Michel Tapión

Trink aus! Den bitteren Kelch


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nichts Falsches lernen.“ „Hast recht, Dorli, ich schau nur, wer schon Vorwissen hat. Wir wollen uns im ersten Jahr Zeit lassen die Buchstaben kennenlernen und dazu Wörter in Schreibschrift schreiben. Die Bedeutung der Wörter erfahren wir beim Schreiben.“ Die Schulglocke ertönt mit ohrenbetäubendem Klang. Die Lehrerin führt die Schülerinnen in Zweierreihe bis zum Tor und mit einem lauten und deutlichen „Mahlzeit!“ dürfen sie das Schulgebäude verlassen. Dorli durfte immer ohne Begleitperson nach Hause gehen, doch sehr bald bot sich die Gelegenheit mit einem Nachbarsbuben den Weg gemeinsam zu gehen. Sie wurden aufeinander aufmerksam, als Dorli etwas langsamer ging als gewohnt und sie von einer Mutter mit ihrem Sohn einholt wurde. „Darfst du schon alleine gehen“, fragte sie. „Ja meine Mutter erlaubt das, weil ich nämlich schon ganz vernünftig bin. Vielleicht darf Max mit mir zusammen gehen, ich passe auf ihn auf.“ „Naja, vielleicht passt ihr beide auf euch auf.“ Von da an gingen Dorli und Max jeden Tag zur Schule und von dort nach Hause. Karin und die Mutter von Max saßen wie Glucken auf den beiden und erlaubten bestenfalls eine Geburtstagsfeier mit Kuchen und Limonade. Doch die beiden waren erfinderisch und so manche Liebkosung fand unter dem Deckmantel des Lernens statt. Die Sprache in der Stadt unterschied sich deutlich von der am Land und trotz großen Fleißes war nur ein mäßiger Abschluss in Deutsch und Mathematik möglich. Ihre Kreativität und ihre Sozialkompetenz trugen hingegen sehr gute Beurteilungen ein. Am Ende der Pflichtschule entschied sie sich für eine Koch- und Kellnerlehre. In einem Hotel eines beliebten Ausflugszentrums fand sie einen sehr guten Lehrplatz, der ihr auch sehr große Freude bereitete. Doch bereitete man sie auf das Ende der Behaltepflicht nach der Lehre vor, und obwohl sie bei allen sehr beliebt war, konnte man sie nicht länger anstellen. Dorli fand auch recht rasch wieder eine Anstellung in einem ländlichen Industrieort, in dem einige Arbeiter und Angestellte zum Mittagessen lieber in den Gasthof gehen als in die Kantine. Nach einer Woche sagte ein Gast, den sie gerade bediente: „Schau, Mädel, bist du aber a Feine? Bringst mir ein Krügerl frisch gezapft?“ „Na klar! Was willst denn, a Weiße oder a Hopfenperle?“ „A Weiße fürs Erste und a Weißwurscht mit an Kartoffelsalat und ona Laugnbrezn.“ „Sofort der Herr.“ „Sog ruhig Karl zu mir, bei so oana lieben Bedienung bin i öfter do.“ „Das wird mich freuen, Karl. I bin die Dorli und die Weiße kommt sofort, die Weißwurst dauert noch ein bisserl.“ „Ja, ja ich hob jo net weit zur Firma.“ „Wo bist denn?“ „In Eggelsberg unweit von do. Wo wohnst denn du?“ „Do hier im Gasthof.“ „Kann man dich hier auch besuchen?“ „Ja, aber jetzt nicht.“ „Hab ja nur gemeint.“ „Kommst morgen auch zum Essen?“ „Ist ja klar. Also bis morgen, Tschüss.“ „Jetzt muss ich dich fragen, du kommst nun jeden Mittag hierher. Arbeitest du hier in der Nähe?“ „Ja, bei einer Firma, die Steuerungen herstellt, ganz in der Nähe. Ich bin Elektrotechniker.“ „Das ist interessant.“ „Ich muss dich fragen, ob ich dich zu einem Ausflug einladen darf?“ „Gerne, ich habe nächstes Wochenende frei.“ „Wann kann ich dich abholen?“ „Um 9:00 Uhr, hier im Gasthof, wenn es dir genehm ist.“ „Gut, abgemacht.“ Es hupt wie wild vor dem Gasthof und Dorli springt förmlich ins Auto zu Karl. Ein Küsschen folgt auf das Gehupe, das sich eher wie eine Hochzeitfahrt anhört, als eine Begrüßung. „Ich habe ein Picknick geplant, am Ufer des Ibmer Moors. Das ist ein Naturschutzgebiet ganz in der Nähe. Wir können sogar einen Barfußspaziergang um den Ibmersee wagen und den Moorlehrpfad erkunden, es ist dort ganz ungefährlich, wenn man die geschützten Wege nicht verlässt. Ich habe alles dabei, auch zwei Campingsessel. Danach möchte ich dich nach Mattighofen zum Pfandlwirt entführen, wenn du einverstanden bist.“ „Das klingt ja echt cool. Also zuerst zum Moor.“ „Dann ist beim Pfandlwirt angerichtet.“ Erwidert Karl. Der Ibmersee lässt den Alltag vergessen, die kleinen und die großen Sorgen perlen ab, wie an einem Regenmantel. Wie lange wird Dorli im Gasthof bleiben können. Wird sie wieder auf Arbeitssuche gehen müssen? Die zarten Bande mit Karl würden zerbrechen, bevor sie richtig begannen. Doch im Moment sieht sie nur den gedeckten Tisch und freut sich auf ein gutes Essen und ein Glas Wein und danach wollen beide nach dem erlebnisreichen Tag nur noch über ihre Eindrücke reden und dem anderen eigene Geschichten erzählen. Es war schon im Morgengrauen als sie die Liebe einschlafen ließ, doch der Sonntag begann so, wie der Samstag endete, sie konnten nicht voneinander lassen und zum Frühstück waren sie zu spät, also setzten sie fort, was sie abends erfreute. Beim Mittagsessen sagte Karl zu Dorli etwas unbeholfen: „Darf ich dir einen Heiratsantrag machen? Ich habe zwar keine Blumen mit, aber ich lieb dich über alles, meine kleine Göttin Dorli.“ „Angenommen Karl, es ist ja recht unvermutet rasch gekommen, aber auch ich liebe dich sehr. Wann denkst du sollte das sein?“ „Bevor der Bauch zu sehen ist.“ „Hast du eins gemacht?“ „Ja, ich glaub, es war nicht zu halten.“ „Wir werden sehen, aber Hochzeit könnten wir recht bald feiern. Meinen Vater wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit niemals kennenlernen, meine Mutter würde sich sehr freuen. Noch dazu, weil ich ein uneheliches Kind bin und sie darunter sehr zu leiden hatte, das war eine Generation früher. Sollten wir ein Kind bekommen, wäre es die größte Freude meiner Mutter bereits verheiratet zu sein. Der Kellner nähert sich und kommt mit dem Tablett: „Die Hochzeitsplatte natürlich für zwei Personen und eine Flasche Pinot gris? Guten Appetit!“ Das Aufgebot konnte rasch bestellt werden und der Termin der Eheschließung wurde am Standesamt Mattighofen bekannt gemacht. Es waren wenig geladene Gäste, das Brautpaar, die Eltern von Dorli, Karin und Waldemar, Dorlis Jugendfreund Max, die Eltern von Karl, Elisabeth und Franz. Karl hatte wie Dorli keine Geschwister und trotz seiner umgänglichen Art kaum Freunde, so blieb die Anzahl der Hochzeitstafel bescheiden, aber die Stimmung umso ausgelassener. Die Tafel feierte im Pfandlhof und die Musik kam von einem jungen Trio zusammengesetzt aus Harmonika, Klarinette und Gitarre, das zur Eröffnung der Tafel den Brautmarsch aus Lohengrin spielte. Da kam Bewegung in die Gäste. Karl nahm Dorli um die Mitte und die beiden glänzten um die Wette. Es folgten Walzer, Polka und ein Boarischer nach dem anderen, bis allen die Luft knapp wurde. Dorli erlernte den Boarischen mit Wechselschritt und Drehschritt sehr rasch und die Gesellschaft war lustig und ausgelassen. Karin fragte nichtsahnend: „Werde ich nun Großmutter?“ „Das weiß nur Gott allein. Kauf bitte noch kein Gitterbett und Strampelhose, wir werden dich rechtzeitig informieren.“ Elisabeth möchte wissen: „Werdet ihr in der Gegend bleiben, oder habt ihr vor wegzuziehen? Karl hat eine gute Stelle hier und du hast auch gute Arbeitsmöglichkeiten. Sollte Nachwuchs kommen können wir aushelfen.“ „Die Lebensbedingungen hier sind ideal für euch“, meint Franz. Das Baby ließ nicht lange auf sich warten und Dorli wurde von einem 3,4 kg schweren und 51 cm großen Buben entbunden, den sie Georg tauften.

      Georg

       Dorli und Karl nahmen das Angebot der Eltern dankend an. Nach dem Abstillen übernahm Karin die Erziehungsaufgabe und Georg fühlte sich sichtlich wohl. Karin und Waldemar lebten nun in Leoben, weit weg von der Kartenrunde. Die Stadt ist umgeben von Hügeln und Bergen. So kam es auch, dass dort ein kluger Herzog im neunzehnten Jahrhundert eine Montanuniversität und viele Berg- und Hüttenbetriebe gründete. Auch Karins Wohnung, im ersten Stock eines Mietshauses, befand sich am Fuße eines Hügels, den Georg oft zum Spielen nützte. Sein Spielkamerad gleichen Alters wohnte nebenan. Karin war sehr katholisch zumindest was das Brauchtum betraf. Vor Weihnachten kam, wie jedes Jahr der Nachbar, als Nikolaus verkleidet, begleitet von einem finsteren Höllengesellen, dem Krampus. Er klopfte energisch an die Türe, begehrte Einlass. Nikolaus, der Georg aufforderte ein Gebet zu sprechen füllte den Raum mit der Mitra und dem Hirtenstab, sowie mit seiner Stimme. Georg ließ vor Schreck und Ehrfurcht den Löffel in die Suppe fallen, um sich mit einem Gebet, von der Bestrafung durch diesen zotteligen Kompagnon, freizukaufen. Monate später die Wiese erblühte, sie war voll von Pusteblumen, die in dieser Gegend Löwenzahn genannt werden. Georg genoss das Spiel mit seinem Kameraden. Doch eines Tages war da kein Kamerad und er suchte den Spielfreund im Haus gegenüber, vergebens. Als er nach ihm fragte, rannen der Mutter dicke Tränen über das Gesicht und sie kreischte nur noch. Eine zweite Frau stand daneben und bedeutete Georg, dass er gehen möge. Erst Karin klärte ihn auf. „Dein Freund ist in der Waschküche in den heißen Laugentrog gefallen und er kommt nie wieder.“ Georg kapierte die Situation nicht ganz und fragte: „Ist nie wieder, dann Morgen?“ Dann ging er noch tagelang zu den beiden Frauen und fragte nach seinem Spielkameraden. Doch er bekam keine Antwort mehr und ging unbeantwortet seiner Frage zu Karin, die ihm nochmals erklärte: „Dein Spielkamerad kommt nicht mehr.“ Waldemar