Christine Boy

Das Blut des Sichellands


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nickte.

      „Irgendwann wirst du ihr sagen müssen, was sie ist. In welches Schicksal sie geboren wurde. Eine echte Ac-Sarr. Das ist nicht nur ein Geschenk.“

      „Sie wird es dennoch annehmen. Sie ist stark. Wie ihre Mutter. Aber noch muss ich nicht daran denken. Vielleicht gönnt mir Ash-Zaharr ein paar friedliche Jahre, bevor diese Wahrheit ans Licht kommen muss. Meine Güte, Wandan, ich habe mir so lange ein Kind gewünscht. So lange... Ist es falsch, wenn ich im Augenblick nichts anderes als Freude empfinden kann? Kann nicht auch meine Linie einmal...?"

      Doch ein Klopfen ließ Saton verstummen und gleich darauf trat ein Diener ein. Er wirkte nervös.

      „Verzeiht, hoher Shaj. Eure... Eure Gemahlin...“

      Sofort richtete sich Saton auf. Er wirkte alarmiert.

      „Ja?“

      „Sie... sie ist soeben erwacht und... sie... sie wünscht, den hohen Herrn Wandan zu sprechen.“

      „Mich?“ Überrascht erhob sich der Krieger und sah Saton fragend an. Der jedoch atmete erleichtert auf, vielleicht, weil er mit schlimmeren Nachrichten gerechnet hatte.

      „Sie wird dir für deinen Begleitschutz danken wollen. Geh nur. Aber sorge dafür, dass sie danach weiter ruht.“

      Wandan nickte und folgte dem Diener nach draußen.

      Für Cureda brachte die Rückkehr nach Yto Te Vel nicht nur Freude mit sich. Sie liebte diesen Ort, das herrschaftliche Haus und die Menschen, die hier lebten und die viel stiller und geheimnisvoller waren als die restlichen Sichelländer. Aber anders als Saton dachte sie auch einen Schritt weiter und das war es, was ihr zugleich Kummer bereitete und Angst einflößte. Angst, über die sie mit niemandem sprach, auch nicht mit dem, der Teil ihres Lebens geworden war. Noch nicht.

      Bald schon musste sie es ihm sagen. Vielleicht morgen. Vielleicht in einer Woche. Vielleicht in einem Monat. Aber dann...

      Das Herz wurde ihr schwer und mit der Bitte, Wandan rufen zu lassen, hatte sie bereits einen ersten Schritt in diese Richtung getan. Einen unabwendbaren Schritt, einen, der ihr die Endgültigkeit einer Entscheidung, die sie vor nicht einmal einem Jahr getroffen hatte, noch einmal verdeutlichte und die Wahrheit, die sie mit sich brachte, besiegelte.

      Lange hatte sie überlegt, ob sie Wandan eine solche Bürde zumuten konnte. Doch wem, wenn nicht ihm? Natürlich war es gefährlich, neben Saton noch einen weiteren Menschen ins Vertrauen zu ziehen, aber Wandan musste ja nie erfahren, was dahintersteckte. Er musste nichts wissen. Er musste nur ihrer Bitte nachkommen. Und vielleicht, vielleicht... war das Schicksal gnädig genug, ihn diese Bitte vergessen zu lassen. Vielleicht würde er nie erfahren, wie gewaltig die Verantwortung war, die er trug und er würde stets glauben, es handle sich um eine kleine, fast schon symbolische Gefälligkeit. Vielleicht war es einfach das Beste, wenn diese letzte Sicherheit nicht in Satons Händen lag, sondern in denen eines Ahnungslosen.

      Sie hörte Schritte.

      "Komm herein." sagte sie, noch ehe Wandan anklopfen konnte und als der einzige Mann, den Saton je als 'wahren Freund' bezeichnet hatte, eintrat, setzte sie sich auf und bemühte sie sich um ein entspanntes Lächeln, das die düsteren Gedanken, mit denen sie kämpfte, verbarg.

      "Geht es dir besser?" fragte er verlegen. Er war nur selten mit Cureda allein und jetzt, da sie geschwächt in ihrem Bett lag, hatte er das Gefühl, in etwas Intimes einzudringen, das ihm eigentlich verwehrt bleiben sollte.

      "Kein Grund zur Sorge." erwiderte sie. "Bitte setz dich. Ist Saton noch wach?"

      "Ja, das ist er. Ich war gerade bei ihm. Er ist wohl zu nervös, um Schlaf zu finden."

      "Es tut mir leid, dass ich euch gestört habe. Mir scheint, dass alles, was ich über werdende Väter gehört habe, auf ihn im besonders hohen Maße zutrifft. Wenn er könnte, würde er unsere Tochter wohl am liebsten selbst zur Welt bringen."

      "Nur, um dir die Schmerzen abzunehmen."

      Sie lachte.

      "Saton ist ein Krieger, Wandan. Er muss genug Schmerz und Verletzungen in seinem Leben hinnehmen. Im Vergleich dazu ist das, was ich verspüre, nicht der Rede wert."

      "Ich glaube, dass du mehr ertragen musst, als du zugibst." sagte Wandan ernst.

      "Nicht mehr, als ich auch ertragen kann. Ihr solltet euch beide nicht so viele Gedanken machen. Sag, wirst du bei uns bleiben? Oder schickt Saton dich zurück?"

      "Er will, dass ich nach Semon-Sey gehe und dort für Ordnung sorge. Ich wäre gern bei euch geblieben, aber vielleicht hat er recht. Und bei der leisesten Nachricht werde ich sofort nach Yto kommen, das verspreche ich."

      "Das wissen wir. Dass wir uns auf dich verlassen können. Und wir sind hier auch nicht allein. Es leben so wunderbare Menschen hier, sie alle werden sich um uns bemühen. Sie verehren Saton."

      "Wie jeder in unserem Lande. Und so wie auch jeder dich verehrt. Aber ehe ich es vergesse,... Mondor hat für morgen seinen Besuch angekündigt. Ich glaube, er kann es kaum erwarten, dich zu sehen."

      Jetzt leuchtete echte Freude in Curedas pechschwarzen Augen.

      "Mondor! Oh, wie schön. Ich habe ihn so vermisst. Am liebsten hätte ich ihn noch heute nacht begrüßt, aber..."

      Wandan räusperte sich.

      "Cureda... verzeih, wenn ich so offen bin. Aber du mutest dir wohl ein bisschen zu viel zu. Mondor wird kommen. Aber er wird es auch akzeptieren, dass du Ruhe brauchst. Und Saton ist trotz aller Vorfreude nicht blind. Ich habe nicht das Recht, dich um etwas zu bitten, aber wenn ich es könnte, so würde ich mir wünschen, dass du auf dich acht gibst. Nicht nur um des Kindes Willen. Sondern auch für dich."

      Sie nickte nachdenklich.

      "Danke für deine Fürsorge. Glaub mir, ich weiß das zu schätzen. Trotzdem freue ich mich auf Mondor. Und vielleicht kann ich schon allein deshalb heute nacht besser..."

      Ein plötzlicher Stich ließ sie zusammenfahren und sie krümmte sich unwillkürlich.

      Erschrocken sprang Wandan auf.

      "Was...?"

      "Nichts...." keuchte sie und atmete mehrmals tief durch. "Es ist nichts.... Ich glaube... da hat jemand andere Pläne, was die Nachtruhe angeht."

      Immer noch verunsichert beobachtete der Krieger, wie Cureda sich langsam wieder entspannte. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen, aber ihre Züge waren nicht mehr schmerzverzerrt.

      "Vielleicht liegt es... an seinem Blut..." sagte Wandan leise. "Es heißt, dass diese Linien nur einen Nachkommen haben. Vielleicht..."

      "Ich kenne diese Geschichten. Aber es gibt auch andere Familien, die mit schweren Schwangerschaften zu kämpfen haben."

      "Natürlich. Du hast recht, ich sollte nicht überall ein böses Omen wittern. Und sie wird sicher etwas ganz Besonderes. Jeder sagt das."

      Um Curedas Mund zuckte erneut ein Lächeln. "Vor allem Saton. Hoffentlich lässt er sie das nicht unentwegt spüren. Ich habe die leise Befürchtung, dass er unsere Tochter ein bisschen zu sehr verwöhnen wird."

      "Du wirst ihn schon in Schach halten." lachte Wandan. "Wenn er überhaupt auf jemanden hört, dann auf dich. Ich hoffe, ich bin nicht hier, damit du mich darum bittest, Saton bei seiner Erziehung auf die Finger zu sehen."

      Doch Cureda wurde schlagartig wieder ernst.

      "Um ehrlich zu sein, doch."

      "Wie bitte?"

      "Natürlich nicht nur. Ich meine,... also, was ich sagen will, Wandan, ...ich bin vielleicht nicht immer da. Vielleicht... kann ich nicht so auf sie achten, wie ich es möchte und... also... ich wäre um einiges beruhigter, wenn ich wüsste, dass du ein Auge auf sie hast."

      Etwas erstaunt zog Wandan die Brauen hoch.

      "Ein Auge auf sie haben? Auf die Tochter von Saton Ac-Sarr? Auf deine Tochter? Ich werde natürlich