Peter Eckhart Reichel

Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein


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Sprecherberuf, der in den letzten Jahren auch durch die Vielzahl an Hörbüchern und Spiele-Vertonungen bekannter geworden ist, scheint immer noch weiterhin zuzunehmen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass es viele Wege gibt, um diesen Beruf zu erlernen und auszuüben. Doch eines ist besonders wichtig: Sie sollten immer dazu bereit sein, sich für dieses Ziel (auch langfristig!) zu engagieren. Sie werden auf diesem Weg etliche Hürden zu überwinden haben und deprimierende Stagnationsphasen erleben. Das klingt zwar alles abgedroschen, trifft aber genau den Kern.

       Machen Sie Ihre eigene Stimme zu Ihrem Kapital mit einer Ausbildung zum Mikrofonsprecher.

      Mit solchen oder ähnlichen Slogans werben einige Ausbildungsinstitutionen um die Gunst des heranwachsenden Sprechernachwuchses. Leider aber stellt sich die Realität nach einer solchen oftmals kostspieligen Schulung für die meisten „ausgebildeten“ Berufssprecher ganz anders dar. Das riesige Angebot an Berufssprechern übersteigt deutlich die Nachfrage der potentiellen Auftragsgeber, die geeignete Stimmen für Audioproduktionen suchen. Nicht nur bei den Rundfunksendern, auch bei den Hörbuchverlagen ist die Nachfrage nach neuen Stimmen im überschaubaren Bereich. Dagegen häufen sich Anfragen von Sprechern und Schauspielern, die sehr gern in diesem Segment arbeiten möchten, vor allem aber von Amateuren, die nach einem Einstieg in den Sprecherberuf suchen.

      Sprecher

      Berufssprecher unterscheiden sich neben ihrer jeweiligen Technik vor allem durch ihre unterschiedlichen Stimmlagen, Charakteristik und ihr Sprachalter. Die Stimmencharakteristika für beide Geschlechter werden oft auch mit den gleichen Attributen beschrieben:

      dynamisch, jugendlich, lieblich, mittelkräftig, sanft, dunkel, frech, frisch, hell, kindlich, facettenreich, sinnlich, tief, sonor, voluminös, hart, zart, zickig, rauchig, voll, warm oder weich, markant, seriös, sehr männlich oder sehr weiblich, um nur einige zu nennen.

      Aber diese Attribute sagen längst noch nicht alles über die tatsächliche Stimme des Sprechers oder der Sprecherin aus. Sie dienen höchstens als grobe Orientierungsmöglichkeit.

      Es existiert natürlich kein Mensch, auf den nur eins dieser stimmlichen Merkmale zutrifft. Stimmen sind vergleichbar mit Musikinstrumenten, die man hart oder weich, laut oder leise, sanft oder heftig spielen kann. Stimme ist Klang.

      Bei jedem Klang schwingen immer Grundton und Obertöne mit. Wenn wir von Klang sprechen, schwingen die Obertöne jedoch in einem Vielfachen zum Grundton, sie schwingen harmonisch zueinander. Die Obertöne bestimmen die Klangfarbe eines Instrumentes, auch bei einer menschlichen Stimme.

      Das akustisch empfundene Stimmalter ist natürlich nicht identisch mit dem biologischen Alter des Sprechers oder der Schauspielerin. Es wird oft so beschrieben: Sprachalter von 20 bis 35 Jahre. - Tatsächlich ist die Dame oder der Herr jedoch gut 20 Lebensjahre älter, als sie oder er klingt.

      Es gibt aber auch jüngere Schauspieler, die wie 60jährige Männer wirken und manche 50jährige Schauspielerin hat noch immer eine jugendliche Stimme, obwohl ihre äußere Erscheinung eher ihrem tatsächlichen Alter entspricht.

      Manche alten Stimmen klingen kehlig, schnoddrig, gebrochen oder kraftlos, manche klingen weise oder klug. Es gibt sogar Schauspieler oder Sprecherinnen mit kleinen Sprachfehlern, die durchaus für eine dementsprechende Hörspielrolle geeignet sind. Bei Hörbuchaufnahmen sind solche Stimmen jedoch weniger kompatibel, es sei denn, sie decken sich mit der Charakteristik des literarischen Inhalts. Für manche Texte braucht es manchmal Ungewohntes. Ich persönlich mag Stimmen mit kleinen Fehlern und Eigenheiten, weil durch sie ganz bestimmten Figuren ein hoher Widererkennungswert verliehen werden kann.

      Es gibt viele weitere Faktoren, die die Qualität einer Stimme tagtäglich beeinflussen wie der Gesundheitszustand (Erkältung, Zigaretten- oder Alkoholkonsum), oder der Grad der körperlichen Entspannung, aber auch An- oder Verspannungen, die Tageszeit, die Sünden des Vortages, Nervosität, Emotionen. Daher müssen Sprecher für eine verlässliche und wiederholbare Klangfarbe ihres Instrumentes sorgen. Hierbei können helfen:

      • ein erprobtes persönliches Aufwärmsprechen,

      • ein diszipliniert einzuhaltender Abstand zum Mikrofon und Einsprechwinkel,

      • sprech-, stimm- und atemtechnische Übungen, die zur Tagesroutine gehören sollten,

      • eine verlässlich erzeugbare körperliche Grundspannung

      • und selbstverständlich Praxis, Praxis, Praxis.

      Wie werde ich Hörbuchsprecher?

      Diese Frage wird mir fast täglich gestellt. Sehr oft rufen mich Menschen an und ich höre von ihnen stets die gleichen Sätze: „Man sagt mir, ich habe eine schöne Stimme, und die Leute (Kinder, Senioren, Freunde auf Lesungen usw.) hören mir gern zu und finden meine Stimme toll. Ich möchte mich deshalb bei Ihnen als Hörbuchsprecher bewerben.“

      Das ist zwar erfreulich, aber nicht gerade sehr aussagekräftig in Bezug auf ihre Eignung als Hörbuchsprecher.

      Wenn ich dann nachhake und ich mich erkundige, ob sie oder er eine entsprechende Stimmausbildung oder Schauspielschule absolviert haben, stoße ich nicht selten auf Unverständnis.

      Vorträge vor Ort oder auf einem Podium gelingen vor allem durch die Persönlichkeit der Interpreten und deren Präsenz und Sympathie beim Publikum. Aber das alles ist weg, wenn man ein Hörbuch produziert, dann zählt nur die Stimme. Und wenn sich ein Zuhörer auf die Geschichte konzentriert, merkt er schnell, ob die Stimme es erreicht, seine Fantasie anzuregen oder nicht.

      Natürlich gibt es auch Naturtalente unter den „ungelernten“ Sprechern, aber im Studio müssen sie, wie Berufssprecher, verschiedene Varianten beherrschen und auch anbieten können. Zu dieser Fähigkeit gehört auch ein hohes Maß an Erfahrung dazu. Trotzdem gibt es immer wieder erfolgreiche Schauspieler, die nie eine Schauspielschule besucht haben, sie sind eher Ausnahmen.

      Die Realität sieht aber so aus: Ohne eine Sprecherausbildung erfolgreich absolviert zu haben, werden Sie sich vergeblich in einem Rundfunksender als Berufssprecher bewerben, auch Synchronstudios und Hörbuchverlage setzen eine entsprechende Qualifikation voraus.

      Bei einer Umfrage in einem Hörbuchforum, beschrieb ein Teilnehmer diese (wie ich finde) sehr zutreffenden Situation ganz exakt:

      Gute Hörbuchsprecher sind immer Sprach-Künstler. Sie transportieren Inhalte vom gedruckten Wort in gehörte Sprache - im Idealfall so, dass man beim Zuhören gar nicht auf die Idee kommt, der Inhalt könnte überhaupt den Umweg übers Schriftbild gegangen sein: Jemand erzählt mir einfach eine Geschichte. Und das nicht nur Wort für Wort. Eine Geschichte besteht aus lauter Emotionen, aus Gedanken, aus Zwiegesprächen, aus turbulenten oder brutalen oder beschaulichen Bildern. Das will ich beim Zuhören alles erleben. Ein guter Erzähler, dem ich gerne zuhöre, vermittelt mir jeden Subtext: Die Freude, das Grauen, die Langeweile, die Überheblichkeit, die Hilflosigkeit, die Kränkung - und den Humor, vielleicht die schwierigste Gratwanderung von allen. Aber nicht jeder gute Sprecher, nicht jede prominente Schauspielerin ist auch gleichzeitig für dieses Medium geeignet.

      Versetzen Sie sich bitte einfach mal in die Situation eines Hörbuchproduzenten, der bei jedem seiner Projekte immer wieder vor folgender Problematik steht. Er kennt zwar hunderte Berufssprecher und Schauspielerinnen und ihre unterschiedlichen Stimmen, aber er stellt sich immer wieder vor Beginn eines Projektes stets diese gleichlautenden Fragen:

       Welcher Schauspieler oder Sprecher passt überhaupt von seinem Image, seinem Ausdruck oder seines Sprachklangs her zu welchem Text?

       Ist die Interpretationskunst des Schauspielers oder der Sprecherin überhaupt geeignet, der Geschichte in einem Hörbuch die gewünschte Nuance zu verleihen, an die der Leser des Buches vielleicht nie gedacht hat, oder, im günstigsten Fall, die sich sogar mit seiner eigenen Fantasie hundertprozentig deckt?

      Sie sollten sich nun selbst auch einige Fragen stellen und diese nach Möglichkeit