Stefan Raile

Rückkehr nach Strapen


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Uniform klebte am Körper, in den Gummistiefeln quietschte die Nässe.

      „Wir müssen die Brücke schützen“, hatte Mergelt gesagt. „Sie wissen ja, wie wichtig sie für das Kalkwerk ist.“

      Unsere Gruppe sollte die mittleren Pfeiler verstärken. Wir schleppten lange, starke Rundhölzer. Man hatte sie vom Kalkwerk hergefahren.

      Hinter mir ging Doblin. Ich hörte, wie er keuchte. Der Balken war schwer, er drückte meine Schulter, ich wurde langsamer.

      „Schneller!“, befahl der Unteroffizier.

      Auf der Brücke sprang uns der Sturm an. Er stieß uns zur Seite, ich stemmte mich dagegen, packte das Holz fester.

      Mergelt stand am Geländer. „Hierher!“, ordnete er an. „Vorn langsam absetzen.“ Er formte die Hände zum Trichter und schrie gegen den Wind: „Mit zwei Stricken sichern! Kräftig festziehen!“

      Müller und Dudky schlangen Seile ums hintere Ende, schoben sie in Kerben, die wir mit Äxten geschlagen hatten, zurrten die Knoten fest. Doblin überprüfte ihren Sitz. Die Stricke konnten nicht herausrutschen.

      „Hinten anheben!“, rief Mergelt.

      Müller und Dudky hoben das Holz hoch und hievten es auf ihre Schultern.

      „Vorsichtig übers Geländer schieben! Langsamer!“

      Der Pfahl glitt über die Brüstung, scheuerte an der klobigen Holzkante, riss Schiefer ab.

      „Stricke festhalten!“

      Jetzt hing der Balken schräg nach unten. Die mächtige Spitze, vom Scheinwerferlicht angestrahlt, wies aufs tosende Wasser. Das stumpfe Ende ragte noch über die Brücke.

      „Nachlassen!“

      Der Pfosten rutschte weiter. Immer näher schob sich das Ende den schäumenden Wellen. Plötzlich gab es einen Ruck. Die Stricke strafften sich. Das Holz baumelte lotrecht in der Luft, die Spitzte tauchte leicht ins Wasser, das sie sofort mitreißen wollte. Wir umklammerten die Seile, stemmten unsre Füße gegen Schienen und Schwellen.

      Mergelt blickte übers Geländer. „Noch etwas nach rechts!“

      Wir zogen an den Stricken, Mergelt zerrte am Pfahl. „Halt!“, schrie er. Das Holz baumelte neben einem Brückenpfeiler. „Das Seil weitergleiten lassen. Ruckartig!“, befahl er. „Fertig! Los!“

      Die Stricke schlitterten übers Geländer, der Balken senkte sich ins Wasser, die Spitze bohrte sich in den schlammigen Grund.

      Wieder schaute Mergelt hinunter. Der Pfosten steckte dicht neben dem Pfeiler. „Gut“, sagte er. „Nun müssen die Teile verbunden werden. Wer meldet sich freiwillig?“

      Wir meldeten uns alle. Mergelt zögerte, sah von einem zum andern. Dann entschied er: „Genosse Bylak!“

      Ich legte den Sicherungsgurt um, den Doblin mir reichte. Danach stieg ich übers Geländer und schwebte langsam an einem Seil abwärts. Unter mir brodelte das Wasser. Als eine Welle gegen meine Stiefel prallte, zog ich an der Signalleine. Sofort hörte man auf, den Strick nachzulassen. Ich presste die Oberschenkel gegen den Pfahl, schlug zwei Stahlkrampen ins Holz und dicht daneben zwei andere. Dann fädelte ich eins der dünnen Seile, die ich bei mir hatte, durch die Öffnungen, zurrte sie fest, schlang die Enden mehrmals ums Holz und verknotete sie.

      Ich keuchte, meine Hände schmerzten. Nicht ausruhen, dachte ich. Weiter!

      Noch zweimal schlug ich Krampen ins Holz, fädelte Seile durch die Öffnungen, umwickelte das Ganze so straff wie möglich und zurrte die Knoten fest.

      Es fiel mir immer schwerer. Mit Mühe klomm ich am Brückenrand hoch und kletterte übers Geländer. Mergelt trat heran. „Geht‘s noch?“, fragte er.

      „Natürlich, Genosse Leutnant!“

      Den nächsten Pfosten befestigte Sigi, den folgenden Dudky. Sie arbeiteten zügig und zogen sich danach langsam über die Brüstung. Dudky mussten wir helfen.

      Der Fluss stieg und stieg. Von den steilen Hängen ergossen sich zahlreiche Bäche ins enge Tal. Ständig kamen neue Rinnsale hinzu, der Regen – er fiel nun den dritten Tag – verstärkte sich. Dicke, schwere Tropfen prasselten. Sie schlugen mir hart ins Gesicht.

      Im Wasser trieben weggerissene Bretter und Balken. Sie jagten auf den Wellen heran. Wenn sie einen Pfosten rammten, merkte ich, wie die Brücke erzitterte.

      „Mehr können wir an den Pfeilern nicht tun“, sagte Mergelt. „Jetzt müssen wir Sandsäcke setzen, damit der Fluss die Böschung nicht unterspülen kann.“

      Wir bildeten mit den anderen Gruppen eine Kette. Mergelt und Doblin reihten sich ein. Geschickt fing der Leutnant die Säcke auf, warf sie zu Müller und der zu mir. Ich schichtete sie übereinander. Wir arbeiteten pausenlos. Mir wurde heiß. Dicht unter mir gurgelte das Wasser. Es prallte gegen den Wall, schwappte hoch, glitt zurück.

      Müller warf zu kurz. „Weiter!“, rief ich.

      Aufrichten, fangen, absetzen. Das Blut klopfte hart in meinen Schläfen.

      „Wechseln!“, befahl Mergelt.

      Müller kam herunter. Ich sah, dass er ziemlich blass war. Würde er durchhalten?

      Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Plötzlich wurden seine Bewegungen eckig, er ließ einige Säcke fallen. Und dann schleuderte die Strömung eine Bohle gegen den Wall. Sie keilte sich mit einem Ende zwischen zwei Säcken fest und schaukelte auf dem Wasser. Müller bückte sich und versuchte, sie herauszuziehen. Da rutschte der Sandsack unter ihm weg. Er wollte zurückspringen. Doch zu spät! Er verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Flut.

      Ich schrie: „Mann im Fluss!“

      Müller griff nach der Bohle, erreichte sie aber nicht. Das Wasser riss ihn mit, auf die Brückenpfeiler zu. Ich stand Sekunden wie erstarrt. Auch die anderen rührten sich nicht. Als Erster fasste sich Doblin. Er eilte ans Ufer. In den Händen hielt er ein Seil, das wirbelte er wie ein Lasso um den Kopf und schleuderte ein Ende von sich. Es klatschte dicht neben Müller ins Wasser. Der klammerte sich daran fest. Ich rannte zu Müller und packte den Strick. Gleich danach sprangen Sigi, Bahle und Mergelt hinzu. Gemeinsam zogen wir, langten Stück um Stück nach. Das Seil straffte sich, die Strömung zerrte, wir mussten alle Kraft aufbieten. Unsre Stiefel drückten sich in die Sandsäcke. Ich dachte: Hoffentlich halten sie!

      Mergelt kommandierte: „Hau-Ruck! Hau-Ruck!“

      Der Strick schnitt schmerzhaft in die Haut, wir keuchten. Langsam kam Müller näher. Wasser schwappte ihm über den Kopf, und wir fürchteten, dass er loslassen könnte.

      „Festhalten!“, rief Doblin.

      Müller umkrallte das Seilende. Wir zogen, langten nach. Eine Welle überrollte ihn. Dann noch eine. Endlich war er am Wall, wir halfen ihm hoch. Er hing schlaff in unsren Armen und rang nach Luft.

      „Zu den LKWs!“, befahl Doblin.

      Sie standen oben auf der Straße. Wir trugen Müller hin und legten ihn auf eine Sitzbank.

      Der Sanitäter fragte: „Schmerzen?“

      „Nein.“

      „Die anderen machen weiter“, entschied Mergelt.

      Wir gingen auf unsre Plätze. Erneut flogen die Sandsäcke von Mann zu Mann. Meine Arme wurden gefühllos, aber sie bewegten sich unablässig: fangen, werfen, fangen. Der Regen peitschte, das Wasser gurgelte und wogte. Es brandete gegen die verstärkten Pfeiler, prallte von ihnen ab und quirlte unter der Brücke hindurch.

      Wir arbeiteten lange. Das Scheinwerferlicht verblasste. Fahlgrau kroch der Morgen über die Hänge.

      Endlich rief Mergelt: „Pause!“ Der Wind fetzte ihm das Wort von den Lippen. Er formte die Hände wieder zum Trichter und schrie noch einmal: „P-a-u-s-e!“

      Wir tappten zu den LKWs. Müller hockte im Fahrerhaus und lächelte