Franz Ertl

Der Sohn des Glücklichen


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erzählen, dass du Keith Richard persönlich kennst?« »Ich denke, ich kenne jetzt das Geschäftsmodell von Ihnen«, sagte die Dame mit der schön gebräunten Haut, die der Sommerrock bekleidete. »Was meinen Sie?« sagte Theo etwas verlegen und nippte hastig an seinem trockenen Martini. »Ja ich denke, dass Sie die Bücher selbst signieren.« Alle Augen waren jetzt auf Theo gerichtet, der sich ertappt fühlte und jetzt nur zwei Möglichkeiten hatte, entweder alles abzustreiten oder nach vorne zu gehen und sich zu rechtfertigen. »Also gut, es stimmt, dass ich einige Biographien selbst signiere und Widmungen schreibe. Ich muss doch sehen, wo ich bleibe.

      Die Welt möchte doch betrogen werden, wir werden doch alle betrogen und wenn ich Menschen eine Freude machen kann, es kann doch nicht so falsch sein.« Leo bekam einen Lachanfall, auch alle anderen waren amüsiert, obwohl man sich einig war, dass es Betrug war. Aber es gibt ja nicht nur berühmte Kunstfälscher, die den Markt aufgemischt haben. Und außerdem, meinte Theo, gibt es doch die wirklich großen Betrüger in der Lebensmittelindustrie, Automobilindustrie, die Banken und viele andere, die uns täglich übers Ohr hauen, die Gerechtigkeit wohnt in einer Etage, zu der die Justiz keinen Zutritt hat. Da wären seine „frisierten“ Antiquariate harmlos dagegen. »Was ist schon ein Bankraub, gegen die Gründung einer Bank.« zitierte er Bert Brecht. »Könnten wir uns nicht auch aufs Du einigen, jetzt wo wir sozusagen Komplizen bzw. Mitwisser von Theo sind« meinte Paco in Richtung der Damen. »Können wir, sagte die Dame mit dem roten Ohrgehänge, »ich heiße Betty«, »mein Name ist Stella«, sagte die andere. »Leo, Theo und ich bin Paco« ergänzte der Arzt. Mittlerweile hatten die beiden Jungs, die sich den Abend mit Poolbillard verdienten, das Lokal verlassen. Keiner der beiden hat nur einen Cent gebraucht. Sie hatten wieder willige Opfer gefunden. Als der Billardtisch im Obergeschoß frei war, schlug Leo vor, man könne sich doch nach oben begeben um eine Partie zu spielen.

      Die drei Herren und die zwei Damen gingen nun die Wendeltreppe hoch. Zuerst Leo, dann Paco, danach Theo, es folgten Betty und Stella. Ich musste zwar jetzt Stiegen steigen, um die Getränke zu servieren, aber alleine Stella zu beobachten, wie sie als letzte die Treppen hinaufstieg, war es wert. Da es eine Wendeltreppe war, sah ich sie einmal von hinten, dann wieder von vorne und wieder von hinten. Es war ihr nicht entgangen, dass ich sie beobachtete und sie schritt die Treppen hinauf, als ob sie es mit einem Choreographen einstudiert hätte. Als ich sie in der Drehung in Richtung Bar sah, schenkte sie mir ein Nun-gefällt-dir-was-du-siehst - Lächeln. Ich genehmigte mir selbst auch einen Drink und in diesem Moment wäre es mir lieber gewesen, ich wäre Gast und nicht Gastgeber, aber der Abend war noch nicht zu Ende. Trotz ihrer hochgeschlossenen Bluse und ihres relativ langen Rockes, oder gerade deshalb, war sie sich ihrer erotischen Ausstrahlung bewusst. Es war aber nicht nur ihre Figur, die einen fesselte, es war vielmehr ihr Gesicht, oder besser gesagt ihr Gesichtsausdruck. Natürlich, sie hatte volle Lippen, hohe Wangenknochen, aber alleine diese Attribute machen eine schöne Frau noch nicht aus, sie hatte grüne Augen, weniger als zwei Prozent der Menschen haben grüne Augen. Aber nicht nur, dass sie zu den zwei Prozent gehörte, sie wusste einfach mit ihrer Körpersprache, mit ihrer nonverbalen Ausdrucksweise umzugehen.

      Es war nicht einstudiert, obwohl es zeitweise so wirkte, es war wahrscheinlich angeboren. Ihre dunkelblonden Haare waren nicht gefärbt, sie hatte keine gefärbten Strähnchen im Haar, ihre Strähnchen waren von der Sonne gefärbt. Wie überhaupt glaube ich, dass diese Frau, mit dieser natürlichen Ausstrahlung, ein Wunder der Natur war. In der Gastronomie lernt man viele Menschen kennen. Man liest die Menschen, schätzt sie ein, schubladisiert sie, teilt sie in arm, in reich, in hässlich, in hübsch, in durchschnittlich ein, aber oft täuscht man sich auch, sieht auf den zweiten Blick oft einen anderen Menschen. Jedoch gibt es Menschen, von denen man vom ersten Augenblick fasziniert ist und kann seine Augen und seine Gedanken nicht mehr von ihnen lassen. Stella war so eine Frau. Paco hatte wenig Interesse Billard zu spielen. Er wollte lieber mit den Damen oder zumindest mit einer an dem kleinen Tischchen sitzen, das auch noch oben stand. Da nur zwei Stühle an dem Tischchen standen, bat Leo mich, ob ich nicht noch drei Stühle von unten bringen könnte. Dieser Bitte kam ich gerne nach, um mir ein Danke von Stella abzuholen. Leo und Betty legten sich die Billardkugeln zurecht, kreideten die Queuekappen ein und begannen zu spielen. Paco und Stella nahmen am kleinen Tischchen Platz. Theo setzte sich zu ihnen, wandte sich aber eher den Spielenden zu.

      Leo war ein guter Pool-Spieler, man sah sofort, dass er nicht zum ersten Mal spielte. Aber auch Betty beherrschte es, die Kugeln zu versenken. Da ich auch oben Lautsprecherboxen montiert hatte, konnten die fünf weiterhin Musik hören. Ich stellte mir immer zuhause einen Musikmix für den Abend zusammen. Die Reihenfolge der Lieder konnte ich dann mittels Mausklick am Computer individuell, je nach Stimmung im Lokal verändern. Ich hatte natürlich meinen eigenen Musikgeschmack, den ich meinen Gästen aber durchaus zumuten konnte und der auch immer großen Anklang fand. Da in mein Lokal eher reiferes Publikum kam, war die Musik aus der Vergangenheit und nicht aus der Gegenwart. Leo und Paco gingen auf die Toilette. »Sag einmal Leo, stehst du eher auf dunkelhaarige...« »Warum fragst du?« fiel ihm Leo in´s Wort. »Naja, die Mädls sind ja beide nicht zu verachten und der Abend ist ja noch jung, also könnten wir doch die Prioritäten besprechen.« »Du meinst wohl deine Prioritäten.« »Nein, ich habe ja keine, ich würde ja beide...aber. Bist du eigentlich verheiratet? Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich meine, wenn du verheiratet bist, Treue ist ja okay.« »Ich bin geschieden und derzeit auch in keiner festen Beziehung« sagte Leo. »Weißt du Leo, ich sage immer, lieber stop and go als gar keinen Verkehr.

      Du solltest es nicht zu einem Stau kommen lassen, da ist es dann schon besser, wenn du ins Puff zur Wurzelbehandlung gehst.« Leo musste lachen und dann lachten beide und waren in diesem Moment froh, sich kennengelernt zu haben. »Was ist eigentlich mit Theo?« wollte Leo wissen. »Was soll mit ihm sein?« »Der ist doch eher mit seiner Literatur und seinen Filmen in Beziehung, oder vielleicht ist er schwul.« »Nein, nein, schwul ist der nicht.« »Woher willst du das wissen?« »Ich habe ihn beobachtet, wie er die Mädels angesehen hat, der ist hetero.« »Also, ich denke du verstehst dich ganz gut mit Betty, oder?« »Du willst also jetzt schon das Fell verteilen, obwohl wir nicht einmal wissen, ob diese Rehlein erlegt werden wollen.« »Alle wollen erlegt werden, glaub mir. Ich spreche nicht nur als Mann sondern auch als Frauenarzt. Ich bin sozusagen Frauensachverständiger, und als solcher kann ich dir sagen, Frauen sollten wie Polizeihunde sein, folgsam, willig, demütig und scharf. Ich kenne die Frauen, innen und außen. Ich habe schon mehr Muschis gesehen als Warren Beatty.« Beide schüttelten ab und Leo schüttelte auch seinen Kopf. Als die beiden zurückkamen tanzte Theo mit Betty und Stella auf den wenigen Quadratmetern die zwischen Tisch, Stühlen und Billardtisch frei waren. Hot Chocolate sangen »You sexy thing.« Theo tanzte zwischen den zwei Frauen, die sich perfekt zum Rhythmus bewegten und ihn immer wieder mit ihren Körperteilen berührten.

      Sie sangen alle drei den Liedtext mit, Theo wurde sehr laut, er legte er sich mächtig ins Zeug. »Weißt du jetzt, dass er nicht schwul ist« sagte Leo mit einem Grinsen zu Paco. Die beiden gesellten sich auf der engen Fläche antanzend dazu. Ich konnte die Tanztruppe von unten auf meinem Monitor sehen. Die obere Etage hatte eine Überwachungskamera, die aber sehr gut getarnt war. Einerseits wusste ich, welche Musik ich spielen musste, um die Laune der Leute und den Umsatz zu steigern, andererseits hätte ich gerne mit Stella alleine getanzt, und zwar ganz eng. Ich stellte mir vor, dass wir einen Tango tanzen. Immer wieder auseinander und dann wieder eng zusammen. Ich würde meinen Oberschenkel zwischen ihre Beine schieben. Sie würde mich wegstoßen um mich beim nächsten Takt gleich wieder zu sich ziehen um mich noch enger an sich zu drücken. »Barmann, wir haben Durst!« kam es von oben, so wurde ich von meiner Phantasie in die Realität zurückgeholt. Als ich die Drinks serviert hatte und wieder hinter meiner Bar stand, betrat ich erneut meine Phantasiewelt. Ich stellte mir vor, dass die drei Männer bald so abgefüllt sein werden, dass ich praktisch den Retter für die Damen spielen musste.

      Ich malte mir folgendes Szenario aus: Theo hing über der Toilette und kotzte sich alles raus was drinnen war. Paco und Leo prügelten sich um Betty und Stella, oder nein, anders - Theo kotzte, das konnte bleiben, aber Leo ging mit Betty nach Hause und Paco bekam einen Anruf, dass er dringend in seine Praxis müsse. Jetzt wären Stella und ich alleine und sie könnte mir den Ich-habe-gewusst, dass-es-passieren-würde-Blick zuwerfen. »Träum weiter!« hörte ich jemanden sagen. Es hat aber nicht mir gegolten, die Herren mussten sich jetzt beweisen