Armin Odoleg

Ingenieure - Status und Perspektiven


Скачать книгу

Luftfahrtkonzern wollte eine neue Drohne, also ein unbemanntes Fluggerät, in Faserverbund-Kunststoffbauweise bauen. Nun hatte die Firma wenig praktische Erfahrung im Umgang mit diesen Kunststoffen (vgl. auch Einführung). Andererseits ist bekannt, dass es hierfür in Deutschland bei den Segelflugzeugbauern einen großen Erfahrungsschatz gibt. Dies, da Segelflugzeuge Luxusgeräte sind, bei denen alles „vom Feinsten“ verwendet wird. Aber es kam niemand auf die Idee, einen der Segelflugzeughersteller als technischen Berater hinzuzuziehen. Kunststoffbau ist Handwerk, was insbesondere von Vorständen gerne ignoriert wird. Diese gehen davon aus, dass man eine handwerkliche Fertigung an einem Tag aus- und drei Monate später wieder einschalten kann, was aber nicht funktioniert21 . Zurück zum Luftfahrtkonzern. Dies wäre neudeutsch eine Win-Win-Situation gewesen: Der Segelflugzeugbauer hätte im schwierigen Markt etwas dazuverdient und die Drohne wäre auf Anhieb gelungen. Aber man musste das Rad zum 10. Male neu erfinden und so wurde die Drohne alleine gebaut; Der erste Prototyp wurde krumm und schief, da man ihn zu früh aus der Form nahm. Man kann schließlich alles selbst. Man ist schließlich wer.

      Das ist überall so. Jeder will irgendwie jeden Fehler wiederholen und alles neu erfinden. Dass Fehler gemacht werden können wird nicht in Betracht gezogen, denn in diesem Falle würde man sie ja vorher kennen und man würde sie nicht machen. Man kann eben über den eigenen Horizont nicht hinausdenken.

      Für die Vermeidung von Fehlern gibt es kein Geld. Wohl aber für das nachträgliche Abstellen derselben. Damit wird schlampiger Arbeit Vorschub geleistet. Mehr dazu später. Vielleicht kann man den Dunning-Kruger-Effekt auch auf Institutionen erweitern. Oder jemand wollte (wieder einmal) mit Gewalt Geld sparen.

      Was im Allgemeinen „nach hinten losgeht“.

      ...ist, wenn der Kunde zufrieden ist“ erklärte mir einmal ein Verkäufer. „Qualität ist das beste Rezept“ lautet der Werbeslogan einer anderen Firma. Leider ist das für Ingenieure nicht so einfach – sie müssen für alles Zahlen liefern, mit der die Qualität eines Produktes oder auch einer Software definiert wird. Betrachtet man beispielsweise – das soll keine Schleichwerbung sein, die Firma ist beliebig austauschbar – den Vergleich eines VW Polo mit einem VW Passat. Der Passat kostet das Doppelte. Aber 2 m² Blech können es nicht sein, was die 10.000 Euro bis 15.000 Euro Mehrpreis ausmacht. Der Mehrwert steckt im Marketing und in der Qualität (oder sollte zumindest darin stecken). Und die Qualität ist in den Spezifikationen festgelegt: in diesen wird jedes Teil „spezifiziert“.

      Nimmt man beispielsweise einen Stab von 1 m Länge, den man fertigen will, so schreibt man in der Spezifikation, dass dieser Stab 1 m bzw. 1000 mm lang zu sein hat. Und dann kommt der entscheidende Punkt: Die Toleranz muss angegeben werden. Die legt fest, wie genau die Länge einzuhalten ist. Eventuell erfüllt der Stab seinen Zweck, wenn er nur 990 mm lang ist oder auch 1010 mm. Das ist dann die Toleranz 1000 mm ± 10 mm bzw. zulässig ist das Maß von 990 bis 1010 mm. Dann kann man ihn absägen; eine günstige Methode, den Stab abzulängen.

      Es kann aber auch sein, dass die Länge von 1000 mm ganz exakt eingehalten werden muss. Sagen wir auf ±1/100 mm. Also sind 99,99 bis 100,01 mm zulässig. Und dies macht den Stab teuer: Beispielsweise muss er zunächst wegen der Wärmedehnung des Materials auf eine spezielle Temperatur gebracht werden, um dann mit Überlänge abgesägt zu werden und um ihn zum Schluss beispielsweise auf Länge zu schleifen. Wenn er dann mit der niedrigen Toleranz, also mit den 1/100 mm geliefert wird, so ist seine Qualität höher als mit 10 mm Toleranz. Und die höhere Qualität kostet Geld. Und deshalb ist ein Passat deutlich teurer als ein VW Polo.

      Die Aufgabe des Ingenieurs liegt nun darin, die Toleranz möglichst hoch zu wählen, damit die Teile günstig werden gemäß dem Motto: „Gut genug ist der Feind des Optimums“. Leider ist es heutzutage fast normal, zu eng zu tolerieren, damit man auf der „sicheren Seite“ liegt. Daran erkennt man Ingenieure mit wenig Erfahrung.

      Die Qualität eines spezifizierten Gegenstandes ist somit quasi eine Eigenschaft desselben. Genau, wie beispielsweise gefordert wird, dass er grün ist, wird seine Länge von 1000 mm mit ±10 mm Toleranz gefordert. Und wenn Dinge produziert werden, bei denen es auf die Farbe ankommt, muss selbst der Farbton der Farbe toleriert werden.

      Wenn aber verkündet wird, dass „die Qualität verbessert werden muss“, was sogar Qualitätsmanager vertreten, so kann man feststellen, dass sie von diesem Prozess wenig Ahnung haben. Denn Qualität kann auf direktem Wege nicht verbessert werden. Sie ist in den Spezifikationen festgelegt und sie wird eingehalten oder nicht. Es kann lediglich dafür gesorgt werden, dass das Produkt den Spezifikationen gemäß gefertigt wird. Wenn dies nicht der Fall ist, so man muss überlegen, warum. Oder die Spezifikationen muss geändert werden, wenn der Gegenstand diesen entspricht, das Produkt aber dennoch nicht gekauft wird. Im Folgenden wird gezeigt, inwieweit gerade die Ingenieure, die diese Regeln kennen, überhaupt eine Chance erhalten.

      Ein Detail sei noch erwähnt: Zahlen oder Anforderungen, die in Spezifikationen vorkommen, sind im Allgemeinen fix und müssen eingehalten werden, um die Qualität zu erreichen. Es hat sich jedoch als sinnvoll erwiesen, diese Zahlen während eines Projektes kontinuierlich zu überprüfen, da sich unter Umständen Randbedingungen geändert haben, die die Spezifikation und somit Zahlen oder Anforderungen und damit auch die Kosten beeinflussen.

      Es ist klar, dass es schlechte Nachrichten geben muss. Es geht immer einmal etwas schief22 . Gleichzeitig sagt man, „dass der Überbringer der schlechten Nachricht getötet wird". Sie sind unangenehm und zerstören das Weltbild, das man sich mühsam geschaffen hatte.

      Schlechte Nachrichten resultieren häufig aus Fehlern, die Gefunden wurden. Einen Fehler definiere ich hier als Zustand, bei dem entweder etwas gegen den aktuellen Stand der Technik verstößt oder bei dem die Spezifikationen nicht erfüllt sind oder etwas sich so darstellt, dass die Spezifikationen nicht erfüllt werden können. Zunächst muss aber ein Fehler überhaupt erst festgestellt werden. In diesem Falle existieren mehrere Optionen: Der Fehler ist wichtig oder man kann ihn ignorieren. Dies kann nicht immer auf Anhieb erkannt werden. Bisweilen sind aufwändige Berechnungen notwendig, die zeigen, inwieweit der Fehler Relevanz hat. Die Konsequenz ist, dass man als „Fehlermelder“ das Risiko eingeht, viel Wirbel um nichts zu erzeugen. Wenn man vor einem Fehler die Augen verschließt, geht man somit in keinem Falle das Risiko ein, dass man Arbeit macht, von der sich im Nachhinein herausstellt, dass sie unnötig war. Zudem man, wie beschrieben, sich immer unbeliebt macht, weil man schlechte Nachrichten überbrachte. Aus diesem Grunde werden Fehler sehr gerne einfach ignoriert.

      Aus Fehlern lernt man eigentlich. Mit Sicherheit sind schon viele Patente aus Fehlern entstanden: Es bedeutet oft viel Arbeit, Fehler zu finden um sie dann kostengünstig abzustellen. Hier ist Systematik und auch Wahrnehmung gefragt. Die Methoden zur Fehlervermeidung legen die Normen „ISO 9000“ bzw. „ISO 90XX“ fest. Diese Normen unterstützen Firmen und auch Ingenieure darin, aus Fehlern systematisch zu lernen. Das haben aber scheinbar wenige so richtig verstanden. Oder wollen es nicht verstehen. Bei allen Dingen im Leben gab es Personen, die über etwas nachdachten und die Ergebnisse in Regeln, Gesetze und Normen „gegossen“ haben. Man muss sich nicht zum Sklaven derselben machen, aber im Allgemeinen steckt ein gewisser Sinn hinter Normen und Richtlinien.

      Da somit die Karriere gefährdet wird, wenn man schlechte Nachrichten wie beispielsweise einen detektierten Fehler überbringt, überbringt man eben keine. Wer nichts anfasst, macht auch nichts kaputt. Zumal andere Leute auch immer nur gute Nachrichten bringen. Sonst würde man sich negativ abheben und somit wird immer nur „Kein Problem“ an die nächsthöhere Stelle gemeldet.

      Bei extremen Leistungsproblemen einer Serie wurde ich beispielsweise angewiesen (mündlich – logisch), nicht zu schreiben, dass die eine Serie schlechter als die andere ist – nein, die andere musste besser als die eine sein, obwohl die eine so schlecht war, dass sie dadurch faktisch nicht verkauft werden konnte. Die Gefahr war offensichtlich gegeben, dass der Bericht dem Firmeninhaber in die Finger fällt und dieser bekommt von jedem immer nur positive Rückmeldungen. Weiterhin wollen obere Führungskräfte gar keine schlechten Nachrichten.

      Dies