Alfred Bekker

Killer ohne Namen: Ein Jesse Trevellian Thriller


Скачать книгу

      "Solche Transporte scheinen häufiger vorzukommen", meinte ich.

      "Wir sind eines der wenigen Unternehmen in unserer Branche, das diesen Standard aufweist. Das der Dollar immer noch eine relativ leicht zu fälschende Währung ist, liegt nicht an uns, sondern an der Regierung, die einfach kein Geld für wirklich innovative Neuerungen hat." Jennings redete sich geradezu in Rage. "Aus Sicherheitsgründen wäre ein Austauschen sämtlicher Dollar-Noten längst überfällig. Aber wer will das bezahlen."

      "Allerdings."

      "Wir bieten unsere Technologie übrigens weltweit an. Einige südamerikanische und asiatische Länder lassen ihr Geld mit unseren Verfahren drucken und wir warten auch die Druckanlagen. Wir hatten sogar schon Anfragen aus den ehemaligen GUS-Staaten, von denen ja jetzt jeder sein eigenes Geld produziert. Naja, Sie können sich denken, dass wir da eben ab und zu kostbare Teile hin- und hertransportieren müssen."

      "Ist das kein immenses Risiko?"

      "Es sind ja nicht jedesmal komplette Druckplatten. Manchmal auch elektronische Bauteile, mit denen höchstens die Konkurrenz etwas anfangen könnte. Aber bis jetzt haben wir nie Probleme gehabt, Mr. Trevellian."

      "Doch diesmal hat jemand genau Bescheid gewusst und entsprechend zugeschlagen", gab ich zu bedenken. "Und wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann hätte es den Gangstern auch wenig gebracht, einfach nur irgendeinen ihrer Transporte zu überfallen, weil das transportierte Gut dann zumindest für sie - wertlos gewesen wäre."

      "Das ist richtig." Duane Jennings nickte nachdenklich.

      "Haben Sie irgendeine plausible Erklärung dafür?"

      "Nein."

      In diesem Moment ertönte ein Summton. Jennings schaltete die Gegensprechanlage seines Büro ein.

      "Ich habe doch gesagt: Keine Störung!", fauchte er.

      "Mr. Jennings, es gibt Schwierigkeiten", säuselte eine Sekretärinnenstimme, der man die Verwirrung deutlich anhörte.

      "Hier ist Mr. Reilly von der EDV... Es scheint da ein Problem zu geben..."

      *

      Reilly war noch einen ganzen Kopf größer als ich, blassgesichtig und trug eine ziemlich dicke Brille.

      "Es scheint so, als hätte jemand an unserer EDV herummanipuliert", erläuterte er. "Jedenfalls ist eine E-Mail abgeschickt worden, kurz nachdem der Einsatzplan für den Transport eingegeben wurde."

      "Können Sie nicht ermitteln, wer von den Mitarbeitern zu der Zeit im System war?", fragte ich.

      "Sicher, das ist möglich."

      "Gut. Sie werden verstehen, wenn wir die befragen würden. Ich schlage vor, Sie rühren das System jetzt nicht mehr an."

      "Aber..."

      Reilly schien davon nicht begeistert zu sein.

      "Der FBI verfügt über Computerspezialisten. Lassen Sie unsere Leute da heran. Dann haben wir vielleicht eine Chance, zu rekonstruieren, was passiert ist!"

      In diesem Moment klingelte das Handy in Milo Tuckers Jackentasche. Er holte das Gerät heraus, nahm es ans Ohr und sagte ein paarmal "Ja."

      "Und?", fragte ich, nachdem das Gespräch beendet war.

      "Die New Jersey State Police hat zwei Kerle gefasst, die eine Bazooka im Kofferraum hatten. Einer der beiden starb bei einem Feuergefecht, aber der zweite Mann lebt."

      Immerhin, dachte ich. Das sah endlich nach einem Anfang in diesem Fall aus.

      *

      Die meisten Leute wohnen in Queens, um in Manhattan zu arbeiten. Bei Nathan Reilly war es umgekehrt und damit gehörte er zu einer Minderheit. Der Top-Job, den er bei McGordon Inc. innehatte, sorgte dafür, dass er sich eine Wohnung am Central Park West leisten konnte. Nicht gerade ein Penthouse, aber die Aussicht war auch aus dem 9.Stock traumhaft genug.

      Es war später als gewöhnlich.

      New York war bereits zu einem Lichtermeer in der Dunkelheit geworden.

      Reilly passierte den Security-Mann am Eingang dieses Mietshauses. Nur die wirklich guten Adressen leisteten sich diesen Luxus noch. Zumeist wurden die Sicherheitsdienste durch elektronische Überwachungsanlagen verdrängt.

      "Guten Abend, Mr. Reilly!"

      "Hallo, Jordan! Wie geht's?"

      "Ich beneide Sie, Sir. Sie haben schon Feierabend, mein Dienst beginnt erst."

      Reillys Lächeln war matt. Die Erlebnisse des heutigen Tages waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

      Er nahm den Aufzug.

      Wenig später stand er dann vor seiner Wohnungstür.

      Sie war nicht abgeschlossen.

      Reilly runzelte die Stirn. Er öffnete die Tür und trat ein.

      Die Wohnung war sehr großzügig - zumal für einen Single.

      Und für New Yorker Verhältnisse ohnehin, wo jeder bewohnbare Quadratmeter einer Wertanlage gleichkam.

      Reilly durchquerte das Wohnzimmer. Seine Aktentasche legte er auf einen der weichen, etwas klobigen Sessel.

      Die Tür zum Schlafzimmer stand einen Spalt breit offen.

      Dahinter war es dunkel.

      Reilly lockerte sich die Krawatte und schob sich die dicke Brille wieder den Nasenrücken hinauf.

      Dann ging Reilly zur Schlafzimmertür. Er gab ihr einen Stoß, so dass sie sich vollkommen öffnete.

      "Hallo, Darling!"

      Die rauchige, tiefe Frauenstimme wirkte elektrisierend auf Reilly.

      Er machte einen Schritt nach vorn.

      Auf dem breiten Bett räkelte sich im Halbdunkel eine aufregende Schönheit. Die langen Stiefel reichten ihr bis zur Hälfte der Oberschenkel. Der schwarze Lederfummel den sie trug, ließ die Körpermitte frei. Die wenigen Fetzen, mit denen sie bekleidet war, schmiegten sich geradezu perfekt an ihre aufregende Formen.

      Ihr Blick hatte etwas Herausforderndes.

      Eine Strähne ihrer blauschwarzen Mähne befand sich zwischen ihren großen, sinnlich wirkenden Lippen.

      "So magst du mich doch am liebsten, oder Darling?", hauchte die Leder-Lady.

      "Ja...", murmelte Nathan Reilly kaum hörbar. Er musste schlucken. Der ganze verdammte Tag bei McGordon Inc. war für ein paar Augenblicke vergessen. Mein Gott, dachte er.

      Die Leder-Lady zog einen Schmollmund.

      "Ich musste lange auf dich warten, Darling."

      "Ich weiß, Baby... Ich weiß..."

      "War irgend etwas Besonderes?"

      "Es gab Probleme in der Firma!"

      "Was denn für Probleme?"

      "Unwichtig, Baby!"

      "Komm schon, öffne dein Herz, Darling."

      Reilly kam näher. Ein Schritt noch trennte ihn von dem breiten Bett und dieser Traumlady. Reilly registrierte, dass ihre Brüste das knappe Lederteil um ihren Oberkörper beinahe zu sprengen drohten.

      Und dann blieb der Computerfachmann von McGordon Inc. abrupt stehen.

      Mit einer blitzschnellen Bewegung hatte die Leder-Lady etwas metallisch Aufblinkendes in der Hand.

      Eine Pistole.

      Der kalte Lauf war so blank, dass man sich darin spiegeln konnte. Und die Mündung war direkt auf Reillys Körper gerichtet.

      Ein teuflisches Lachen ging über die dunkelrot geschminkten Lippen der Leder-Lady.

      "Setz dich, mein Guter," säuselte sie.

      "Ja..."