Marianne Le Soleil Levant

Skyline Deluxe


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machten wie selbstverständlich den Eindruck eingespielten Einver­ständnisses. Man geleitete die sehr ansehnlichen Gäste zu einem schönen Platz.

      Hier hielt man sie für ein Paar und so konnten sie sich ungezwungen benehmen. Ihre tiefen Blicke und die sanfte Sprache, bei lebhafter Kommunikation machte bei den fast ausschließlich chinesischen Gästen an den umliegenden Tischen einen guten Eindruck.

      Sie setzte jetzt einen anhimmelnden Schimmer in ihr Augenpaar und wartete diesmal, was er sagen würde. Tom war gar nicht nach schnellen Worten. Er wollte sie gerne wieder ein wenig ansehen. Das hatte er ja schon am Morgen ausführlich betrieben und tatsächlich liebte er es allgemein, schöne Frauen anzusehen. Er überlegte noch, ob er ihr erst ein Kompliment machen oder nach ihrem Namen fragen sollte. Seinen zu nennen, kam ihm nicht in den Sinn. Den fand er ehrlich nicht so wichtig. Ein bisschen durcheinander war er auch immer noch. Er hoffte auch, sie würde doch noch etwas sagen, auf das er reagieren konnte.

      Es erschien ihm ziemlich platt zu sagen, wie schön sie sei. Sie wusste wohl um ihre Selbstdarstellung, wenn sie sich so schminken konnte. Genauso, wie um ihre ungeschminkte, die unscheinbare Erscheinung. Tom war unsicher. Anschauen war so einfach.

      Sie erlöste ihn und fragte: „Warum bist du erst weggelaufen?“

      „Ich war zu überwältigt.“

      „Das ist aber ein hübsches Kompliment.“ Sie lächelte.

      Ihr Lächeln zeigte mehr von ihrem unscheinbarem Gesicht. Es war voller unschuldiger Freude über eine hübsche Sache. Wie von einem zehnjährigen Mädchen, das mit einer Freundin ein Eis essen geht. Auf dem Gesicht dieser erwachsenen Frau wirkte es entrückt. Tom war froh, spontan das Richtige gesagt zu haben. Noch immer war er das, was er damit gemeint hatte. Überfordert.

      „Und dann hast du doch gewartet?“

      „Ich hatte einen Plan.“

      Sie lächelte jetzt zufrieden amüsiert. „Das ist ja interessant.“

      Tom erzählte ihr von seinem Problem, sie, eine Japanerin, in dem Frühstücksrestaurant anzusprechen und seinem misslungenem Arrangement am Lift einen kleinen Zusammenstoß als Einstieg zu inszenieren. Er wollte ganz aufrichtig zu diesem wunderbaren Wesen sein. Etwas Persönliches erzählen, ohne sie mit seiner Lebensgeschichte zu langweilen. Dieser Plan hatte immerhin mit ihr zu tun. Er erwähnte seine charakteristischen Kreislaufzustände zu gewissen Tageszeiten und nicht zuletzt wie irritierend beein­druckend er sie an dem Tisch gefunden hatte. Tatsächlich legte er ihr seine Bezauberung so umfassend dar, wie er sie am Morgen erlebt hatte und es seiner Eloquenz entsprach. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich dabei von fröhlicher Belustigung, über leicht staunendes Interesse, bis zu mildem Glanz in den Augen, als sie den Kopf nun leicht geneigt seiner Beschreibung ihrer Erscheinung lauschte. Das gefiel ihr wirklich.

      „Hast du deshalb deine Zeitung zweimal gelesen? Oder so getan.“

      „Du hast es gemerkt?“ Es war ihm nicht mehr peinlich. Musste es ja nicht. Ach zu offensichtlich. „Ich musste Zeit gewinnen. Es gab mir mehr Gelegenheit dich anzusehen. Das ist wahr.“

      Selten hatte ihr und ihrem Äußeren ein Mann soviel detailverliebte Aufmerksamkeit geschenkt und diese auch noch in Worte gefasst. Sie fand sich ehrlich geschmeichelt und zupfte unter der Tischplatte am Fingernagel ihres rechten Daumens. Tom erwähnte auch das, was er unscheinbar nannte und wofür er kein passendes Wort in Englisch fand. Er wollte sie bestimmt nicht beleidigen, nicht einmal vor den Kopf stoßen und druckste herum.

      „Ich weiß, dass ich keine Schönheit bin“, sagte sie ohne Eitelkeit.

      „Du bist eine strahlende Schönheit“, sagte er überzeugend.

      „Ja, heute, wenn ich mich schminke. Es ist auch deinetwegen. Ich weiß sehr wohl, dass ich keinem der Ideale entspreche und die Männerwelt mich eher als blass empfindet. Ich habe genug Männer kennen gelernt.“ Auch das kam ohne Bitterkeit. „Sie sind immer ganz Flamme, wenn sie mich in Schale und Make Up auf Parties treffen und von meinem Erfolg erfahren. Mit mir ungeschminkt können sie nichts anfangen.“ Tom verstand das aufs Wort.

      „Es freut mich sehr, dass dir meine Unscheinbarkeit ...“, sie benutzte absichtlich das englische Wort insignificance,

      „ … gefallen hat.“

      „Sie hat mir nicht nur gefallen. Ich mochte dich. Mehr noch. Ich spürte eine unausweichliche Anziehung. Das war das Irritierende. Ich verstand nicht, warum ich dich, ohne dich zu kennen, so gern hatte. Ich fühlte mich unglaublich stark zu dir hingezogen, obwohl ich das an nichts Besonderem festmachen konnte. Es wäre eine Erklärung gewesen, wenn du eine Model-Schönheit wärst. Aber weil ich dich mochte, mochte ich auch deine Unscheinbarkeit.“ Auch er benutzte nun das englische Wort betont. „Ich mochte sie, weil es deine Unscheinbarkeit war. Erklären konnte ich es mir trotzdem nicht.“ Ihr Herz leuchtete.

      „Du hast meine Schenkel angestarrt“, sagte sie.

      „Außerdem bin ich ein Model“, setzte sie beiläufig hinzu.

      Tom stutzte.

      „Was denkst du über meine Schenkel? Es ist sehr unhöflich, die Schenkel einer Fremden im Frühstückssaal so anzustarren. Noch dazu in Thailand.“

      Hatte er doch gewusst, dass das nicht unbemerkt geblieben sein konnte.

      „Deine Hose war sehr kurz“, gab er trocken zu seiner Verteidigung an.

      „Es ist in Bangkok schon am Morgen sehr heiß. Ich wollte anschließend an den Pool. Außerdem hätte es unter dem Tisch keiner gesehen, wenn er nicht extra hinsieht.“

      Sie neigte bei dem Satz ihren Kopf und zog die Augenbrauen hoch. „Jedenfalls kein Grund, meine Schenkel immer wieder Ewigkeiten anzustarren.“

      Sie sagte das mit der pragmatischen Logik der Lösung einer Rechenaufgabe. Ohne Vorwurf im Ton. Sie war keinesfalls böse deswegen, obwohl es wirklich sehr ungehörig war, eine Frau in der Öffentlichkeit so anzustarren. Sie wollte nur eine ehrliche Antwort und ihn ein wenig triezen. Bestimmt hätte sie der Erhalt von Komplimenten bei der Gelegenheit nicht weiter gestört.

      Sie sah ihm stets in die Augen.

      „Du hättest ja etwas sagen können, wenn es dich so sehr gestört hat“, startete Tom einen kläglichen Versuch. Er wusste sehr wohl, dass eine feine Dame solche Aufdringlichkeiten nicht mit einer Reaktion belohnen durfte.

      „Am Anfang hat es mich sehr gestört. Dann komischerweise nicht mehr. Du hast mir auch ins Gesicht gesehen. Das heißt, ins Profil. Lange. Dann wieder auf die Schenkel. Das gab mir zu denken. Jetzt rück schon raus. Waren meine Schenkel auch unscheinbar?“

      Tom durfte dezent lachen. „Im Gegenteil, sie erregten mich sehr.“

      „Oh“, entkam ihr spontan. So ein lustiges Oh, weil es den tief klingenden Vokal in einem ziemlich hohen Ton ausspricht. Ein herrlich japanisches Oh. Ein süßes Oh.

      Aber sie hatte sich gleich wieder im Griff.

      „Was dachtest du, als du meine Schenkel anschautest? - … while you were looking at my thighs?“

      Es verging ein Moment, während er sie zärtlich ansah, bevor Tom sagte: „Das kann ich dir hier nicht sagen. Vielleicht versteht doch jemand Englisch.“

      „Sag's mir ins Ohr.“

      „Glaubst du das geht?“

      „Na gut, die denken wir sind ein Paar. Beide Ausländer. Halb so schlimm“, antwortete sie.

      „Ich lache ein bisschen, dann denken sie, du hast einen Scherz gemacht.“

      Tom lachte leise. „Wenn das mal gut geht. Vielleicht verrät uns deine Reaktion. Du weißt doch nicht, was ich gedacht habe.“

      „Bilde dir nur nichts ein. Ich weiß ja jetzt, was ich zu erwarten habe. Du hast noch nicht gemerkt, dass ich eine erwachsene Frau ...“, sie unterbrach sich. „Ich denke, ich bin älter als du.“

      „Wirklich?“