Philipp Depiereux

Changerider


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also, um großen Nationen wie China und den USA gegenüberzutreten.

      In diesem Buch kommen Menschen zu Wort, die den (digitalen) Wandel bereits erfolgreich gestartet haben. Pioniere, die agieren und sich mit Begeisterung weiteren Herausforderungen stellen. Weil der Wandel aber auch Einfluss auf Bildung und Gesellschaft hat, kommen neben Unternehmens- und Verbandslenkern, Gründern, Digitalexperten, Business Angels und Venture Capitalists auch Pädagogen und Coaches zu Wort. Denn sie alle haben eines gemeinsam: Sie machen Mut für den Wandel, sprechen ehrlich über das Scheitern und über Erfolgsfaktoren.

      Und weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir nur nachhaltig erfolgreich sind, wenn wir über ein gutes, intaktes und glückliches Familienleben verfügen, habe ich auch eine liebe Freundin in den ChangeRider eingeladen, die im Familiencoaching tätig ist. Ihre Tipps im Umgang mit Kindern und der Digitalisierung sind enorm wertvoll und runden dieses Buch ab.

      Ich wünsche viel Spaß beim Lesen sowie viele wertvolle Impulse und Inspirationen.

      Ihr PD

22 CHANGERIDER

      HEIKE BRUCH

       „WIR BEFINDEN UNS IN EINEM UMBRUCH, DER DIE GESELLSCHAFT, DIE UNTERNEHMEN, VOR ALLEM ABER JEDEN EINZELNEN ENORM BETRIFFT“

      Prof. Dr. Heike Bruch ist seit 2001 Professorin für Leadership und leitet das Institut für Führung und Personalmanagement und Gründerin der Spin-off energy factory der Universität St. Gallen. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin und promovierte an der Universität Hannover. Sie ist Gründerin des Organizational Energy Program und engagiert sich zudem im Vorstand der DGFP (Deutsche Gesellschaft für Personalführung) und des Demographie Netzwerk e.V. (ddn). Dabei gilt ihr Hauptinteresse den Themen Leadership, Employer Branding und organisationale Energie. Seit 2006 hat Bruch die Leitung von TOP JOB inne – einer Initiative zur Auswahl der besten Arbeitgeber Deutschlands.

      Die Digitalisierung wird in Deutschland häufig aus der technologischen Perspektive betrachtet. Unberücksichtigt bleibt dabei oft, dass sie grundlegende Veränderungen der Arbeitswelt zur Folge hat. „Über 90 Prozent der Unternehmen befinden sich bei der sogenannten New Work Transformation auf dem Weg. Sie verändern ihre Unternehmenskultur, ihre Art zu führen und zu arbeiten. Eine Hürde dabei ist jedoch die Ernsthaftigkeit, mit der sie diese Veränderungen angehen. Denn Maßnahmen wie das Einführen einer Duz-Kultur oder das Tragen von Turnschuhen setzen nur an der Oberfläche an. Die wesentlich größere Hürde ist das Entwickeln von Verständnis, Haltung und Werten, die zu einer tiefen Überzeugung führen.“ Dabei sind viele Unternehmen von den verschiedenen Instrumenten und Maßnahmen der Digitalisierung überzeugt: Sie verändern ihre Arbeitszeiten, erlauben das mobile Arbeiten aus dem Homeoffice oder sonst wo und setzen neue digitale Kommunikationsinstrumente ein. „Problem bei diesen wenn auch sinnvollen Maßnahmen ist, das sie oft auch zu einer Verunsicherung führen. Dann stehen Fragen im Raum wie: Warum machen wir das? In welche Richtung geht das? Was ist erlaubt und was nicht? So führt das mobile Arbeiten bei vielen Führungskräften zu einer Verunsicherung.“

      Hierbei helfen klare Ansagen wie das Beispiel Microsoft zeigt: Dort herrscht nicht nur Vertrauensarbeitszeit, die Mitarbeiter können auch ihren Arbeitsort selbst auswählen, egal, wo dieser ist. „Microsoft ist in der letzten von fünf Phasen angekommen: Die erste Phase ist geprägt von der klassischen Art zu arbeiten, die aus Anwesenheitspflicht und Organigrammen besteht. In der zweiten Phase sind bereits Homeoffice-Regelungen und flexible Arbeitszeiten möglich. Ab der dritten Phase sind Unternehmen zwar moderner und lassen los, allerdings herrschen auch Unsicherheit und Irritation. In der vierten Phase bekommen Unternehmen die Unsicherheiten zwar in Griff, regeln die Freiheiten allerdings, was sehr häufig als bürokratisch und einschränkend empfunden wird. Denn so wird die Grundidee, dass Mitarbeiter Freiheiten haben und individualisierter arbeiten können, wieder ausgehebelt. In der fünften Phase sind Organisationen in der Arbeitswelt 4.0 mit dem netzwerkähnlichen Arbeiten angekommen. Die Regeln verschwinden wieder und werden durch sogenannte Kulturnormen, die auf Abstimmung der Mitarbeiter untereinander setzt, ersetzt. Dann haben Unternehmen und Mitarbeiter eine Reife und Kultur entwickelt, bezüglich der Sache zu agieren, es aber nicht bürokratisch zu regeln.“

      „Ist der Grund klar definiert, ist eine Standortbestimmung ratsam“

      Dennoch gibt es Mittelständler, die in der ersten Phase verhaftet sind, ihren Mitarbeitern das Internet am Arbeitsplatz verwehren, auf den Einsatz von Stempeluhren setzen sowie starre Arbeitsregeln und -zeiten haben. Hier eine Transformation zu starten, scheint schier aussichtslos. „Meine Erfahrung zeigt, dass die Auseinandersetzung mit der neuen Arbeitswelt häufig an einen Auslöser wie die Veränderung der Geschäftsmodelle oder das Implementieren einer modernen Strategie gekoppelt ist. Um eine solch tiefgehende Veränderung anzugehen, muss für diese Unternehmen das Warum sehr klar sein. Ist der Grund klar definiert, ist eine Standortbestimmung ratsam. Dafür haben wir den New Work & Culture Check entwickelt, der Unternehmen eine Standortbestimmung ermöglicht und ihnen zeigt, wo sie bezüglich der neuen Arbeitswelt stehen. Die Antwort auf die Frage, wie Führungskräfte und Mitarbeiter die Ist-Situation wahrnehmen, ist dabei für alle Beteiligten hochgradig spannend. Denn nicht selten wird erstaunt festgestellt, dass Vorbildfunktionen und Vertrauenskultur sowie das Wissen über die Selbstorganisation der Mitarbeiter fehlen.“ Sich über diese diffusen Themen zu verständigen und sie greifbar zu machen ist ein erster entscheidender Schritt, um sich dann darüber zu verständigen, welche Themen angepackt werden sollen.

      Und weil das für Unternehmen, die sich noch in der ersten Phase befinden, ein gewaltiger Schritt ist, sollte der Weg an die zukünftige Unternehmenskultur gekoppelt sein. Das heißt, wer auf Augenhöhe arbeiten oder den Dialog stärken möchte, kann den Veränderungsprozess nicht Top-down vollziehen, sondern braucht Mitarbeiter aus allen Ebenen, die den Prozess mitgestalten und sich einbringen wollen. „Wir haben diesen Prozess kürzlich mit einer traditionellen Bank vollzogen, die ihr Geschäftsfeld und die Kundeninteraktionen, und deswegen auch ihre Führung und Kultur verändern wollte. Um bei ihrer Digitalmission ein gemeinsames Bild mit den Mitarbeitern zu haben, entwickelten die über 40 Geschäftsleiter und Bereichsleiter gemeinsam mehrere Prototypen, um anschließend bei Mitarbeitern, Kunden und Aufsichtsräten Feedback einzuholen. Interessant war, dass der Prototyp des CEO (der als dieser nicht gekennzeichnet war) nicht das beste Feedback erhielt. Die Ungewissheit, in welche Richtung sich die Gespräche entwickeln, waren daher für einige Führungskräfte befremdlich. Die Mitarbeiter hingegen fühlten sich durch das Einbeziehen sehr wertgeschätzt. Was zeigt, dass bereits bei der Strategieentwicklung die neue Kultur angewandt werden sollte; und nicht erst bei der Implementierung.“ Auf keinen Fall sollte es eine One-Man-Show des CEO werden, sondern generell die gesamte Geschäftsleitung betreffen. Und wollen Mitarbeiter selbst etwas verändern, sollten Organisationen auf diese sogenannte Grassroot-Initiative der Mitarbeiter sensibel reagieren und sie fördern. Dazu gehört, auf Augenhöhe zu agieren und Gesprächsanteile gerecht zu verteilen. „Rutscht ein Team dabei immer mal wieder in alte Muster, muss gegengesteuert werden. Ansonsten leidet die Glaubwürdigkeit, was negative Folgen für den Gesamtprozess hat.“

      „Wir haben uns unter anderem die persönlichen Voraussetzungen von Führungskräften angeschaut“

      Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Studie über die Voraussetzungen für Führung, die Bruch mit ihrer Kollegin Sandra Berenbold in Zusammenarbeit mit der Bertelsmann Stiftung umgesetzt hat. „Wir haben uns unter anderem die persönlichen Voraussetzungen von Führungskräften angeschaut. Bemerkenswert dabei war eine Kombination einerseits aus Führungsmotivation und andererseits aus Willenskraft oder Selbstsicherheit versus Selbstzweifel. Im Durchschnitt sind 30 Prozent der Führungskräfte sehr motiviert und wollen führen, haben aber Selbstzweifel, ob sie die Fähigkeiten dazu besitzen. Befinden sich Unternehmen nun in der New Work Transformation, steigen bei diesen 30 Prozent zwar auch die Motivation, vor allem aber auch der Selbstzweifel stark an. Denn durch den Wegfall von Hierarchien und Performance Management Instrumenten sind sie stark verunsichert und trauen sich nicht mehr zu führen.“ Abhilfe schafft, neue Rollen zu definieren und sie einzuüben. Und auch wenn man bei dieser Art der Führung nicht alle Führungskräfte mitnehmen kann, ist es wichtig, alle ins Boot zu holen. Denn der Veränderungsprozess ist ohne Führungskräfte