Dante Alighieri

Die göttliche Komödie


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ich das Haupt, und hielt es so geneiget

      Bis mir der Meister sagte: Nun, was sinnst du?

      Darauf erwidernd, hub ich an: O Himmel,

      Wie mancher stille Liebeswunsch, wie manches

      Verlangen führte sie zum Schritt voll Schmerzes!

      Dann wendet' ich mich ihnen zu und sagte:

      Francesca, deiner Qualen Anblick macht

      Vor Trauer mich und vor Mitleiden weinen.

      Doch sage mir, zur Zeit der süßen Seufzer,

      An was und wie gestattete dir Amor,

      Das schüchterne Verlangen zu erkennen?

      Drauf sagte sie zu mir: Kein Schmerz ist größer,

      Als sich der Zeit des Glückes zu erinnern,

      Wenn man in Elend ist; das weiß dein Lehrer.

      Heg'st du jedoch, die Wurzel uns'rer Liebe

      Zu erkennen, solch entschiedenes Verlangen,

      So werd' ich tun, wie wer im Reden weinet:

      Wir lasen eines Tages zum Vergnügen

      Von Lanzelot, wie Liebe ihn umstrickte,

      Allein und unbeargwohnt waren wir.

      Oft hieß des Buches Inhalt uns einander

      Scheu ansehn und verfärbte unsre Wangen;

      Doch nur ein Punkt war's, welcher uns bewältigt.

      Denn als wir, wie das langersehnte Lächeln

      Von solchem Liebenden geküßt ward, lasen,

      Da küßte, dem vereint ich ewig bleibe,

      Am ganzen Leibe zitternd, mir den Mund.

      Zum Kuppler ward das Buch und der's geschrieben.

      An jenem Tage lasen wir nicht weiter.

      Und während so der eine Schatten sprach,

      Vergoß der andre solchen Strom von Tränen,

      Daß ich ohnmächtig ward, wie wen ich stürbe,

      Und nieder fiel ich, wie ein toter Körper.

      Sechster Gesang

      Bei des Bewußtseins Rückkehr, welches Mitleid

      Mit den zwei Schwägern mir genommen hatte

      Und mir das Herz erfüllt mit Traurigkeit,

      Seh' ringsum neue Qualen ich und neue

      Gequälte, wohin auch den Blick ich wende,

      Wohin ich schaue und wohin mich kehre.

      Ich bin im dritten Kreise, dem des ewgen,

      Verwünschten, kalten, qualenvollen Regens,

      Des Art und Weise nimmer sich verändert.

      Grobkörn'ger Hagel, Schnee und trübes Wasser

      Fällt rastlos durch die finstre Luft hernieder;

      Der Boden stinkt, der solch Gemenge aufnimmt.

      Und Cerberus, das Untier sondergleichen,

      Bellt aus drei Rachen, so wie Hunde pflegen,

      Die Schatten an, die dort am Boden liegen.

      Rot ist sein Auge, schwarz der Bart und schmierig,

      Der Bauch geschwollen, krallig sind die Hände;

      Er kratzt die Geister, schindet und zerfleischt sie.

      Der Regen macht sie heulen als wie Hunde;

      Oft wenden sich die elenden Verfluchten,

      Daß eine Seite Schutz der andern biete.

      Als Cerberus uns sah, der große Wurm,

      Riß er die Rachen auf, zeigt' uns die Zähne,

      Und seiner Glieder keines hielt er stille.

      Mein Meister öffnete die beiden Hände,

      Griff Erdreich auf, und mit gefüllten Fäusten

      Warf er hinein es in die gier'gen Schlünde.

      Dem Hunde gleich, der im Heißhunger belfernd,

      Wenn er den Fraß gepackt hat, sich beruhigt,

      Und ihn nur zu verschlingen strebt und trachtet,

      So wandelten sich die unsaubern Schnauzen

      Des Teufels Cerberus, der jene Seelen

      So anbellt, daß sie wünschten taub zu sein.

      Fort ging es durch die Schatten, die der Regen

      Danieder hält; es traten uns're Sohlen

      Auf ihre Nichtigkeit, die Wesen scheinet.

      Sie lagen hingestreckt am Boden alle;

      Nur einer richtete sich eilend auf,

      Als er uns sah, wie wir vorübergingen.

      Der du geführet wirst durch diese Hölle,

      Erkenne mich, sprach er, wenn du's vermagst;

      Begann dein Leben doch, eh mein's geendet.

      Ich sagte drauf: Die Qual, die du erduldest,

      Entfremdet dich vielleicht so der Erinnerung,

      Daß es mich dünkt, ich sah zuvor dich nimmer.

      Doch nenne dich, dem solch unsel'ge Stelle

      Beschieden ist, und eine Strafe, welche,

      Wenn größer nicht, doch ekler ist als alle.

      Drauf sagt' er: Deine Stadt, die so von Neide,

      Erfüllt ist, daß der Sack zu bersten droht,

      Umfaßte mich dereinst im lichten Leben.

      Ihr Stadtgenossen nanntet mich nur Ciacco,

      Weil ich ergeben war der Schlemmerei,

      Und wie du siehst, zernagt mich itzt der Regen.

      Auch bin ich nicht allein hier, so zu trauern;

      Nein, alle dulden wir die gleiche Strafe

      Aus gleicher Ursach. Und damit verstummt' er.

      Ich sagte drauf: O Ciacco, deine Qual

      Rührt mich so sehr, daß ich dem Weinen nah bin;

      Doch sage mir, wenn du es weißt, welch' Ende

      Der zwiegespalt'nen Bürger Streit nimmt, sage,

      Ob einer dort gerecht ist, und warum

      Die Stadt von solcher Zwietracht ist befallen.

      Darauf erwidert' er: Nach langem Hader

      Fließt endlich Blut, und die Partei der Fremden

      Vertreibt die andre, vielfach sie beschäd'gend.

      Dann, eh' drei Jahre schwinden, fällt sie wieder,

      Und jene andre trägt den Sieg davon

      Durch dessen Hilfe, der jetzt noch laviert.

      Hoch wird sie lange Zeit die Stirne tragen,

      Und schwere Last auf die besiegte häufen,

      Wie groß für diese Scham und Schmerz auch seien.

      Gerecht sind zwei; doch unverstanden sind sie.

      Die Funken, welche jedes Herz entzündet,

      Sind Neid und Geiz mit Hochmut