T. F. Wilfried

ATTENTI AL CANE! - e al padrone


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das Projekt gerade mal so viel ab, dass sie einen Teil der Energiekosten einsparen konnten.

      Windkraft war nicht nur wegen des bescheidenen Forecast Values kein Thema. Ihr Gehöft war Niststelle mehrerer Kranichpaare. Das letzte Windrad, welches in dieser Gegend genehmigt worden war, stand auf dem Grund des Bürgermeisters aus dem Nachbardorf. Was aber mit der Genehmigung vermutlich nicht das Geringste zu tun gehabt haben wird.

      Wie auch immer. Die Gemeinschaft hatte in finanziellen Dingen kein sonderlich glückliches Händchen und benötigte dringend eine neue und zuverlässige Einnahmequelle. Als solche hatten sie Kurt erwählt.

      Da ja das Landleben so gesund und erfrischend war, wollte man sich von den Wochenmärkten verabschieden und in den Tourismus einsteigen. Erlebnisurlaub in der Landkommune. Mit selbstgebackenem Brot, esoterischen Trainingsangeboten und einer eigenen Therapiegruppe für schwer erziehbare Kinder aus der Stadt.

      Fachlich waren sie da bestens aufgestellt. Nicht nur aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen auf dem Land und in der Kommune. Nein. Zur Gemeinschaft gehörten neben einer angehenden Kindertherapeutin weitere Fachkräfte aus dem weit gefächerten sozialen und pädagogischen Bereich.

      Und dann war da ja auch noch Pummelchen, der den Kindern Musikunterricht geben konnte. Alles perfekt durchgeplant, mit zuständigem Ordnungs-, Sozial- und Jugendamt bereits vorbesprochen und für gut befunden.

      Jetzt fehlte nur noch ein klein wenig Startkapital. Denn zumindest die sanitären Einrichtungen oder auch der Brandschutz bedurften einer leichten Anpassung an die gesetzlichen Auflagen.

      Wenn Kurt wollte, könnte er ja mit den Kindern später elektronische Versuche durchführen. Kurt dachte an seine vorübergehende Karriere als Disco-Techniker und wollte nicht.

      Am Tag nach der zeremoniellen Taufe ließ Kurt sich daher direkt von seiner Schwester zum Bahnhof Malente bringen und fuhr nach Hause. Die Abreise erkaufte er sich mit dem Zugeständnis, künftig monatlich einen finanziellen Beitrag zum Überleben der Landkommune zu leisten.

      Er stand zwar immer noch unter dem Einwilligungsvorbehalt seines Vermögensbetreuers. Aber das würde er dem Mann vom Amt schon abringen können. Immerhin war er ja jetzt frisch gebackener Patenonkel und hatte gewisse familiäre Verpflichtungen.

      Ganz wie es seine Art war, ließ der Sozialpädagoge auch die kleinste Kleinigkeit nicht aus. Tom-Tom war überrascht, wie genau er bis ins Detail unterrichtet war.

      »Das hat dir Kurt alles haarklein erzählt?«, fragte Tom-Tom verwundert. In seiner Erinnerung hatte Kurt zwar die Hilfe des Sozialpädagogen in Reha-Belangen gern in Anspruch genommen. Besonders viel gehalten hatte er von ihm aber nicht. Auch Kurt machte der wibbelige Sozialpädagoge nervös.

      »Nein, nicht alles. Das meiste weiß ich von Gundula. Du weißt doch, wie gut wir zueinander stehen!«

      Natürlich wusste Tom-Tom, wie intensiv und erfolglos der Sozialpädagoge die leitende Verantwortliche des Sozialen Dienstes der Klinik seit Jahren anbaggerte.

      »Kurt hat sein Logbuch regelmäßig mit Gundula durchgesprochen. Zu ihr hatte er Vertrauen. Auch in intimeren Dingen hat er sie häufig um einen Rat gebeten. So aus der Sichtweise einer Frau.«

      »Und dann hat dir Gundula alles brühwarm beim nächsten Fallgespräch präsentiert?« Na prima. So viel zum Thema vertrauliche Information. Tom-Tom war noch im Nachhinein empört. Es hatte ihn immer geärgert, wie unsensibel die sozialpädagogische Liga mit persönlichen und vertraulichen Informationen umging.

      »Nein, nicht alles. Soviel Zeit haben wir ja nicht. Gundula hat mir Kurts Logbücher gegeben. Und ich habe die kopiert und mit zur Akte genommen. Kurt konnte sehr präzise aufschreiben, was ihn bewegte.«

      Tom-Tom dachte nach. Wenn der Sozialpädagoge wirklich Kurts Logbücher besaß, fand sich da vielleicht ein Anhaltspunkt, der erklären konnte, was schiefgelaufen war in Norddeutschland. Und wieso Kurt im Pauli Trikot auf dem Friedhof in Altona gelandet war.

      Er nahm sich jedenfalls vor, die Logbücher einzusehen. Wenn der Sozialpädagoge sie zur Akte genommen hatte, würde er schon einen Weg finden, daran zu kommen. Das musste der Sozialpädagoge aber nicht unbedingt wissen. Er sollte seine Geschichte erst mal zu Ende erzählen.

      Tom-Tom rief in der Küche an und bestellt eine Kanne Kaffee für sich und eine Kanne Tee für den Sozialpädagogen. »Na dann erzähl 'mal weiter«, forderte Tom-Tom ihn auf.

       9 - Presbyter und Mongo

      Presbyter war zu seinem Spitznamen während seiner Zivildienstzeit gekommen, die er in einer evangelischen Gemeinde in einem Seniorenzentrum abgeleistet hatte. Sie hatten ihn dort einmal zu einem UEFA-Cup-Spiel in Belgien abgeholt (damals hieß das tatsächlich noch UEFA-Cup!) und waren von ihm auf das Strengste ermahnt worden, sich ja anständig zu benehmen. Immerhin war er ordentliches Mitglied des Presbyteriums.

      Wer sich an die letzten Fahrten mit dem Presbyter zu einem Spiel erinnerte - häufig genug mit dem Asi-Ticket, durch die Deutsche Bundesbahn fälschlicher Weise als Schönes- Wochenende-Ticket verkauft und damit geradezu eine Einladung zum kollektiven Besäufnis für diejenigen, welche es darauf anlegten -, konnte sich nur die Augen reiben.

      Gebügelte Hose und weißes Hemd?! Kein Schlabberlook in Jogginghose vom Wühltisch und T-Shirt in Pyramidenzelt-Optik mit Aufdrucken wie Pyrotechniker im Einsatz oder Lieber heute voll, als morgen Vollidiot?

      Am Autobahnkreuz Neersen war die Welt dann wieder in Ordnung und der Presbyter in gewohntem Outfit. Da es nach Belgien ging, hatte der Holländer für alle T-Shirts mit dem Aufdruck Manneken Pils mitgebracht.

      Die Alternative mit dem belgophoben Schriftzug »Nur ein frittierter Belger ist ein guter Belger« hatte die Druckerei angeblich in den Versand gegeben. Angekommen ist das Paket beim Holländer jedoch nie.

      Da der Holländer das erste Online-Angebot akzeptiert hatte, welches er auf seinem neuen Smartphone ausfindig machen konnte, wusste er nicht viel über die Druckerei. Der Avvocato sollte später recherchieren, dass die beauftragte Druckerei in Antwerpen ansässig war. Insoweit war die ausgebliebene Sendung sogar für den Holländer nachvollziehbar: »Nu ben ik twintig jaar bij de Kaasköpp. En ik begrijp nog steeds niet. Begrijp Internet komt later.«

      Zu der Zeit bekam man den Presbyter und Mongo nur im Doppelpack. Wo der Presbyter auftauchte, war Mongo nie weit. »Ey, Digger, lass mah auswärts fah’n!«, war Standardspruch zur Begrüßung.

      Mutti kümmerte sich um das Wochenendticket und die Umsteige-Stationen. Je nach Zusammensetzung war die Truppe in Dortmund, spätestens in Münster komplett, sofern alle den Zustieg geschafft hatten.

      Und dann legte der Presbyter los, erklärte die Welt. Während Mongo meistens den weiblichen Anteil der Fahrgäste im Zugabteil checkte, solange er noch nüchtern genug war, zu unterscheiden zwischen das mah 'ne Superbraut! und da woll'n wa mah lieber nich' den Bohrer ansetzen!

      Die peinliche Nummer mit dem affenscharfen Topmodel von neulich, welches sich dann bei intensiverer Leibesvisitation als gut gestylte Transe entpuppt hatte, war noch zu leibhaftig in Erinnerung.

      Wie Mongo zu seinem Spitznamen gekommen war, wusste niemand mehr. Möglicherweise lag es daran, dass er auf Tour sein Alter-Ego annahm, ständig sein breitestes Grinsen aufsetzte und zu keiner vernünftigen Antwort zu bewegen war.

      Er hätte allerdings ebenso gut natürlich-ICE heißen können. Denn es kam nicht selten vor, dass Mongo, noch leicht lädiert vom freitäglichen Fitnessprogramm - Stemmen, Kippen, Umfallen -, zu spät am Bahnhof ankam und so die Asi-Ticket-Truppe verpasste.

      Der Presbyter stand dann mit ihm in ständiger Verbindung via Handy und hielt eine Tür des Zuges auf, um dadurch die Abfahrt zu verzögern. Ein probates Mittel, den Zugbegleiter auf sich