man sie gar nicht erst für diese Ausbildung zugelassen.“
„Sei doch kein Spielverderber, Akosh. Deine Vernunft ist langweilig.“
„Ich will nicht unfair sein, das ist alles.“
Eine weitere Gestalt gesellte sich zu der Gruppe und sofort verstummten die anderen.
„Guten... Morgen, Lennys...“ stammelte der Junge mit dem losen Mundwerk.
„Was ist denn mit euch los?“ Lenyca Ac-Sarr runzelte die Stirn. "Gibt es hier irgendetwas zu sehen?“
„Noch nicht.“ grinste der Junge wieder. „Aber gleich. Dort drüben.“ Er deutete auf einen großen gepflasterten Platz, gerade mal einen Steinwurf von ihnen entfernt.
„Und was ?“
Ehe der Wortführer antworten konnte, gab Akosh die Antwort.
„Die Neuen. Sie werden gleich ihren Säbelmeistern zugeteilt.“
Wenig beeindruckt ließ sich das Mädchen im Schatten der angrenzenden Mauer nieder. „Warum sollten die uns interessieren? Nicht einmal die Hälfte wird die erste Prüfung bestehen, noch weniger werden am Ende unserer Säule beitreten. Wozu sich jetzt mit denen abgeben, die schon bald vergessen sind?“
„Vielleicht ist doch das eine oder andere Talent dabei.“ erwiderte Akosh, der mit knapp zwanzig Jahren der Älteste und scheinbar Vernünftigste der Runde war.
„Wenn es einer von denen schafft, mich in den nächsten beiden Jahren zu besiegen, dann kann er von sich behaupten, Talent zu haben.“
„Hehe, und davon kann dieses junge Gemüse nicht einmal träumen...“ Ein hochgewachsener Bursche mit scharf gebogener Nase kam hinzu und beteiligte sich sogleich an dem Gespräch. „Sie werden es mit keinem von uns aufnehmen können.“
„Bleib sachlich, Iandal.“ ermahnte Akosh seinen Kumpanen. „Und vor allem, sprich leise. Dort vorn kommt Rahor und er wäre sicher nicht erfreut, dich so reden zu hören.“
Lennys gähnte. „Was hat er hier überhaupt verloren? Er sollte doch eigentlich beim Reitunterricht sein.“
„Er hat sich davon befreien lassen.“ antwortete nun wieder der Junge, der schon zu Anfang recht vorlaut gewesen war. „Weiß nicht, warum. Aber sein Säbelmeister hat sofort eingewilligt.“
„Du bist wirklich zu nichts zu gebrauchen, Orcus. Noch nicht einmal für Informationen.“ Orcus nahm diese offenkundige Beleidigung stillschweigend hin, aber Akosh schüttelte verhalten den Kopf.
„Es geht uns doch gar nichts an. Ach seht mal, da vorn kommen sie ja schon.“
Lennys schluckte eine weitere bissige Bemerkung herunter und musterte beiläufig die Gruppe von etwa zwei Dutzend Jungen und Mädchen, die nun folgsam hinter einem muskulösen sichelbewehrten Krieger zum Rand des Platzes trabten. Nicht weit von ihnen entfernt versteifte sich die Haltung Raohors. Er beobachtete das Treiben auf dem Platz, kam aber nicht näher.
Lennys Blick blieb an der schmalen, aber zugleich auch auffälligen Gestalt eines jungen Mädchens hängen, das sich zwischen den Neuankömmlingen befand. Ihr für cycalanische Verhältnisse ungewöhnliches, hellblondes langes Haar lag ihr offen über den Schultern.
Auch Orcus und Iandal hatten sich aufgerichtet. Orcus stieß einen leisen Pfiff aus.
„Nicht schlecht.“
„Halt den Mund.“ Ohne sich von dem blonden Mädchen abzuwenden, machte Lennys eine warnende Geste in Orcus' Richtung.
„...eure Fähigkeiten zu beurteilen.“ schallte es nun von dem Sichelträger herüber. „Wir beobachten euch vom ersten Tag an, also bemüht euch, übt und lernt fleißig und hört auf das, was eure Meister euch sagen. Nicht alle werden es schaffen, der Säule der Nacht beizutreten, doch noch mehr als eure Begabung ist es euer Wille, der euch dieses Tor aufstoßen kann. Nur sehr wenige tragen so viel Kriegerblut in sich, dass sie ohne größere Anstrengung aufgenommen werden.“
Orcus und seine Freunde sahen kurz zu Lennys hinüber, die sich zweifellos angesprochen gefühlt haben musste, doch sie reagierte nicht.
„Ihr könnt euch nach diesem Rundgang nun eine kurze Pause gönnen. Danach werdet ihr euren Säbelmeistern zugeteilt. Bleibt also in der Nähe.“
Der Sichelträger verließ die Gruppe in Richtung eines großen Gebäudes und kaum war er darin verschwunden, löste sich Rahor aus dem Schatten der Bäume, um die Neuen zu begrüßen. Er wechselte einige Worte mit ihnen, wandte sich schließlich dem blonden Mädchen zu und redete eindringlich auf sie ein.
„Er kennt sie.“ stellte Orcus verblüfft fest. „Es heißt zwar immer, Rahor kennt jedes hübsche Mädchen in Semon-Sey beim Namen, aber damit hätte ich trotzdem nicht gerechnet. Sie passt überhaupt nicht hierher.“
Die anderen achteten nicht auf Orcus Sticheleien.
Plötzlich stand Lennys auf und zischte: „Dann werden wir doch einmal sehen, was er sich da Nettes angelacht hat.“
Voller Vorfreude auf ein möglicherweise hitziges Wortgefecht zwischen Lennys und Rahor folgten Orcus, Iandal und einige weitere junge Krieger ihrer Kampfgefährtin über den Platz. Nur Akosh zögerte einen Moment und hielt sich einige Schritte hinter seinen Freunden.
Als sie nur noch wenige Schritte von der Gruppe entfernt waren, verstummten die Gespräche unter den Neuen. Mit geweiteten Augen starrten sie Lennys an, viele von ihnen sanken auf die Knie.
Rahor räusperte sich verlegen. „Es ist mir eine Ehre, euch gleich an eurem ersten Tag mit Lenyca Ac-Sarr, Tochter des Hohen Shaj Saton, bekannt zu machen.“
Lennys würdigte weder Rahor noch die anderen eines Blickes, ihr Interesse galt nach wie vor ausschließlich dem blonden Mädchen, das zwar nicht niedergekniet war, aber doch zumindest den Kopf gesenkt hielt. Aber die Tochter Satons sagte kein Wort.
„Ich wurde heute von den Übungen befreit....“ sagte Rahor schließlich, dem sichtlich unbehaglich zumute war. „Sie haben es mir erlaubt, damit ich meine Schwester begrüßen kann.“
Zum ersten Mal seit dem Erscheinen der Neuankömmlinge löste Lennys ihren Blick von der Blonden und wandte sich an Rahor. „Deine Schwester?“ fragte sie, ohne allzu überrascht zu klingen.
Rahor nickte und legte eine Hand auf die Schulter des blonden Mädchens „Racyl. Sie... sie ist meine Halbschwester und hat das Talent unseres Vaters geerbt.“
Lennys streckte eine Hand aus und hob Racyls Kinn, so dass das Mädchen ihr ins Gesicht sehen musste. Ihre Augen waren tiefblau wie ein Sommernachtshimmel. In ihnen war keine Angst zu erkennen.
„Dein Vater war ein großer Krieger.“ sagte Lennys mit ihrer kühlen, harten Stimme. „Dein Bruder wird ihn vielleicht noch übertreffen. Wirst du den Namen deiner Familie beschmutzen? Oder ihn noch mehr glänzen lassen?“
Sie zog ihre Hand zurück, doch Racyl hielt Lennys' bohrendem Blick stand.
„Ich suche meinen wahren Weg. Wenn ich ihn finde und ihm folge, werde ich niemandes Namen beschmutzen."
Lennys ließ nicht erkennen, was sie von dieser Antwort hielt und wieder war es Rahor, der versuchte, die Situation zu entspannen.
"Racyl, du hast großes Glück, bereits an deinem ersten Tag so großen Kämpfern zu begegnen. Dies hier sind Akosh, der Waffenschmied und das hier ist Iandal. Sie haben beide bereits die Prüfungen bestanden und werden in Kürze zu Cas geweiht."
"Und ich bin Orcus!" fiel der großspurige Junge Rahor ins Wort. "Bestimmt hast du schon von mir gehört, ich bin ..."
"Nichts." beendete Lennys seinen Satz trocken. Die anderen Neuankömmlinge lachten zaghaft, doch Orcus' Lächeln erstarb ebenso wie Rahors.
Gleichgültig wandte sich Lennys wieder ab.
"Wir sehen uns morgen, Rahor. Sei pünktlich. Ich hasse es, zu warten."
Rahor