganzen Körper und war wie von Sinnen.

      »Aber Sie haben doch selbst gesehen, daß sie nicht gekommen ist!« rief Iwan.

      »Vielleicht ist sie durch den anderen Eingang gekommen?«

      »Der ist verschlossen, und den Schlüssel haben Sie selbst ...«

      Auf einmal erschien Dmitri erneut im Saal. Er hatte den anderen Eingang in der Tat verschlossen gefunden, und der Schlüssel steckte wirklich in Fjodor Pawlowitschs Tasche. Die Fenster aller Zimmer waren ebenfalls geschlossen; Gruschenka konnte also nirgends hindurchgegangen sein.

      »Haltet ihn!« kreischte Fjodor Pawlowitsch, als er Dmitri wieder erblickte. »Er hat mir im Schlafzimmer Geld gestohlen!« Und er riß sich von Iwan los und stürzte abermals auf Dmitri los. Der aber hob beide Hände, packte den Alten an den beiden letzten Haarbüscheln, die ihm an den Schläfen verblieben waren, riß ihn hoch und schmetterte ihn dann mit einem Faustschlag zu Boden. Er fand noch Zeit, ihm zwei- oder dreimal mit dem Absatz ins Gesicht zu treten. Der Alte stöhnte laut. Iwan Fjodorowitsch umfaßte seinen Bruder Dmitri, obwohl er nicht so stark war wie dieser, und riß ihn mit aller Kraft von dem Alten weg. Auch Aljoscha, half ihm, so gut er konnte, indem er den Bruder von vorn umklammerte.

      »Du Wahnsinniger, hast ihn totgeschlagen!« rief Iwan.

      »Geschieht ihm ganz recht!« schrie Dmitri keuchend. »Sollte er nicht vollkommen tot sein, komme ich wieder und hole es nach. Ihr werdet ihn nicht davor bewahren!«

      »Dmitri. Geh augenblicklich von hier fort!« rief Aljoscha gebieterisch.

      »Alexej. Du bist der einzige, dem ich glaube. Sag mir, war sie hier oder nicht? Ich habe sie aus der Seitengasse am Zaun entlang herschlüpfen sehen. Ich rief sie an, aber sie rannte davon ...«

      »Ich schwöre dir, sie war nicht hier. Es hat sie auch niemand hier erwartet!«

      »Aber ich habe sie gesehen ... Also muß sie ... Ich werde gleich erfahren, wo sie ist ... Leb wohl, Alexej! Sag dem alten Satyr kein Wort von dem Geld, geh sofort zu Katerina Iwanowna und bestell ihr, ich lasse sie grüßen! Und ihr Lebewohl sagen! Schildere ihr diese Szene!«

      Unterdessen hatten Iwan und Grigori den Alten auf einen Lehnstuhl gesetzt. Sein Gesicht war blutig, aber er war bei Bewußtsein und hörte Dmitri begierig zu. Er glaubte immer noch, Gruschenka sei wirklich irgendwo im Haus. Dmitri Fjodorowitsch warf ihm beim Hinausgehen einen haßerfüllten Blick zu.

      »Ich fühle keine Reue wegen deines Blutes!« rief er. »Nimm dich in acht, Alter! Nimm dich in acht mit deiner Hoffnung, ich hege auch welche! Ich verfluche dich und sage mich für immer von dir los ...« Er lief aus dem Zimmer.

      »Sie ist hier, bestimmt ist sie hier! Smerdjakow, Smerdjakow!« rief der Alte kaum vernehmbar mit heiserer Stimme und winkte dabei mit dem Finger.

      »Nein, sie ist nicht hier, Sie verrückter alter Mann!« schrie Iwan ärgerlich. »So, nun wird er ohnmächtig! Wasser, Handtuch! Schnell, Smerdjakow!«

      Smerdjakow holte das Verlangte. Dann entkleideten sie den Alten, trugen ihn in das Schlafzimmer und legten ihn auf das Bett. Um den Kopf wurde ihm ein nasses Handtuch gewickelt. Entkräftet von dem Kognak, der großen Aufregung und den Mißhandlungen, schloß er die Augen, sowie er das Kissen berührte, und verlor das Bewußtsein. Iwan Fjodorowitsch und Aljoscha kehrten in den Saal zurück. Smerdjakow trug die Scherben der Vase hinaus, Grigori stand am Tisch und sah finster zu Boden.

      »Du solltest dir auch einen feuchten Umschlag machen und dich ins Bett legen«, wandte sich Aljoscha an Grigori. »Wir werden schon auf ihn achtgeben. Der Bruder hat dir ja einen furchtbaren Schlag versetzt, genau auf den Kopf!«

      »Er ... hat sich ... an mir vergriffen!« sagte Grigori finster und stockend.

      »Er hat sich auch am Vater vergriffen, nicht nur an dir!« bemerkte Iwan Fjodorowitsch und verzog den Mund.

      »Ich habe ihn im Waschtrog gebadet, und er vergreift sich an mir!« wiederholte Grigori.

      »Zum Teufel, hätte ich ihn nicht weggerissen, er hätte den Alten am Ende erschlagen! Viel gehört nicht dazu bei dem alten Satyr«, flüsterte Iwan Fjodorowitsch seinem Bruder zu.

      »Davor behüte uns Gott!« rief Aljoscha.

      »Warum soll er uns davor behüten?« fuhr Iwan, noch immer flüsternd, mit boshaft verzogenem Antlitz fort. »Ein Reptil frißt das andere auf, und beiden geschieht recht!«

      Aljoscha zuckte zusammen.

      »Ich werde selbstverständlich keinen Mord geschehen lassen, wie ich ihn auch jetzt verhindert habe. Bleib hier, Aljoscha, ich will ein bißchen auf dem Hof auf und ab gehen. Ich habe Kopfschmerzen bekommen.«

      Aljoscha ging zum Vater ins Schlafzimmer und saß ungefähr eine Stunde am Kopfende des Bettes. Der Alte schlug plötzlich die Augen auf und sah Aljoscha lange an, offenbar suchte er sich zu erinnern und seine Gedanken zu ordnen. Auf einmal malte sich eine ungewöhnliche Aufregung auf seinem Gesicht.

      »Aljoscha«, flüsterte er, »wo ist Iwan?«

      »Auf dem Hof, er hat Kopfschmerzen. Er schützt uns.«

      »Gib mal das Spiegelchen her; da steht es!«

      Aljoscha reichte ihm den kleinen runden Klappspiegel, der auf der Kommode stand. Der Alte sah hinein. Die Nase war stark geschwollen, und auf der Stirn, über der linken Braue, befand, sich eine auffällige, blutunterlaufene Stelle.

      »Was sagt Iwan? Aljoscha, mein lieber, einziger Sohn, ich fürchte mich vor Iwan, mehr als vor dem anderen. Du bist der einzige, vor dem ich keine Furcht habe ...«

      »Fürchten Sie sich auch vor Iwan nicht. Er ist zwar reizbar, doch er beschützt Sie.«

      »Aber der andere? Er ist Gruschenka nachgelaufen! Sag mir die Wahrheit, du mein lieber Engel – war Gruschenka vorhin hier oder nicht?«

      »Kein Mensch hat sie gesehen. Es ist ein Irrtum, sie war nicht hier.«

      »Mitka will sie heiraten. Jawohl, er will sie heiraten!«

      »Sie wird ihn gar nicht nehmen.«

      »Sie wird ihn gar nicht nehmen ... Sie wird ihn gar nicht nehmen. Um