Carina Zinkeisen

Ich bin Isabella


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stockte und Elodie hielt den Atem an.

      „Sie kommt zurück. Wegen Ihrer Diplomfeier. Hauptsächlich wegen der. Nicht wegen mir, weißt du“, fuhr Vanessa fort. „Sie, sie hat sich in London verliebt. In London und in eine Frau. Eine andere Frau. Sie heißt Sarah und ist Doktorandin in englischer Geschichte. Siehst du, Elly, Elizabeth toppt Maria Theresia.“

      Vanessa hörte sich traurig an und Elodie griff tröstend über den Tisch nach ihrer Hand, das jubelnde Gefühl in ihrem Herzen verzweifelt ignorierend.

      „Das tut mir sehr leid, Ness“, sagte sie leise und Vanessa schüttelte sachte den Kopf.

      „Muss es nicht, Elly, war eh eine never ending story, ein auf und ab, on and off, du weißt ja. Ich habe einiges an ihr geliebt, aber ich konnte mich nie auf sie verlassen. Sie war nie meine Seelenverwandte. Nie wie du. Und jetzt…“ Vanessas Stimme brach und es schnürte Elodie das Herz zu. „Jetzt erzählst du mir, was los ist. Du siehst nämlich aus, als hättest du gar nicht geschlafen.“

      Elodie nickte und sah sich im Sacher um. Überall lachende und schwatzende Menschen. Keiner, der Notiz von ihr und Vanessa nahm. Sie atmete tief ein und aus.

      „Ich erzähl dir alles, aber du darfst mich nicht unterbrechen, bis ich fertig bin und auch nicht für verrückt halten. Denn das was ich dir erzähle, ist verrückt. Komplett verrückt.“ Und dann begann sie Vanessa langsam alles zu erzählen. Wie sie gegoogelt hatte, ob es lesbische Prinzessinnen gäbe, wie sie dabei auf Isabella von Parma getroffen war, dass Isabella aussah wie sie selber und ihre Schwägerin Marie Christine geliebt hatte und nicht ihren Ehemann Joseph. Wie Isabella mitten in der Nacht in ihrem wunderschönen silberfarbenen Brokatkleid auf ihrem Computerstuhl gesessen hatte. Dass Isabella ihr ihre Geschichte, die auch ihre eigene war, erzählen wollte. Wie sie von Isabella geträumt hatte und in diesem Traum Marie Christine geküsst hatte. Dass Marie Christine so ausgesehen hatte wie Vanessa erwähnte Elodie lieber nicht, denn Vanessa war ja gerade frisch getrennt und sie wollte sie nicht verwirren.

      „Das war alles“, sagte sie leise.

      „Hammer“, flüsterte Vanessa nach einer gefühlten Ewigkeit. „Ich meine, ich kenn Isabella und ja sie sieht aus wie du.“

      „Und dass ich“, Elodie spürte, dass sie sich kläglich anhörte. Nervös knetete sie ihre Serviette und sah Vanessa gebannt an.

      „Ich wusste es schon immer. So wie du mich manchmal angesehen hast und dann das Mädchen in der Zehnten. Die blonde, du weißt, wen ich meine“, erwiderte Vanessa betont leichthin.

      „Anna“, sagte Elodie leise mit geschlossenen Augen. Anna, die in der Zehnten in ihre Klasse gewechselt war. Sie hatte Annas Blicke auf sich gespürt und Vanessas Eifersucht. Die beiden hatten einander vom ersten Blick abgrundtief gehasst, weil beide in Elodie verliebt gewesen waren. Und Elodie hatte es genossen. Begehrt zu werden, zu begehren. Und dennoch war sie froh gewesen, als Anna nach der Zehnten die Schule gewechselt hatte und nur noch sie und Vanessa übrig geblieben waren. Rom, die Nacht in Rom, immer wieder fiel ihr die Nacht in Rom ein. In der Zehnten hatte sie schon angefangen mit Viktor auszugehen, den sie über einen Tanzabend kennengelernt hatte. Und Vanessa hatte sich mit Greta aus der Kollegstufe angefreundet, mit der sie ihre Liebe zur österreichischen Geschichte teilte und bald auch mehr. Es hatte wehgetan, aber sie hatte Viktor gehabt und Vanessa war immer Vanessa geblieben, ihre beste liebste Freundin und Seelenverwandte. Trotz Viktor, trotz Greta, trotz Anna und trotz Rom.

      Wien, 28. November 19 Uhr

      Elodie hatte versucht sich abzulenken. 2 Stunden BWL Vorlesung an der Uni, keine gute Idee. Danach hatte sie im Fitnessstudio den Hometrainer massakriert, was ihren Kopf freibekommen hatte.

      Jetzt saß sie auf ihrem Sofa, die Marie Antoinette Tasse mit frischem Kaffee in ihrer Hand. Den Blick auf ihr BWL Skript gerichtet. Weder die Zahlen noch die Worte gaben groß Sinn und Elodie gähnte herzhaft. Müde rieb sie sich die Augen und warf einen Blick auf ihr Handy.

      „Viktor“

      Wohl oder übel musste sie mal rangehen.

      „Hallo Viktor“, sagte sie leise, nachdem sie Viktors Stimme am anderen Ende vernommen hatte.

      „Hallo Liebes, dass man dich auch mal erreicht, ich dachte schon du existierst nicht mehr“. In Viktors ruhiger Stimme klang ein leiser Vorwurf mit und Elodies Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

      „Ich vermiss dich, Liebes“, hörte sie Viktors Stimme.

      „Ich dich auch“, erwiderte sie leise. Und es stimmte auch. Sie vermisste ihn, wie ihren besten Freund, ihren großen Bruder. Sie vermisste seine nette, unkomplizierte Art, seine Weine, seine Geselligkeit, seine Scherze. Aber sie vermisste ihn nicht, wie sie Vanessa vermissen würde, wenn diese nach London gehen würde, so wie Greta es getan hatte. Sie würde durchdrehen vor Raserei und Eifersucht. Sie würde in den nächstbesten Flieger steigen, dabei hatte sie Angst vor dem Fliegen, panische Angst.

      „Ich hatte viel um die Ohren, Vik. Greta kommt zurück und hat ne Neue im Schlepptau. Du kannst dir ja vorstellen, wie fertig die arme Ness war. Ich musste sie echt aufheitern und stell dir mal vor, sie ist jetzt auch unserer Meinung, dass die Sachertorte die beste ist.“

      Sie hörte Viktor am anderen Ende der Leitung lachen und wünschte ihm noch einen schönen erfolgreichen Arbeitstag, sich eine gute Lügnerin scheltend.

      Verzweifelt griff sie zu ihrem BWL Buch, dessen Buchstaben aber sofort wieder vor ihren Augen zu tanzen begannen. Das alles ergab keinen Sinn und ihr Kopf glitt langsam nach hinten auf ihre aufgetürmten Kissen.

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