Frank Hille

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 8


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Was meinen Sie, I WO?“

      „Wir sollten vorsichtig mit dem einen Diesel zurückhinken und nichts riskieren. Wir sind jetzt den 55 Tag in See und da kommt es auch nicht mehr darauf an, ob wir 2 oder noch 3 Tage bis Lorient brauchen.“

      „Hm, sehe ich auch so. Wollen mal hoffen, dass der Diesel durchhält. Und wenn nicht LI?“

      „Dann müssten wir tauchen und versuchen, mit Flaschenzügen den Zylinderkopf abzunehmen. Das würden wir vermutlich hinbekommen, aber wahrscheinlich würde die Dichtung dann ganz den Geist aufgeben. Und mit unseren begrenzten Mittel ein Ersatzstück anzufertigen dürfte unmöglich sein.“

      „Klingt ja alles nicht besonders gut, aber wir werden das Kind schon schaukeln. Mir ist das auch egal, wie lange wir noch bis zum Hafen brauchen, Hauptsache, wir kommen bis dorthin. Also hätscheln Sie den Diesel ordentlich, LI. Auf Sie und Ihre Männer kommt es jetzt an.“

      Martin Haberkorn ging in den Dieselmotorenraum und sprach mit dem Obermaschinisten.

      „Wir haben die Bolzen am Zylinderkopf noch mal richtig festgezogen“ antwortete dieser „das hilft schon n kleines Bisschen. Aber der Kompressionsdruck ist eben schlecht und der Treibstoff wird dadurch schlecht verbrannt. Langsam aber sicher verölt uns die ganze Maschine. Aber die letzten Meilen wird sie schon durchhalten. Wir schaffen das schon, Herr Leutnant.“

      Haberkorn nickte und ging durch die Sektionen des Bootes. Immer noch waren Männer dabei, verschiedene Aggregate zu reparieren. Die lange Wasserbombenverfolgung hatte ihre Spuren überall hinterlassen. In der Zentrale war wie üblich viel Glas zu Bruch gegangen, aber die Füllstandsgläser waren schon ersetzt worden. Glücklicherweise funktionierte die Steuerung ohne Probleme und der Luftverdichter und die Hauptlenzpumpe waren auch einsatzbereit.

      „Wird Zeit, dass wir wieder nach Hause kommen“ sagte der Obersteuermann zu ihm „das war diesmal keine Ausflugfahrt wie damals zum „Paukenschlag“. Ein Dampfer nach dem anderen lief uns vor die Rohre. Tja, die Zeiten haben sich eben geändert. Aber immerhin haben wir 6 Frachter erwischt und insgesamt 38.000 Tonnen sind ja auch nicht übel. Alles in allem haben wir unter dem Alten fast 150.000 Tonnen versenkt. Das ist ein ganzer Hafen voller Schiffe, das muss man sich mal überlegen. Vielleicht ist für ihn noch was an Auszeichnungen drin. Oder man lässt ihn aussteigen, denn so einen guten Mann will man doch sicher nicht verlieren.“

      „Meinen Sie, dass man das vorhat“ fragte Haberkorn.

      „Warum nicht. Es sind schon zu viele der Asse abgesoffen. Das ist nicht gut für die Moral der Männer, wenn wieder einer nicht heimkommt.“

      Haberkorn würde verstehen können, wenn man dem Kommandanten an Land ein Kommando übergeben würde. Der Kapitänleutnant machte aber nicht den Eindruck, danach zu streben.

      „Endlich wieder raus“ hatte er beim Auslaufen gesagt „dieser ganze Kram hier an Land geht mir mächtig auf die Nerven. Überall Männchen machen, die Besäufnisse im Kasino, das ganze hohle Gerede und das Theater drum rum. Da geht es doch bei uns hier an Bord schön geregelt zu.“

      Haberkorn verzog sich auf seine Koje, im Moment hatte er nichts zu tun. Früher waren die Boote meistens in der Nacht mit den Dieseln gefahren, jetzt hatte sich die gegenteilige Taktik eingestellt. Wegen der Gefährdung durch Flieger in der Nacht blieben die Boote zum Aufladen der Batterien tagsüber oben und tauchten mit Anbruch der Dämmerung. Dann würden die E-Maschinen laufen und in einer Tiefe von 25 Metern das Boot seinen Kurs auf den Hafen steuern. Mit 4 Knoten würde es knapp 80 Seemeilen unter Wasser schaffen, aber dann wären die Batterien fast vollständig leergefahren und der Kaleun würde sicher schon nach einer kürzeren Strecke zum Laden auftauchen lassen. Mit einer Geschwindigkeit von 7,4 Kilometern oder 4,6 Meilen pro Stunde würden sie nur langsam vorankommen, und für 60 Seemeilen mit Unterwasserfahrt mehr als 13 Stunden benötigen, aber so lange würden sie nicht unten bleiben, sondern schon kurz nach Beginn des Tagesanbruchs auftauchen und dann wieder mit dem Diesel fahren. Haberkorn bildete ganz einfach eine Durchschnittsgeschwindigkeit aus Über- und Unterwasserfahrt und rechnete mit 6 Knoten. Damit wären knapp 7 Seemeilen in der Stunde zu schaffen, 250 mussten sie noch zurücklegen. Das wären so um die 35 Stunden, also anderthalb Tage. Ihm war es lieber, jetzt ganz auf Sicherheit zu setzen und den Diesel nicht zu sehr zu beanspruchen, denn wenn die Maschine ausfiel könnten er und der LI nur wenig ausrichten.

      In der Nacht und bei E-Maschinenfahrt herrschte im Boot Stille. Nur wenige Männer, die für das Führen des Bootes verantwortlichen waren, waren munter, die in der Zentrale und im E-Maschinenraum. Für Haberkorn war es immer noch eine faszinierende Tatsache, dass er 25 Meter unter der Wasseroberfläche in seiner Koje unter dem blauweiß gemusterten Bettzeug lag und das Boot absolut ruhig und von den E-Maschinen angetrieben leise durch die See zog. Nach dem Auftauchen würde sich das alles ändern, dann mussten die Seewachen wieder aufziehen und in der Zentrale wäre mehr Betrieb. Er versuchte zu schlafen, und hoffte inständig, dass der Diesel durchhielt.

      Die letzten Wochen waren für die Männer vergleichsweise ruhig gewesen. Russen und Deutsche lagen sich in gut ausgebauten Stellungen im Bereich der Heeresgruppe Mitte gegenüber und bis auf örtlich begrenzte Angriffe hatte es nur wenige Aktivitäten gegeben. Üblicherweise beschossen sich die Gegner mit der Artillerie aber aufgrund der gut ausgebauten Stellungssysteme war die Wirkung nicht sonderlich hoch. Beide Seiten hatten die Zeit genutzt, die Deckungen ausgebaut und pioniermäßig verstärkt. So waren Beyer und seine Männer in einem mit einer massiven Holzdecke gut geschützten Erdbunker untergekommen. Durch die relative Ruhe auch an den anderen Fronten war die Stimmung der Soldaten nicht schlecht, und da auch der Nachschub funktionierte, gab es keinen Mangel an Munition und Verpflegung. Die deutsche Aufklärung hatte gestern festgestellt, dass südlich von Nowosil an der Bahnlinie zwei Panzerzüge aufgefahren waren, was als Indiz für einen bevorstehenden Angriff in dieser Gegend gedeutet wurde. Da an Beyers Frontabschnitt momentan nichts auf Attacken der Russen hindeutete, hatte man die Panzerkompanie bereits in den Morgenstunden in Richtung Nowosil in Marsch gesetzt. Dort waren die deutschen Infanteriekräfte nur schwach aufgestellt und sollten durch die Panzer verstärkt werden. Das Wetter war bis vor kurzem angenehm gewesen, aber vor drei Tagen hatte andauernder Nieselregen eingesetzt, der die Wege wieder schlecht passierbar machte. Beyer erinnerte sich gut an die Schlammperioden im Frühwinter und im Frühjahr und er erwartete wieder Probleme beim Marsch. Trotz dieser Befürchtungen kam die Einheit gut voran, und da der Aufmarschraum ungefähr nur 40 Kilometer entfernt war, trafen die Fahrzeuge schon am Nachmittag dort ein. Obwohl die Wehrmacht die Panzer üblicherweise selbst über kurze Strecken mit der Bahn verlegte, war das diesmal nicht möglich gewesen, da keine Eisenbahnlinie in vertretbarer Entfernung lag.

      Die Panzer hatten sich hinter den Infanteriestellungen in dem dahinter liegenden Wald getarnt. Die Stellungen waren sinnvoll angelegt worden und das durchgehende Grabensystem befestigt. Einige Pak und Feldgeschütze standen gut gedeckt mit am Waldrand, überdachte MG-Nester waren in die Verteidigung geschickt eingebaut. Vor den Stellungen lag freie Fläche, so dass die Panzer zeitig in den Kampf eingreifen könnten. Die Russen hatten die Gegend mit einigen kurzen Artillerieschlägen abgetastet und schossen sich offenbar ein. Beyer und seine Männer waren im Panzer verschwunden und die Infanterie in die Gräben abgetaucht. Zwischen den Einschlägen stiegen riesige Sprengwolken hoch, es mussten größere Kaliber sein, die jetzt vor den deutschen Stellungen hochgingen. Das Feuer hielt schon eine ganze Weile an und die Explosionen näherten sich den deutschen Stellungen. Selbst in dem 25 Tonnen schweren Panzer war die Wucht der Einschläge zu spüren und Fred Beyer war unbehaglich, als festes Ziel nichts tun zu können. Dann dachte er aber an die Männer in den Gräben, die zwar in ihren Erdbunker Schutz suchen konnten, aber der Gewalt einer größeren Granate würden die Holzdecken kaum standhalten können. Das Feuer steigerte sich nochmals aber die deutsche Artillerie antwortete nicht, um die eigenen Stellungen nicht zu enttarnen. Als die deutschen Geschütze dann doch losdonnerten wussten die Männer, dass die Russen den Angriff begonnen hatten. Das Gefechtsfeld war nahezu deckungslos und die Russen würden die Strecke bis zu den deutschen Stellungen schnell überwinden müssen.