des geschlossenen Teils des Klosters, zu dem eigentlich nur die Mönche Zugang hatten, doch das wurde nicht so genau genommen.
«Ja, die sollte langsam eingetrudelt sein.»
Kaum hatten sie fertig gesprochen, kam Novize Hans hereingepoltert und verkündete, dass Bettler Pip im Gästehaus warte, um Hospitalar Semper eine wichtige Nachricht mitzuteilen.
Als Semper eintrat, hockte Bettler Pip an einem der Tische im Gemeinschaftsraum des Gästehauses und verspeiste gerade eine riesige Fleischpastete, begleitet von einem lüpfigen, stark mit Honig gesüssten Glühwein. Der gut Genährte winkte Semper zu sich an den Tisch und prostete ihm lachend und schmatzend zu.
«Wohl bekomm’s», meinte der Hospitalar leicht säuerlich und setzte sich. «Was gibt’s denn so Dringendes, Pip?»
«Ich habe eine wichtige Botschaft für dich, Mönch. Und zwar von der Wirtin Mara aus dem Gasthaus am Rorschacher Hafen.»
«So, so. Etwas Wichtiges.»
«Ja doch. Wenn ich es dir sage. Diese Dame Klothilde und ihr Panzerreiter Trumer, die zu euch rauf ins Kloster kommen sollten.»
«Ja, was ist mit denen?»
«Na, die kommen nicht.»
«Und warum nicht?»
«Weil sie überfallen wurden.»
«Was?!»
«Keine Sorge, Semper, sie leben noch. Allerdings ist die werte Dame darob arg krank geworden.»
«Und jetzt liegt sie unbetreut in einem fremden Gasthausbett?»
«I wo», winkte Pip ab und pickte mit den Fingern ein grosses Stück Pastete vom Teller, um es sich genüsslich in den Mund zu stopfen. «Die sind ins Kloster Münsterlingen gefahren. Die haben dort ein Krankenzimmer.»
«Ich weiss, dass die dort ein Krankenzimmer haben.»
«Was regst du dich dann so auf? Denen geht’s gut.»
8
So gut ging’s denen allerdings nicht. Dame Klothilde wälzte sich im Münsterlinger Krankenbett hin und her, während Panzerreiter Trumer kühlende Umschläge aus getrockneter Beinwellwurzel, die zu einer Tinktur verarbeitet worden war, aufgelegt bekam.
«Helwi, raus mit dir!», rief Hospitalarin Krätzhilde von der Türe her, «wir haben auch noch andere Gäste, um die du dich kümmern musst.»
«Aber diese beiden hier brauchen meine Hilfe dringender. Das sollte dir eigentlich klar sein, Krätzhilde», antwortete die junge Laienschwester mit einem sardonischen Lächeln.
«Lass deine frechen Sprüche sein, du faules Ding! Die fiebrige Dame hat nun wahrlich genug Holunderblütentee getrunken, ihre Essigwickel sitzen fest und der gequetschte Herr ist auch versorgt. Also komm schon. Die Wäsche muss aufgehängt werden.»
«Wie geht es denn unseren Kranken?», erkundigte sich Äbtissin Dagoberta, die hinter Krätzhilde in Erscheinung getreten war.
«Wunderbar geht’s denen. Vor allem, weil Helwi ewig am Bett der Dame rumsitzt und sich nur bewegt, wenn sie dem Herrn in dem bequemen Stuhl dort ein weiteres Tässchen heissen Würzwein bringt.»
«So soll es doch auch sein, Krätzhilde. Was schimpfst du denn nur? Lass Laienschwester Kora die Wäsche aufhängen und unsere Helwi sich um die beiden Kranken kümmern. Sie hat ein Händchen für diejenigen, die leiden. Sei also nicht immer so streng mit ihr. Komm, Krätzhilde, gehn wir Kora suchen.»
9
«Endlich!», dachte der Ministeriale Furdin, als er in seinem neuen Zimmer in der Niederburg, dem Stadtteil von Konstanz, in dem unter anderen die Beamten wohnten, stand. Dank seiner zufriedenstellenden Arbeit als Spion für Konrad, den Bischof von Konstanz, hatte dieser ihm, Furdin, nun ein neues Zuhause zugewiesen, einen grossen ebenerdigen Raum mit einer eigenen kleinen Küche in der Mitte. Furdin war zwar immer noch ein Höriger und das würde er vermutlich auch immer bleiben, doch er fühlte sich gerade sehr frei. Die offene Feuerstelle war recht gross, so, dass sie das ganze Daheim schön warm hielt, säuberlich kniehoch aufgemauert und mit einem grossen Dreifusstopf bestückt, der gerade in der Glut stand und die Roggengrütze mit Speckwürfeln angenehm duftend dampfen liess. Der Holzkasten, welcher ihm als Bettstatt diente, trug einen gut gefüllten Strohsack, an einer Wand stand eine lange Bank mit einem Esstisch davor, ein Schemel zierte eine andere Mauer und eine geschnitzte Kleidertruhe thronte an der Wand, die der Türe gegenüberlag. Das offene Fenster, das von einem Holzladen von innen her geschlossen werden konnte, war zwar schmal, doch wenn sich Furdin genau davor setzte, konnte er ein Stück des Himmels sehen, und das beruhigte ihn.
Nachdem er gegessen hatte, machte sich der Ministeriale auf, von seinem Bischof neue Befehle zu erhalten. Er verliess die Niederburg, umrundete das Münster Sankt Maria und stand auch schon in der Bischofspfalz. Konrad von Konstanz sass bequem in seinem breiten Stuhl und überlegte, während Furdin stehend wartete.
«Ich habe da von einer reichen bayerischen Adeligen gehört, die dem Kloster Sankt Gallen unbedingt etwas schenken will. Furdin! Finde heraus, wie viel die Frau denen dort vermachen will, obwohl die Mönche wahrlich genug haben, wohlgemerkt. Und warum. Es ist immer gut, die Gründe einer Handlung zu kennen. Nun geh, Furdin, und tue deine Pflicht als mein Ministeriale.»
Furdin wusste nun nicht so recht, wie er die vom Bischof benötigten Informationen in Erfahrung bringen sollte und entschied sich darum, zuerst einmal seine Freundin Helwi im Kloster Münsterlingen zu besuchen. Er eilte also zu einem der Konstanzer Stadttore hinaus und wanderte auf der gut begehbaren Strasse entlang des Bodensees in Richtung Münsterlingen.
10
«Soll sie doch dort bleiben, wenn sie eh keine Münzen mehr hat», fand Abt Craloh, während er im Gästehaus des Klosters Sankt Gallen mit Semper sprach.
«Wir könnten die Arme aber auch pflegen», mischte sich Infirmar Kunibert ein.
«Das können die Münsterlinger Nonnen ebenfalls», sagte Fidibus.
«Es wäre aber ehrenvoll, wenn wir der Dame auch helfen täten, nachdem sie nun nichts mehr zu verschenken hat», gab Kunibert noch nicht auf.
«Du meinst, es wäre gut für den Ruf unseres Klosters», vergewisserte sich der Abt.
«Aber ja doch», bekräftigte Kunibert.
«Dann müssen wir sie hierher holen», befahl der Abt und Fidibus wurde ausgeschickt, die heikle Angelegenheit zu regeln.
Im Klosterstall waren die Knechte schon eifrig dabei, die beiden Fohlen zu hätscheln, Weissmond und Schwarzmond, die Stuten, wurden gerade gestriegelt und Donner, der alte Hengst, den ein sündiger Adeliger diesen Monat bussfertig dem Kloster geschenkt hatte, stand schon zurechtgemacht und gefüttert zur Abreise bereit. Fidibus stellte sich auf einen Schemel und kletterte ächzend auf das pechschwarze Pferd mit den immer noch gefährlich funkelnden Augen.
«So, Donner, sei brav und wirf mich nicht ab. Wir sind beides alte Männer und sollten uns dementsprechend benehmen.»
Donner trottete gemütlich zum Klosterstall hinaus, durchs Klosterdorf hindurch, an der Kirche Sankt Mangen, die ausserhalb der erst kniehohen Palisadenmauer stand und für einige umliegende Dörfer zuständig war, vorbei und auf der Konstanzer Strasse den Hügel hinauf. Der dichte Arboner Forst liess jetzt, im Februar, etwas mehr Tageslicht herein als im Sommer, wenn die Laubbäume in diesem Mischwald ihre Blätterkronen schützend über die Bodendecker breiteten und sogar die ab und an heraustretenden Wurzeln auf der ausgetretenen Konstanzer Strasse beschatteten. Schnee lag zwar nicht mehr viel auf den Pflanzen, doch kalt war es immer noch. Fidibus stieg ab und führte Donner über einen Wildwechsel in die Nähe des Steigbaches und zur Hütte seiner guten Freundin Trude, die vom Kräuterverkauf lebte