Jennifer Weise

Ganz oder gar nicht!


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wäre, hätte ich gefragt“, versuchte sie noch zu erklären.

      Schließlich warf sie einen Blick in die Tüte, in der sie mehrere Kleider entdeckte.

      „Ziehen Sie sich an!“

      Jessica sah an sich herab, dass sie noch immer lediglich ein Handtuch trug, hatte sie völlig vergessen.

      „Es wundert mich, dass Kane so sehr auf deine Wünsche eingeht.“

      „Was für Wünsche?“

      Ron deutete auf das lange Nachthemd, das Jessica trug.

      „Das geht nicht anders.“

      „Was geht nicht anders?“

      Sie erklärte Ron, warum sie zurzeit keine Hosen tragen konnte.

      „Ist das so schlimm?“

      „Vielleicht bin ich auch bloß wehleidig.“

      Ron erwiderte nichts, stattdessen schob er sich einen von den selbst gebackenen Keksen in den Mund.

      „Würden Sie das Fenster kurz öffnen?“

      „Alleine traust du dich wohl nicht mehr?“

      „Nicht bei diesen Höllenviechern!“

      Ron lehnte sich gemütlich zurück, verschränkte die Arme und grinste Jessica an. Also nahm sie einfach sämtliche Kekse an sich.

      „Schon überredet!“

      Ron tat ihr den Gefallen und ließ frische Luft rein.

      „Warum hast du nicht sofort geschrieen, als du die Spinne sahst?“

      „Hab ich doch!“

      „Wann hast du sie entdeckt?“

      „Na, als Sie nach ihr greifen wollten.“

      „Wovor hattest du dann vorher Angst?“

      „Wann vorher?“

      „Als ich auf dich zukam, hast du plötzlich ganz schnell geatmet, als ob du Angst hättest.“

      …oder erregt war. Jessica wusste genau von welchem Moment er sprach, es war der Moment als sie seine Brust fixiert hatte, diese unwahrscheinlich attraktive Männerbrust. Wieder konnte sie es nicht verhindern, dass sie rot wurde. Jessica blickte zu Boden. Was sollte sie Ron sagen?

      „Du hattest Angst vor mir?“ gab Ron ihr selbst die Lösung.

      Anscheinend erwartete er darauf keine Antwort, für ihn schien alles klar. Er setzte sich wieder zu ihr.

      „Das ist in Ordnung, Jessica.“

       Erstaunt sah sie ihn an.

      „Sie sind nicht sauer?“

      „Vertrauen muss sich langsam aufbauen. Wir waren schließlich auch misstrauisch.“

      „Aber Misstrauen und Angst sind zwei unterschiedliche Dinge.“

      Ron sah sie nachdenklich an.

      „Sie haben keine Angst vor mir?“

      „Nein, Jessica.“

      „Nie gehabt?“

      Ron schüttelte den Kopf, stand auf und ging zum Schreibtisch. Als er neben dem Stuhl, auf dem ein knallrotes Handtuch hing, stand, musste Jessica augenblicklich wieder an das Treffen mit Anna denken.

      Ron versuchte sich auf seine Arbeit zu konzentrieren, was ihm mit Jessica in seiner Nähe nicht leicht fiel. Er war fast ein wenig enttäuscht, weil sie Angst vor ihm gehabt hatte. Aber er konnte sie auch verstehen.

      Warum schaffte diese Frau es bloß ihn immer wieder ihn aus dem Konzept zu bringen? Bei manchen Dingen, die sie von sich gab, überlegte er, ob sie vielleicht mit ihm flirtete. Aber diese Gedanken verwarf er grundsätzlich schnell wieder, schließlich wusste er, dass Jessica kein Interesse an Männern hatte. Sonst hätte er ihre schnelle Atmung, als er auf sie zuging auch anders interpretieren können. Allein der Gedanke daran, dass er Jessica durch seinen Anblick erregen könnte, sorgte dafür, dass es in seiner Hose eng wurde. Er sah zu Jessica rüber, denn er wollte auf jeden Fall vermeiden, dass sie davon etwas mitbekam. Da bestand allerdings keine Gefahr, sie schlief seelenruhig auf dem Sofa. Ron nahm sich einen Schlüssel aus dem Schrank, dann ging er leise zur Toilette und verschaffte sich dort Erleichterung.

      „Psst!“ zischelte Ron, als Ben das Wohnzimmer betrat und zeigte auf Jessica, die noch immer schlief. Er hatte sie lediglich mit einer Wolldecke zugedeckt.

      „Wieso schläft sie hier?“

      „Wenigstens schläft sie überhaupt mal.“

      „Wie meinst du das?“

      „Jessica ist fast jede Nacht auf.“

      „Alleine mit unseren Unterlagen?“

      „Sei nicht so misstrauisch, Ben!“

      „Bist du dir sicher, dass sie nachts nicht einmal am Laptop war?“

      „Sehen Sie doch einfach nach!“

      Die Männer sahen zu Jessica, die aufgewacht war und anscheinend einiges ihrer Unterhaltung verfolgt hatte.

      „Worauf Sie sich verlassen können!“

      Schon stand Ben vor dem Laptop und tippte.

      Jessica wartete das Ergebnis nicht ab, da sie es bereits kannte. Stattdessen ging sie in die Küche und bereitete das Frühstück zu.

      „Ich muss mich schon zum zweiten Mal entschuldigen, Miss Barnes.“

      „Müssen Sie nicht.“

      „Doch, ich…“

      „Ich entschuldige mich auch nicht dafür, dass ich Angst habe.“

      „Eine gesunde Angst kann einem das Leben retten“, erwiderte Ben.

      „Vorsicht und Misstrauen können das auch.“

      Es entstand eine kurze Pause.

      „Kaffee?“ bot sie Ben schließlich an.

      Er setzte sich an den Küchentisch, etwas später kamen auch die anderen Männer.

      „Ich weiß ja, es geht mich nichts an, aber trotzdem würde mich interessieren, ob Sie etwas Neues über Anna wissen.“

      „Jake hat Neuigkeiten“, verriet Kane und nicke Jake auffordernd zu.

      Gespannt sah Jessica Jake an.

      „Sie ist auf jeden Fall am Leben.“

      „Gott sei Dank!“ rief sie erleichtert.

      „Heute können wir allerdings nichts weiter tun, es kümmern sich Kollegen darum.“

      „Kollegen?“

      „Wie kommen wir an das Haus ran?“ ignorierte Ben ihre Frage.

      „So kompliziert?“ fragte Kane.

      „Die wollen am liebsten an ein kinderreiches Paar verkaufen.“

      „Dürfte ohne Anna schwer werden.“

      „Kann ich Ihnen helfen?“

      Die Männer sahen Jessica an.

      „Wobei wollen Sie uns helfen?“ fragte Kane.

      „Hörte sich an, als wollten Sie ein Haus kaufen. Gibt bloß Probleme, weil die Besitzer ein Pärchen mit Kindern wollen. Bei den Kindern kann ich nicht helfen, aber als Ehefrau könnt’ ich’s doch versuchen.“

      „Könnte funktionieren.“

      „Das ist viel zu gefährlich!“

      „Jessica, würden Sie uns bitte kurz allein lassen?“

      Etwa eine halbe Stunde später