Frank Hille

Gefangen - Unter Wasser und Beton


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den Schirm und sah die ersten Echos.

      Ohne jegliche Aufregung griff er zum Feldtelefon und als er am anderen Ende eine Stimme hörte meldete er routiniert:

      „Ziele in zirka 130 Kilometer Entfernung. Generalkurs Südost.“

      Der junge Pilot hatte seine Bf 109 „Traudel“ getauft, der Name seiner Verlobten. Auf der Motorverkleidung prangte dieser Schriftzug in sattem Rot. Der Kommodore hatte nichts dagegen, dass seine Männer so etwas taten. Morgen konnten sie tot sein sagte er sich. Mit der Maschine explodiert. Von Geschossen durchsiebt. Nicht aus der Mühle rausgekommen und in einem Feuerball beim Aufschlag verglüht. Sollen sie an ihre Mädels denken, das spornt an. Jeder will ein Held sein und möglichst viele vom Himmel holen.

      Er trug den linken Jackenärmel in einer Schlaufe. Der Arm lag seit 1941 irgendwo in Russland in einer Grube, zusammen mit anderen amputierten Gliedmaßen. Seine Karriere begann hoffnungsvoll, die Russen ließen sich zu Beginn des Krieges abschießen wie flügellahme Tauben. Er war talentiert, mit einem Gespür für die Kampfsituation. Schnell hatte er 30 Abschüsse auf seinem Konto. Als er bei einem weiteren Einsatz 5 I16 und 3 Mig herunterholte gab es das Ritterkreuz. Mag sein, dass er zu sehr an sich und seine Fähigkeiten glaubte, eines Tages war er nachlässig und hatte die Rotte Mig übersehen, die aus der Sonne auf ihn stießen. Ehe er reagieren konnte hämmerten die Bordkanonen in den Motor und die Tragflächen. Er war zu tief, um springen zu können. Obwohl sein Arm höllische Schmerzen ausstrahlte schaffte er es doch irgendwie, die Maschine in der Luft zu halten und im Tiefflug über die Wälder zu huschen. Feuer schlug ihm ins Gesicht, denn der Motor lief zwar noch, aber brannte mit einer lodernden Flamme. Er erreichte den Platz, konnte noch landen und dann wusste er nichts mehr.

      Als er aufwachte war etwas anders. Der Blick auf die Bettdecke zeigte es ihm. Sein linker Arm bestand nur noch aus einem Teil Oberarm. Ein Arzt trat an sein Bett.

      „Da konnten wir nichts mehr tun, ohne Amputation wären Sie tot. Und das mit dem Gesicht ist zwar nicht schön, aber Sie können noch sehen. Nach und nach heilt es auch das Gesicht wieder, es wird allerdings nie wieder so sein wie früher.“

      Das mit dem Gesicht?

      Der Arzt brachte ihm einen Spiegel.

      Ein Monster blickte ihn an. Feuernarben überall, nur um die Augen, wo seine Fliegerbrille gesessen hatte, sah man Inseln gesunder Haut.

      Keine Haare mehr.

      Er schrie nur noch.

      Nach einer Woche konnte er langsam wieder klar denken. Nun war er beinahe froh, dass seine Frau im Hamburg bei einem Luftangriff umgekommen war, denn so wäre er ihr nie wieder entgegen getreten. Auch stand für ihn fest, dass er den Krieg nicht überleben wollte. Als eine Nachricht des Personalamtes eintraf, dass er aufgrund seiner Verwundungen invalidisiert werden sollte, lehnte er ab und bat um eine Frontverwendung gemäß seiner noch verbliebenen Eignung. Er brachte das Ritterkreuz mit ins Spiel. Kurz danach kommandierte ihn das Personalamt nach Frankreich ab, wo er eine Jagdfliegerstaffel übernehmen sollte. Er erbat sich nur den Transport mit einem PKW, denn noch hatte er sein Aussehen nicht akzeptiert und wollte es anderen nicht zumuten. Die Männer der Staffel traten ihm von Anbeginn mit Respekt gegenüber. Das war nicht das Ritterkreuz, sondern sie sahen einen Mann, der geschunden war und trotzdem weiter seine Pflicht tun wollte. Was ihn dazu bewegte, konnten sie nicht ahnen. Fliegen würde er nie wieder können, er konnte ihnen nur mit seiner Erfahrung helfen. Ihnen den Vater ersetzen, denn mit seinen 32 war er für sie uralt.

      Als das Telefon klingelte und den Gegner meldete, rannten die Piloten zu den Maschinen. Die Warte halfen ihnen in die Gurte und nach 5 Minuten waren 32 BF 109 in der Luft.

      Brown meldete sich über die Bordsprechanlage.

      „Jungs, in 15 Minuten ist mit Zielkontakt zu rechnen. Haltet die Augen offen. Nicht ausgeschlossen, dass die Krauts gewarnt sind. Over.“

      Die Formation flog geordnet, begleitet von den Jägern. Der Masterbomber gab Nachricht.

      „Sinken auf 2.000 Meter. Ziel liegt 30 Kilometer vor uns. Mit Flakabwehr ist zu rechnen. Allerdings nur leichte Flak, keine Achtacht. Feindflugzeuge negativ. Over.“

      Die Armada ging in eine leichte Rechtskurve, alles sah aus wie choreographiert. Scheinbar mühelos hielten die Besatzungen die Höhen und Abstände ein. Noch 10 Minuten, noch 5. Brown war erleichtert, dass sie ihren Auftrag wahrscheinlich ohne lästige Störungen durch die Jäger erledigen konnten. Wolkenfetzen zogen an den Cockpitscheiben vorbei.

      „Sinken auf 1.000 Meter“ kam es vom Masterbomber. „Angriff beginnt in 2 Minuten. Waffenschächte öffnen.“

      Wilson betätigte den entsprechenden Schalter. Nicht passierte. Er meldete es Brown. Sie hatten nicht mehr viel Zeit bis zum Ziel.

      Die Piloten waren nervös. Über Funk hatten sie erfahren, dass zirka 40 B 17 mit Jagdschutz einflogen. Die P 51 war ihren Maschinen in etlichen Leistungsdaten überlegen, relativ einfach zu fliegen und mit vier 20 mm Kanonen gut bewaffnet. Sie hofften, dass ihre Kampferfahrung Vorteile bringen würde. Die Staffel flog in 3.000 Meter Höhe und wurde durch die Freya an den Gegner herangeführt. Der Himmel war wolkig. Kurt bevor sie Amiens erreichten sahen sie die ersten Explosionen am Boden und den Bomberschwarm in zirka 1.000 Meter Höhe. Der Staffelführer gab den Angriffsbefehl. Den Höhenvorteil und damit den Geschwindigkeitsüberschuss ausnutzend stürzten die Maschinen in Gruppen auf die Bomber. Sie wussten, dass sie nur einmal in dieser günstigen Situation waren, denn wenn die amerikanischen Jäger in den Kampf eingriffen heiß das, gleichzeitig die Jäger auszukurven und die Bomber zu attackieren.

      300 Meter über den Bombern begannen die ersten BF 109 zu feuern. Die Einschläge wanderten über die Tragflächen und Rümpfe. Eine B 17 sackte mit brennenden Steuerbordmotoren aus der Formation heraus. Bei einer zweiten brach die rechte Tragfläche ab, eine dritte zog eine Rauchschleppe hinter sich her. Dann waren die BF 109 unter dem Schwarm und die P 51 griffen in den Kampf ein.

      Der Top Turret Gunner sah die BF 109 erst, als bei einer Maschine vor ihnen in der Formation Stücke aus der Tragfläche flogen. Erschrocken feuerte er die MG ins Blaue ab. Im gleichen Moment hörte er die Waffen in Heck hämmern. Sie waren in der Formation weit hinten und es war folgerichtig, dass die Deutschen den Schwachpunkt der Verteidigung ins Visier nahmen. Brown im Cockpit vernahm mit Besorgnis, dass auch Wilson im Kugelturm unter dem Rumpf das Feuer eröffnete. Den Bruchteil einer Sekunde später erschütterte eine Explosion das Flugzeug.

      „Schäden melden“ schrie Brown in die Bordsprechanlage.

      „Beide Motoren Steuerbord brennen“ brüllte der Waist Gunner Theodoris, der freien Blick auf diese Seite hatte, mit Panik in der Stimme.

      Brown reagierte zu seiner Verwunderung so, wie er es sich oft vorgestellt hatte. Er stellte die Maschine auf den Kopf, immer die Formation im Blick um keinen anderen zu rammen, und ließ den Bomber fallen. Natürlich war damit zu rechnen, dass sich die Deutschen über ein so leichtes Ziel hermachten. Inständig hoffte er aber, dass die P 51 das zu vermeiden wussten. Er war jetzt auf 700 Meter Höhe und musste alle Kraft aufwenden, um das Flugzeug mit Hilfe der Ruder zu trimmen.

      „Theodoris, beobachte die Motoren und gib mir laufend Bericht“ instruierte er den Waist Gunner.

      „Baker, siehst du Jäger“ war seine hektische Frage an den Tail Gunner.

      Er bekam keine Antwort.

      „Baker, antworte!“

      Er musste sich gleichzeitig darauf konzentrieren, die Maschine