Andreas Nass

Sündige Herrschaft


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knabberte verspielt daran.

      Moi’ra verdrehte die Augen, Wogar lachte und reichte seinem Mündel einen weiteren Streifen Dörrfleisch.

      Die Heiterkeit konnte das unruhige Gefühl in mir nicht auslöschen. Blut anstelle eines Fährmannes. Ein schlafender Wyrm und ein unnatürlich wachsender Wald. Um mich zu beruhigen glitt ich mit den Fingerspitzen über die in meine Haut eingebrachten Tätowierungen. Sie stellten nicht nur eine aufregende Zierde dar sondern trugen in sich auch Kräfte meines Geistes. Daher war es möglich, eine Tätowierung zu verschieben und diese sogar durch Berührung in Verbindung mit einem kurzen Gedankenimpuls aufzulösen. Dadurch entfaltete sich die in ihr gespeicherte heilende Wirkung.

      Auch meine Gefährten hatte ich mit einer Hautmalerei versehen. Im Kampf sollten sie mich lange schützen. Und irgendwie hatte es für mich auch die Wirkung einer Duftmarke. Meiner Duftmarke.

      Vergnügt spülte ich das durchgekaute Fleisch mit frischem Quellwasser die Kehle hinab.

      Frisch gestärkt kamen wir gut auf dem Trampelpfad voran und erreichten die Stadt Ostmark zur Mittagsstunde.

      Die gesamte Stadt war von einer Steinmauer mit darauf befindlicher Holzpalisade umgeben. Eine ansehnliche Steinburg erhob sich über die Dächer hinweg. In der lauen Brise flatterten Banner auf den Turmspitzen. Sie zeigten einen vom Baum eingerahmten Fluss auf grünem Grund.

      Auffällig hoch erstreckte sich ein Turm mitten in der Stadt. Auf unserem Weg zur Burg wurden wir von dort aus beobachtet. Ich erkannte einen lässig mit verschränkten Armen am Türrahmen lehnenden Rakshasa. Seine Kleidung war von ausgewähltem Prunk, und ich hatte keinen Zweifel, dass sich hinter dem Tigerkopf und den Tigertatzen ein geschickter und intelligenter Chauvinist befand.

      Als wir in Sichtweite der Garde am Burgtor kamen, hatten sie schnell erkannt, wer dort auf sie zu ritt. Ein Gardist gab zwei anderen offenbar Befehle, da sie sich schnell entfernten.

      »Ich heiße die neuen Herren der Mark willkommen«, verneigte sich der Mann.

      »Bis auf einen sind wir Damen, und als solche auch zu begrüßen«, bestand Moi’ra.

      »Mit ›Herren‹ hatte ich Euch nicht ausschließen wollen«, erklärte sich die Wache, »aber da Ihr darauf besteht, seid willkommen, Herrschaften und Dame der Ostmark.«

      Noch verdutzt über den besonderen Wunsch meiner Gefährtin musste ich nun bei der spitzfindigen Bemerkung des Mannes ein Kichern unterdrücken. Zu seinem Pech befand Moi’ra das nicht für lustig und zwischen ihren Brauen zeichnete sich deutlich eine Zornesfalte ab.

      »Wie ist dein Name, Gardist?«, verlangte die Markgräfin barsch.

      »Umbold«, antwortete dieser umgehend.

      »Bringt uns zum Markverweser, Umbold«, befahl ich, bevor Moi’ra sich unnötig vor den Toren mit dem Mann befasste.

      »Und holt einen Stallburschen, der sich um unsere Reittiere kümmert!«, fügte Wogar dem Befehl hinzu.

      »Jawohl, bitte, folgt mir«, verneigte sich der Gardist und führte uns in den umschlossenen Burgbereich.

      Über die Mauern und Gebäude der Burg hinweg ragte der Bergfried auf, dessen Zugang über eine Holztreppe erreichbar war. Zielstrebig wurden wir zu dem Zentralgebäude geführt und stiegen die knarrenden Stufen hinauf. Im Inneren erwartete uns ein alter Mann mit kurz geschorenen, grauen Haaren. Er trug eine Robe in den Farben des Banners und hielt einen langen Holzstab in der Hand. Seine tiefe Verneigung ließ mich schmunzeln.

      »Ich begrüße die Markgrafen der Ostmark. Ich bin Barnus, Ihr Haus- und Hofmeister.«

      »Dann führt uns ein wenig herum«, forderte Moi’ra.

      Er drehte sich zur Seite und verneigte sich erneut. »Sehr wohl. Wie Ihr seht, führt von dem Empfangssaal eine Treppe in die oberen Geschosse. Dort befinden sich die privaten Gemächer. Markgräfin, Markgraf, bitte, folgt mir.«

      Sein Stab pochte in regelmäßigen Abständen auf den Boden. Behäbig verschafften wir uns einen ersten Eindruck des neuen Domizils. Die Burg hatte zahlreiche Räume und war rustikal aus Holz eingerichtet. An den Verzierungen konnte ich die Kunstfertigkeit der Einwohner dieses Ortes bewundern.

      »Zunächst«, erklärte Barnus, »stehen für den Empfang der Gäste der Rittersaal und das angrenzende Kaminzimmer zur Verfügung. Im Saal wird gewöhnlich auch gespeist. Selbstverständlich servieren die Bediensteten die Speisen, wo immer es Euch genehm ist.«

      Nur mit Druck konnte der Haus- und Hofmeister eine sehr stabile Holztür öffnen. Lediglich eine Schießscharte flutete das nun von uns betretene Kaminzimmer mit gerade ausreichendem Licht, um den gewaltigen Kamin am Ende des Raumes zu erkennen. Jagdtrophäen mit Hörnern und Geweihen blickten auf den Gast hinab. Die beeindruckende Kriegsaxt eines Minotauren befand sich direkt über dem Kamin an der Schlotvorderseite, die beiden Seiten trugen jeweils einen Minotraurenschädel. Der Holzboden bestand aus schwarzem Buchenholz und war mit Tierfellen übersät. Vor dem Kamin befanden sich sechs breite, gepolsterte Sessel mit dunkelrotem Bezug. Schräg im übrigen Raum stand ein schwarzer Tafeltisch mit drei mehrarmigen Kerzenhaltern. Um ihn verteilten sich acht schwere Holzstühle mit hoher Rückenlehne. Alle zierte das Symbol der Ostmark.

      »Torvac hätte keinen Gefallen an diesen Trophäen«, flüsterte ich meiner Geliebten zu.

      »Aber nur«, betonte sie, »weil er sie nicht selbst erschlagen hat. Und die Axt wäre nach seinem Geschmack.«

      »Von hier«, erhob Barnus seine Stimme, »führt die Dusterkammer zu den im zweiten Obergeschoss befindlichen Gemächern. Der Lichtflur zur anderen Seite führt zum Rittersaal.«

      Beide Gänge waren geprägt von Rüstungen, Waffen und Schilden aller Art sowie Büsten und Statuen der Markgrafen von Ostmark samt Gemahlinnen.

      »Sollten Eure Herrschaften Änderungen wünschen«, gab unser Führer auf seinem Weg die Treppen hinauf zu verstehen, »so lasset sie mich wissen. Dank der zahlreichen Rohstoffe in der näheren Umgebung sind nahezu alle Umbaumaßnahmen möglich. Ah, hier ist das Gemach, dass der vorherige Markgraf für sich beanspruchte.«

      Barnus öffnete eine Doppeltüre aus dunklem Holz und führte uns in ein sehr ausladendes Gemach mit einem Luxus an Schnitzarbeiten und Stoffen, ausgesuchten Möbeln und angrenzenden Zimmern. Mehrere Stellwände in Form hölzerner Gitter teilten das Zimmer des vorigen Grafen und seiner Frau auf, ohne das Licht durch die hohen Bleikristallfenster abzuhalten. Auf einem quadratischen Tisch mit zwei einfachen Stühlen stand eine verzierte Vase mit frischen Mohnblumen. Direkt am Fenster wartete ein Schaukelstuhl mit dicker, dunkelblauer Decke auf einen Leser der Bücher aus dem schmalen Regal daneben. Über einer Truhe an der Wand funkelte ein Langschwert in seiner von Amethysten gezierten Scheide. Hinter den Wandschirmen wartete ein Himmelbett mit bauschigen, weißen Vorhängen auf das Herrscherpaar. Decken und Kissen waren in einem zarten Orange gehalten und mit Silberfäden durchzogen, deren Muster arkane Symbole formten.

      »In dem Oberbett«, flüsterte mir Yana zu, »sind Zauber eingewoben. Sie sollen den Schlafenden behüten und seine Zeugungskraft stärken.«

      Erheitert zwinkerten meine glänzenden Augen ihr zu. »Das nehmen wir!«, sagte ich und zog Yana an mich heran. Niemand erhob Einspruch.

      Wenngleich die weiteren Räume nicht so groß waren, so hatten viele ein nicht minder ansprechendes Innenleben. Wogar nahm sich ein rustikal eingerichtetes Zimmer auf dem gleichen Flur wie dem unsrigen und warf erst mal seinen Drachen heraus. Dieser wimmerte so herzzerreißend, dass sich der Halbdrache erweichen ließ und den Kleinen wieder in sein Gemach trug.

      Moi’ra verzichtete auf jeglichen Luxus. Ihre Kammer bot einer harten Liege und einer einfachen Kiste Platz.

      »Hofmeister?«, herrschte Moi’ra. »Wo ist der Baderaum? Die Reise war lang und beschwerlich.«

      »Ein guter Vorschlag, Moi’ra«, pflichtete ich ihr bei.

      »Der Baderaum für die Herrschaften befindet sich im zweiten Obergeschoss. Ich werde alles für ein Bad veranlassen.« Barnus verneigte sich und wandte