Dante Alighieri

Die göttliche Komödie


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was der zweite anrührt, sich beweget?

      Der Toten Fuß hat solche Wirkung nimmer.

      Mein Führer, der ihm schon zur Seite stand

      Da wo sich Mensch- und Tiergestalt berühren,

      Erwidert' ihm: Gewiß ist er lebendig

      Ich muß dies dunkle Tal ihm einsam zeigen;

      Notwendigkeit, nicht Lust ists, die ihn herbringt.

      Sein Hallelujasingen unterbrach

      Ein hehrer Geist, der solche Pflicht mir auftrug;

      Kein Dieb ist er, ich keines Räubers Schatten.

      Doch, bei der Kraft, die auf so wildem Pfade

      Mich wandeln heißt, gib aus der Schar der deinen

      Uns einen mit, der unsre Schritte leitend

      Des Blutstroms Furt uns zeigt, und der hinüber

      Auf seinem Rücken diesen, der kein Geist ist

      Und durch die Luft nicht gehn kann, willig trage.

      Da wandte Chiron sich zur rechten Seite

      Und sagte: Nessus, geh' sie zu geleiten,

      Und trefft ihr andre, heiße Platz sie machen.

      So gingen in verläßlicher Begleitung

      Den Strand des roten Sudes wir entlang,

      Aus dem der Wehruf der Gesottnen tönte.

      Bis zu den Brau'n im Blut sah ich die einen:

      Das sind Tyrannen, sagte der Zentaur.

      Die reichlich Blut vergossen und geplündert,

      Beweinen hier erbarmungslose Taten.

      Sieh Alexander hier und Dionysen,

      Durch den Sizilien arge Zeit erfuhr.

      Und jene Stirn mit dunkelschwarzem Haare

      Gehört dem Azzolin; der Blonde aber

      Ist Obizzo von Este, den in Wahrheit

      Der Stiefsohn droben in der Welt gemordet.

      Drauf wandt' ich mich zum Meister; doch er sagte:

      Jetzt sei dir Nessus erster, ich nur zweiter.

      Nicht weit davon hielt der Zentaur bei Schatten,

      Die aus dem heißen Strom bis zu der Kehle

      Auftauchen durften, seine Schritte an.

      Auf einen, der allein stand, deutend, sprach er,

      Das Herz durchbohrte der in Gottes Schoße,

      Das an der Themse Strande noch geehrt wird.

      Und andre Geister sah ich weiterhin,

      Die aus dem Fluß so Haupt als Brust erhoben;

      Nicht wenige von dieser Zahl erkannt' ich.

      Und seichter ward das Blut und immer seichter,

      Daß es zuletzt die Füße nur bedeckte;

      Da war's, wo wir den Graben überschritten.

      Wie du gesehn hast, daß auf dieser Seite,

      Sprach der Zentaur, der Strom des heißen Blutes

      Sich mehr und mehr verflacht, so sollst du glauben,

      Daß dort hinaus sein Boden immer tiefer

      Sich senkt, bis er bei jener Stelle anlangt,

      Wo Tyrannei in schwerer Marter seufzet:

      Dort straft die göttliche Gerechtigkeit

      Den Attila, der eine Geißel war,

      Nebst Pyrrhus und nebst Sextus, und preßt ewig

      Dem Rinier Pazzo und dem von Corneto,

      Die raubend heimgesucht des Landes Straßen,

      Die Tränen aus, die durch den Sud entquollen.

      Dann wandt er sich zur Rückkehr durch die Furt.

      Dreizehnter Gesang

      Noch war nicht jenseits Nessus angekommen,

      Als wir in ein Gebüsche uns vertieften;

      In dessen Dickicht sich kein Pfad uns zeigte.

      Dort war kein grünes, sondern düstres Laub,

      Nicht glatte, sondern knorrig krumme Zweige,

      Nicht Früchte, sondern giftgefüllte Stacheln.

      Nicht hausen in so dichtverwachs'nem Dorne

      Die wilden Tiere, die dort von Corneto

      Zur Cecina bewohntes Land vermeiden.

      Hier baun ihr Nest die häßlichen Harpyen,

      Die mit Verkündigung zukünft'gen Leides

      Von den Strophaden die Trojaner trieben.

      Groß sind die Flügel, Hals und Antlitz menschlich,

      Der Bauch befiedert und bekrallt die Füße;

      Ihr Wehruf tönt von den seltsamen Bäumen.

      Der gute Meister sagte: Eh' du weiter

      Hineingehst, wisse, daß im zweiten Ringe

      Du bist und bleiben wirst, bis du gelangest

      Zur grauenvollen Fläche glühnden Sandes.

      Drum merke wohl auf; Dinge wirst du sehen,

      Die meinem Worte, sagt' ich's, Glauben nähmen.

      Wehklagen hört' ich schon von jeder Seite;

      Doch weil ich niemand wahrnahm, der sie ausstieß,

      Hielt ich betreten an mit meinen Schritten.

      Ich glaub', er glaubte wohl, ich möchte glauben,

      Die vielen Stimmen rührten her von Leuten,

      Die in dem Dickicht sich vor uns verbergen.

      Drum sprach zu mir der Meister: Wenn von einem

      Der Bäume hier du eine Gerte abbrichst,

      So wird der Wahn, den du jetzt hegst, erblassen.

      Ein wenig vorwärts reckt' ich meine Hand

      Und raubt' ein Zweiglein einem großen Baume.

      Da rief der Stamm: Wer heißt dir, mich verletzen?

      Und als der Bruch von Blut sich dunkel färbte,

      Rief er aufs neu': Warum zerpflückst du mich?

      Ist deine Brust so völlig mitleidsleer?

      Jetzt sind wir Stämme; doch wir waren Menschen

      Und wären wir von Schlangen nur die Seelen,

      So sollte deine Hand mitleid'ger sein.

      Wie, wenn ein grüner Klotz am einen Ende

      Im Feuer liegt, er an dem andern zischt

      Und von der Luft die sich herausdrängt stöhnet,

      So drängten sich aus jenem Bruche Worte

      Und Blut hervor, so daß ich gleich dem Manne,

      Den Furcht ergreift, das Zweiglein fallen ließ.

      Gekränkte Seele, sagte drauf mein Meister,

      Hätt' ohne eignes Anschaun er vermocht

      Zu glauben, was mein Lied nur ihm berichtet,

      So hätte nicht er sich an dir vergriffen.

      Doch