Elisabeth als Liebesgabe einen Brillantring, den diese mit einem noch kostbareren erwidert; beide spielen sie vor der Welt und vor sich selbst das erfreuliche Schauspiel verwandtschaftlicher Zuneigung. Maria Stuart versichert, sie »habe kein größeres Verlangen auf Erden, als ihre gute Schwester zu sehen«, sie wolle die Allianz mit Frankreich lösen, denn sie schätze Elisabeths Zuneigung »more than all uncles of the world«, Elisabeth wieder malt in ihrer großen feierlichen Schrift, die sie nur bei bedeutsamen Anlässen anwendet, die überschwenglichsten Versicherungen ihrer Neigung und Treue. Aber sofort, wenn es gilt, wirklich ein Abkommen zu treffen und eine persönliche Zusammenkunft zu bestimmen, weichen beide vorsichtig aus. Denn im Grunde stehen die alten Verhandlungen noch immer auf demselben toten Punkt: Maria Stuart will den Vertrag von Edinburgh mit der Anerkennung Elisabeths erst unterzeichnen, wenn Elisabeth ihr das Nachfolgerecht zuerkannt hat; dies wieder empfindet Elisabeth gleichbedeutend, als ob sie ihr eigenes Todesurteil unterzeichnete. Keine weicht einen Zoll breit von ihrem Recht, und so überdecken im letzten alle diese blumigen Phrasen nur eine unüberbrückbare Kluft. »Es kann«, wie Dschingis Khan, der Welteroberer, entschlossen sagte, »nicht zwei Sonnen am Himmel geben und nicht zwei Khans auf Erden.« Eine von den beiden wird weichen müssen, Elisabeth oder Maria Stuart; beide wissen dies im tiefsten Herzen, und beide warten auf den gegebenen Augenblick. Aber solange die Stunde noch nicht gekommen ist, warum nicht der knappen Pause im Kriege sich freuen? Wo Mißtrauen im tiefsten Herzen untilgbar lebt, wird der Anlaß nicht fehlen, die dunkle Flamme aufschlagen zu lassen zur verzehrenden Glut.
Manchmal bedrücken die junge Königin in jenen Jahren kleine Sorgen, manchmal verdrießt sie die Lästigkeit der Staatsgeschäfte, oft und öfter fühlt sie sich fremd zwischen diesen harten, kriegerischen Adelsleuten, widerlich ist ihr das Gezanke mit den eifernden Pfaffen und heimlichen Intriganten: in solchen Stunden flüchtet sie dann in ihr Frankreich, in die Heimat ihres Herzens zurück. Freilich, Schottland kann sie nicht verlassen, so hat sie sich in ihrem Schlosse in Holyrood selbst ein eigenes Kleinfrankreich gegründet, ein winziges Stück Welt, wo sie ganz unbeachtet und frei ihren liebsten Neigungen leben kann, ihr Trianon. In dem runden Turm von Holyrood errichtet sie nach französischem Geschmack einen chevaleresken, einen romantischen Hofhalt; von Paris hat sie Gobelins gebracht und türkische Teppiche, prunkvolle Betten und Möbel und Bilder, ihre schön gebundenen Bücher, ihren Erasmus, ihren Rabelais, ihren Ariost und Ronsard. Hier wird französisch gesprochen und gelebt, hier bei flackernden Kerzen abends Musik gemacht, Gesellschaftsspiele werden veranstaltet, Verse gelesen, Madrigale gesungen. Zum erstenmal an diesem Miniaturhofhalt werden hier die »Masques«, die kleinen klassischen Gelegenheitsspiele jenseits des Kanals versucht, die später das englische Theater zur höchsten Blüte entfaltet. Bis spät nach Mitternacht wird in Kostümen getanzt, und bei einem dieser Maskentänze, »The purpose«, erscheint die junge Königin sogar als Mann verkleidet, in schwarzen straffen Seidenhosen, während ihr Partner – der junge Dichter Chastelard – als Dame vermummt ist, ein Anblick, der wahrscheinlich John Knoxens bitteres Entsetzen erregt hätte.
Aber Puritanern, Zeloten und ähnlichen Murrköpfen sind vorsichtigerweise diese Stunden des Frohmutes verschlossen, und vergebens entrüstet sich John Knox über diese »souparis« und »dansaris« und donnert von der Kanzel in St. Giles, daß sein Bart wie ein Pendel schwingt: »Fürsten sind geübter, Musik zu machen und sich zu Gastmählern zu setzen, als das heilige Wort Gottes zu lesen und zu hören. Musiker und Schmeichler, die immer die Jugend verderben, gefallen ihnen besser als die alten und weisen Männer« – an wen mag der Selbstgerechte hier denken? –, »die mit ihren heiligen Ermahnungen einen Teil des Stolzes, in dem wir alle geboren sind, niederschlagen wollen.« Aber dieser junge, frohmütige Kreis hat wenig Verlangen nach den »heilkräftigen Ermahnungen« des »kill joy«, des Freudetöters; die vier Marys, ein paar französisch gesinnte Kavaliere sind glücklich, hier im erhellten und warmen Raum der Freundschaft die Düsternis dieses strengen und tragischen Landes zu vergessen, und Maria Stuart vor allem, die kalte Maske der Majestät ablegen zu dürfen und bloß eine heitere junge Frau im Kreise gleichalteriger und gleichgestimmter Gefährten zu sein.
Ein solches Verlangen ist nur natürlich. Aber immer bedeutet es für Maria Stuart Gefahr, ihrer Lässigkeit nachzugeben. Verstellung bedrückt sie, Vorsicht ist ihr auf die Dauer unerträglich, jedoch gerade diese Tugend des »Nicht-sich-verschweigen-Könnens«, dieses »Je ne sais point déguiser mes sentiments« (wie sie einmal schreibt), schafft ihr politisch mehr Unannehmlichkeiten als andern der böswilligste Betrug und die grimmigste Härte. Denn die Ungezwungenheit, mit der sich die Königin unter diesen jungen Leuten bewegt, lächelnd ihre Huldigungen hinnehmend und vielleicht sogar unbewußt sie herausfordernd, erzeugt bei diesen Zügellosen eine unangebrachte Kameraderie, und sie wird für leidenschaftliche Naturen sogar zur Verlockung. Etwas muß in dieser Frau, deren Schönheit auf den Bildern nicht ganz ersichtlich wird, sinnlich aufreizend gewesen sein; vielleicht haben an unmerklichen Zeichen einzelne Männer schon damals vorausgefühlt, daß unter der weichen, umgänglichen und scheinbar völlig selbstsicheren Art dieser mädchenhaften Frau eine ungeheure Leidenschaftsfähigkeit verborgen war wie ein Vulkan unter lieblicher Landschaft; vielleicht haben sie, lange ehe Maria Stuart selbst ihr eigenes Geheimnis erkannte, jene Unbeherrschtheit aus männlichem Instinkt geahnt und gewittert, denn irgendeine Macht war in ihr, die Männer zum Sinnlichen stärker drängte als zu einer romantischen Liebe. Möglich, daß sie, gerade weil selbst in ihren Trieben noch nicht erwacht, kleine körperliche Vertraulichkeiten – eine streichelnde Hand, einen Kuß, einen einladenden Blick – leichter gewährte als eine wissende Frau, welche das Kupplerisch-Gefährliche solcher Ungezwungenheiten kennt: jedenfalls, sie läßt die jungen Menschen um sich manchmal vergessen, daß die Frau in ihr als Königin jedem kühnen Gedanken unnahbar bleiben muß. Schon einmal hatte ein junger schottischer Kapitän, namens Hepburn, sich tölpisch-freche Ungehörigkeiten gegen sie erlaubt, und nur die Flucht bewahrte ihn vor der äußersten Strafe. Aber zu mild geht Maria Stuart über diesen ärgerlichen Zwischenfall hinweg, leichtherzig verzeiht sie ihn als läßliche Sünde und gibt damit einem andern Edelmann aus ihrem kleinen Kreise neuen Mut.
Dieses Abenteuer gestaltet sich durchaus romantisch; wie fast jede Episode in diesem schottischen Land formt es sich zur blutdunklen Ballade. Der erste Bewunderer Maria Stuarts am französischen Königshof, Monsieur Danville, hatte seinen jungen Freund und Begleiter, den Dichter Chastelard, zum Vertrauten seiner Schwärmerei gemacht. Nun muß Monsieur Danville, der Maria Stuart gemeinsam mit den anderen Edelherren auf ihrer Reise nach Schottland begleitet hatte, nach Frankreich zurück, zu seiner Frau, zur Pflicht: der Troubadour Chastelard aber bleibt in Schottland, gleichsam als der Statthalter fremder Neigung. Und es ist nicht ungefährlich, immer zärtliche Verse zu dichten, denn aus dem Spiel wird leicht Wirklichkeit. Maria Stuart nimmt unbedacht die poetischen Huldigungen des jungen, in allen ritterlichen Künsten wohlerfahrenen Hugenotten entgegen, sie erwidert sogar seine Verse mit eigenen Gedichten; welche musisch empfindsame, inmitten einer rauhen und rückständigen Umgebung vereinsamte junge Frau würde nicht geschmeichelt sein, sich in so bewundernden Strophen gefeiert zu hören wie:
»Oh Déesse immortelle
Escoute donc ma voix
Toy qui tiens en tutelle
Mon pouvoir sous tes loix
Afin que si ma vie
Se voie en bref ravie
Ta cruauté
La confesse périe
Par ta seule beauté«
und besonders, wenn sie sich ohne Schuld fühlt? Denn einer wirklichen Gegenliebe für seine Leidenschaft kann sich Chastelard nicht rühmen. Melancholisch muß er eingestehen:
»Et néansmoins la flâme
Qui me brûle et entflâme
De passion
N'émeut jamais ton âme
D'aucune affection.«
Wahrscheinlich bloß als poetische Huldigung inmitten soviel anderer höfischer und