Carina Zinkeisen

Ich bin Isabella


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zu verdanken, diese impertinente Person! Wie ich sie verachte und hasse. Sie ist an allem schuld!!

      Als ich gerade einmal neun Jahre alt war im Jahr 1750 stellte meine Mama daher von Großpapa und Madame Pompadour angestiftet, Überlegungen an, mich mit Joseph, dem gleichaltrigen Sohn Maria Theresias zu verheiraten. Sie hat meine Hochzeit mit Joseph als ihr Lebenswerk betrachtet, wie manche ihrer Hofdamen böswillig behaupteten und so war es auch, denn im letzten Herbst gab es für sie kaum ein anderes Thema für sie als meine Hochzeit. Ich war davon so entnervt, dass ich mir vorgenommen habe meine Tochter nicht dem Schicksal der Ehe auszusetzen, aber ich weiß, dass das nicht geht. Es ist in unserer Bestimmung als Frauen als junge Mädchen zu heiraten und wir werden auch unsere Töchter als junge Mädchen verheiraten, ob sie wollen oder nicht. Selbst wenn wir gelitten haben wie meine Mutter als vierzehnjährige. Wir fügen unseren Töchtern das gleiche Schicksal zu, wie unsere Mütter es uns zugefügt haben. Und ich kann froh sein, dass ich bald neunzehn Jahre alt werde und nicht vierzehn bin wie meine Mutter damals, als sie mich gebar am für sie fernen und steifen spanischen Hof. Und ich kann froh sein, dass ich früh sterben werde und meine Töchter nicht verheiraten muss.

      Ich blicke durch mein Fenster in die Ferne und sehe die Kathedrale von Padua. Sie ist ein herrlicher Bau und normalerweise habe ich einen Blick für schöne Bauwerke und genieße es sehr, mir diese anzusehen. Heute allerdings fällt es mir schwer, das schöne zu sehen und nicht einmal ein so herrlicher Renaissancebau wie diese Kathedrale wärmen mein kaltes Herz, das furchtbar weh tut. Hier in dieser Kirche wurde ich nämlich gestern getraut per procturatonem, wie man so schön sagt, ohne meinen Gatten. Joseph ist in Wien geblieben und wurde von Fürst Liechtenstein vertreten. Es gibt kein Zurück mehr für mich. So sehr ich mir das auch wünsche, mich danach sehne. Es gibt kein Zurück. Ich werde Josephs Frau werden.

      All dieser Pomp und das ganze Zeremonielle widern mich an und zerren an meinen Nerven. Von meinem Großpapa aus Frankreich habe ich eine komplette Aussteuer aus dem teuersten Leinen und Seide, alles mit kostbarsten Spitzen verziert, erhalten, von Großmama drei wunderschöne Mäntel aus herrlich, weichem, dunklen Samt. Das alles ist lieb gemeint und wunderbar und ich habe mich gerade in Versailles immer sehr wohl gefühlt, viel mehr als hier in Italien. Ich muss aber immer an die armen Menschen denken, die in den Kriegen und Schlachten ihr Leben verloren haben, verlieren und noch verlieren werden und welche Armut überall herrscht und wie viele hungrige Kindermägen man satt bekommen könnte mit all dem Geld, dass diese Sachen gekostet haben.

      Wohlerzogen ertrag ich all das mit großer Geduld und lasse mir nicht anmerken, wie es tief in mir drinnen aussieht. Das will eh niemand wissen und meine Mama ist tot. Ich kann nur sagen, dass das Schicksal einer großen Fürstentochter das unglücklichste ist. Worauf hat die Tochter eines großen Fürsten zu warten? Doch nur auf eine arrangierte Ehe und Kinder zu bekommen. Mehr nicht. Mehr nicht und das reicht mir nicht, hat mir noch nie gereicht, noch nie. Wird mir auch nie reichen. Niemals!

      Diese Gedanken habe ich gestern auch meinem Tagebuch anvertraut. Ich bin wirklich zu nichts anderem geboren als dem Plunder von Ehre und Etikette ausgesetzt zu sein. Eine Fürstentochter wird zu nichts anderem geboren, als dem Wollen der Staatsmacht ausgeliefert zu sein. Eine Fürstentochter hat ihren freien Willen aufzuopfern und der Dynastie möglichst viele Söhne und Töchter zu gebären. Ich habe zu heiraten und Kinder zu bekommen. Den Thronerben, am besten viele Söhne. Die Dynastie bewahren. Basta. Alles andere interessiert nicht und ich kann mit niemandem darüber reden. Und dabei erwarten alle von mir natürlich auch noch, dass ich dankbar und glücklich bin, denn ich bin die Schwiegertochter von Maria Theresa und werde einmal die Frau des Kaisers von Österreich werden. Kaiserin des heiligen römischen Reiches deutscher Nation, wie mir mein Vater vor Stolz berstend immer wieder einbläut.

      Jetzt weiß nur mein Tagebuch davon, aber vielleicht werde ich eines Tages über diese Gedanken einen Aufsatz schreiben, so wichtig sind sie mir.

      Denn alle denken, ich hätte das Glückslos gezogen.

      Jede Adelstochter Europas beneidet mich und ich?

      Ich, ich würde gerne das Los einer Bürgerlichen teilen. Ohne Zwang und ohne Ehr und dafür aber frei, aber das darf ich bloß niemandem sagen. Nicht einmal wollen. Ich kenne den Mann, den ich heiraten soll, doch nicht einmal, ich kenn auch das Land nicht, in das ich ziehen soll, die Kultur, die Sprache, all das ist mir neu. Ich weiß doch nicht einmal, ob sie mich an dem Kaiserhof in Wien mit offenen Armen empfangen oder ob sie auf mich eifersüchtig sind und neidisch. Vielleicht spüren sie, dass ich Frauen bevorzuge und verachten mich dafür. Das macht mir Angst, genau wie die Vorstellung das Bett mit diesem Joseph zu teilen, Mit diesem Joseph, den ich gar nicht kenne. Nur ein Bild, er sieht gut aus, wirklich gut, aber ich empfinde gar nichts für ihn, ganz im Gegensatz zu Marie Christine, seiner Schwester. Mir wird allein bei dem Gedanken übel, dass er zu mir ins Bett steigt und die Ehe mit mir vollziehen will, vollziehen muss, bis er den Erben bekommt. Möglichst viele Erben, denn Mädchen zählen leider nicht und Kinder sterben oft schon in sehr jungen Jahren. Ich werde immer wieder das Bett mit ihm teilen müssen, ob ich will oder nicht. Mir graut davor, ich habe Angst, große Angst.

      Ich beneide aus tiefstem Herzen die bäuerlichen Mädchen, die heiraten können, wen sie wollen oder lieben – oder es auch bleiben lassen. Ich beneide auch die Nonnen in den Klöstern, die ganz speziell. Ich will gar nicht heiraten, aber mich fragt niemand, was ich will. Mir graut vor der Heirat. Mir graut und mich schaudert es.

      Doch das stimmt nicht ganz, dass ich mit niemandem reden kann, denke ich, lächle leicht und schlage den Kasten meiner Violine auf. Ich greife den Brief von Marie Christine, lass ihn durch meine Hände gleiten und fühle ihn mit meinen Fingern. Ganz sachte, ganz zärtlich streiche ich über ihn.

      Marie Christine denke ich und ein Lächeln huscht über mein trauriges Gesicht. Ich greife zu meiner Feder, setzte mich an meinen Schreibtisch, tauche die Feder in Tinte und lasse sie sachte über das Papier gleiten. Ganz sachte und auf mein klopfendes Herz hörend, das wie verrückt gegen meine Brust pocht und mein kaltes Herz erwärmt. Ich schreibe und schreibe und von ganz allein fließen meine Worte. Ich lege die Feder zur Seite und lese mir immer wieder meine letzten Worte durch.

      „Adieu meine liebe Schwester, ich lege mich jetzt hin und ende wie stets nicht ohne Sie fest zu umarmen. Ich liebe Sie und bin in Wahrheit Ihre getreue Schwester Isabella Marie Louise.“

      Ihre Schwester, denke ich fast grimmig, wohl kaum nur ihre Schwester.

      Aber das darf ich nicht denken und nicht wollen.

      Schon gar nicht wollen.

      Denn, es ist eine Sünde.

      Eine Todsünde

      Ich blicke aus dem Fenster und ordne meine Schreibsachen. Morgen werde ich in meiner von acht Schimmeln gezogenen Prunkkarosse der Braut durch Oberitalien, Kärnten, die Steiermark und das südliche Niederösterreich nach Wien reisen.

      Wien, 10 Januar 1761

      Ich bin in Wien. Ich bin verheiratet und man schreibt bereits das Jahr 1761, genauer gesagt den Monat Januar.

      Ich muss mich noch an den österreichischen Winter gewöhnen. Es ist furchtbar kalt und mein Herz ist zu Eis erstarrt, genau wie der Schnee in der Hofburg und im Schloss Schönbrunn vor sich hin frostet. Joseph hat nichts an sich, um mich für ihn zu erwärmen, aber er bemerkt das gar nicht. Ich spiele ihm die glücklich verliebte Ehefrau vor und er glaubt mir. Ähnlich wie mein Vater bei meiner Mutter spürt auch er nicht, dass ich in seinen Armen und seiner Gegenwart zu Eis werde und furchtbar fröstele. So wie meine Mutter damals bei meinem Vater.

      Tage voller Pomp und Feierlichkeiten liegen hinter mir.

      Ein wahrlich barockes Fest, raunen die Menschen auf den Straßen mir zu, eine wahrlich barocke Prinzessin, ein Märchengeschöpf. Was für ein Glück der Joseph doch nur hat, so eine Schönheit, großgewachsen, zierlich, apart und feingliedrig, dunkelhaarig,