S.C. Keidner

Unvergängliches Blut - Sammelband


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schluchzte auf und gehorchte. Gegenwehr war soundso zwecklos. Sie war umgeben von Vampiren, das Tor war geschlossen.

      »Nehmt sie und steckt sie in die Käfige. Sie sollen in der Sonne schmoren«, sagte Raiden kühl, der das Ganze aus einiger Entfernung beobachtet hatte.

      Die Krieger brachten die Wajaren in den hinteren Teil des Hofes, zu den Käfigen. Die Sklavenjäger wurden einzeln oder zu zweit eingesperrt. Ihre Schreie, Flüche und ihr Widerstand blieben unbeachtet. Raiden drehte sich währenddessen zu Taran um. »Nun zu dir. Schauen wir, ob du wirklich eine Ewige bist oder nur eine einfache Blutsklavin.«

      »Vater«, hörte sie Damien leise sagen. Er hatte sein Schwert eingesteckt und hielt sie an den Oberarmen gepackt.

      Raiden schnitt, was auch immer sein Sohn hatte sagen wollen, mit einer knappen Geste ab. »Folgt mir.«

      Er ging ihnen voraus in das Halbdunkel der Mauer, eine ausgetretene Steintreppe hinunter, die an einem Gitter endete, das von einem Wächter geöffnet wurde. Der Wächter entzündete eine Fackel. Sie stiegen weitere Stufen hinab. Feuchte und kalte Luft schlug ihnen entgegen. Taran spürte die nassen und glitschigen Steine unter ihren nackten Füssen. Es stank nach Schimmel und Fäkalien.

      Sie zitterte vor Angst. Als aus der Finsternis vor ihnen ein viehisches Brüllen ertönte, schrie sie auf und wehrte sich erfolglos gegen die Griffe des Vampirs Damien. Diesmal sagte er ihr nicht, dass sie ruhig bleiben sollte.

      Der Wächter blieb vor einem weiteren Gitter stehen. Die Fackel beleuchtete riesige weiße Hände, die durch die Eisenstäbe nach ihm griffen. Taran starrte entsetzt auf diese Pranken. Sie wollte nicht wissen, zu welcher Bestie sie gehörten. Sie wollte weit weg von ihr sein.

      »Verdammt«, fluchte Damien. »Hilf mir, sie zu halten.«

      Es griff noch jemand nach ihr. Jetzt hielten Damien und ein zweiter Krieger sie fest zwischen sich, ihre panischen Abwehrbewegungen ignorierend.

      Der Wächter nahm sein Langschwert und begann, durch die Gitterstäbe nach dem Wesen im Verlies zu stechen. Es brüllte, die Pranken wurden zurückgezogen.

      »Vater«, sagte Damien, »aber wenn er sie ‒.«

      »Das wird er nicht«, unterbrach Raiden ihn unwirsch. »Ihr Blut wird ihn sofort töten. Er bekommt keine Gelegenheit, sich in sie zu verbeißen.«

      »Falls sie eine Ewige ist.«

      »Genau, falls sie eine ist.«

      Sie würden sie zu der brüllenden Bestie in das Verlies stecken. Sie wollten, dass die Bestie sie biss. Taran machte einen letzten verzweifelten Versuch. »Nein! Bitte, nein! Lasst mich, Herr! Bitte!«

      Die Vampire ignorierten sie. Der Wächter stach weiter nach der Bestie im Verlies, während Raiden den Schlüssel von ihm nahm. »Ich mache jetzt auf«, sagte er gleichmütig. »Stoßt sie dann zu ihm hinein.«

      »Nein!« Tarans Flehen steigerte sich zu einem schrillen Schreien. »Nein! Bitte!«

      Raiden öffnete das Gitter. Ein heftiger Stoß. Das Gitter schloss sich scheppernd hinter ihr. Sie stolperte und fiel. Sah eine riesige Schattengestalt vor sich. Roch den Gestank, der von ihr ausging. Die Bestie schnaufte. Ihre Augen glommen.

      Taran konnte nicht mehr schreien. Ihr Füße bewegten sich frenetisch auf dem nassen glatten Steinboden, versuchten, sie von der Bestie wegzuschieben. Die Bestie stand einen Augenblick da, als zögerte sie. Dann brüllte sie. Taran schrie, als sie sich auf sie stürzte, sie hochriss und zubiss, die Fangzähne durch ihr Nachtkleid in ihre Schulter bohrte. Ein heißer Schmerz durchfuhr sie.

      Das Verlies, der Gestank, verschwanden, als Bilder kamen. Ein kleiner Junge, der mit seinem Vater spielt. Sein erstes Pferd. Schwertübungen, die ihn zum Krieger machen. Die Schlachten, die er besteht. Seine Ernennung zum Mitglied des Rates. Seine Streitgespräche mit Raiden. Seine Beratungen mit Damien. Sein geheimer Treueschwur gegenüber dem wahren Herrscher der Stämme. Sein letzter Streit mit Raiden. Er wird in das Verlies gebracht. Sie versagen ihm Blut. Er verfällt der Tobsucht. Sie bringen ihm dieses Mädchen. Ihr Haar. Eine Ewige. Er darf sie nicht beißen, er darf nicht. Er versucht, zu widerstehen. Er darf nicht. Er stürzt sich auf sie, trinkt ihr Blut. Es brennt in seinen Adern, … Die Bestie brüllte auf. Ein helles Licht erleuchtete das Verlies, als sie in silbrigem Staub verging.

      Taran spürte kaum, wie sie sie aus dem Kerker zogen. Ihr Körper, selbst die Bisswunde, waren taub, so groß war ihr Entsetzen. Ihre Beine versagten. Nur die Griffe der Krieger hielten sie noch aufrecht.

      »Hervorragend«, sagte Raiden zufrieden. »Das sollte renitente Stammesfürsten zur Räson bringen. Wenn sie sich weigern, mir die Treue zu schwören, füttere ich sie mit deinem Blut.« Seine Finger strichen müßig über ihre Wangen, nahmen eine Strähne ihres Haares. Sie war zu erschöpft und entsetzt, um ihr Gesicht abzuwenden. »Damien, bring sie in die Zellen der Sklaven. Der Aufseher soll ihr etwas zu essen und Kleidung geben. Sie soll Hausarbeit verrichten, bis ich sie wieder brauche. Vielleicht die Wäscherei. Dann komm in die Halle, ich berufe eine Ratssitzung ein.«

      Damien brachte sie aus dem Verlies zu dem Gebäude mit den vergitterten Fenstern. Dort drückte ihr eine verhärmte Frau ein einfaches Kleid, ein geflochtenes Lederband und dünne Schuhe in die Hand mit der Anweisung, dies alles in der nächsten Nacht anzuziehen. Sie bot ihr etwas zu essen und zu trinken an, was Taran verweigerte, und betupfte die Bisswunde mit einer kühlenden Essenz. »Es verheilt schon wieder«, murmelte die Frau.

      Damien, der die Versorgung der Wunde schweigend beobachtete, nickte kurz.

      Ein weiterer Vampir erschien, klein und dick und gekleidet in Hosen und Hemd aus Seide. »Das ist die Ewige, über die jeder spricht?«, fragte er und betrachtete Taran wie ein zum Verkauf angepriesenes Stück Vieh auf dem Markt.

      »Sieh zu, dass sie eine Zelle für sich hat. Vater wünscht, dass sie Hausarbeit verrichtet, in der Wäscherei«, wies Damien ihn an. Er wandte sich an Taran. »Dies ist Bence, er beaufsichtigt die Sklaven. Wie ist dein Name?«

      Sie erwachte aus ihrer Apathie, sah verängstigt zu ihm hoch. Er erwiderte ihren Blick mit regloser Miene. »T ... Taran«, flüsterte sie mit gebrochener Stimme.

      »Taran.« Damien wandte sich zum Gehen. Einen Moment meinte sie, Mitleid in den Augen des furchterregenden Kriegers gesehen zu haben, doch da verließ er den Raum schon mit schweren Schritten.

      Bence brachte sie in eine Kammer mit einem vergitterten Fenster, die gerade groß genug für einen Strohsack mit einer Decke war. »Es wird bald Tag«, knurrte der Aufseher, bevor er die Tür hinter sich schloss. »Morgen Nacht hole ich dich wieder. Dir werden dann Arbeiten zugewiesen.« Ein Riegel wurde vorgeschoben.

      Ihre Beine gaben nach. Sie sank auf den Strohsack und ließ die Kleidung achtlos auf den Boden fallen. Das Verlies, der Gestank, die Bestie. Die Bilder. Sie vermochte nicht zu erfassen, was geschehen war, in welcher Hölle sie sich befand.

      Die Wajaren draußen in den Käfigen riefen und fluchten. Das erste Licht des Morgens fiel durch das Fenster. Je heller es wurde, desto lauter wurden sie, begannen zu schreien.

      Taran stand schwankend auf. Das Fenster ging hinaus auf den Kampfplatz und die Käfige. Mit Ausnahme der Wajaren, die verzweifelt versuchten, der Sonne zu entgehen, war niemand zu sehen. Die Qualen der am frühen Morgen noch schwachen Strahlen mussten unermesslich sein. Kemp, in einem Käfig am Anfang der Reihe eingesperrt, riss sich kreischend die Kleidung vom dampfenden Leib. Seine Haut verfärbte sich rot, warf Blasen und rollte sich auf wie brennendes Papier. Das darunterliegende Fleisch kochte. Er fiel auf die Knie, versuchte mit dem rohen Fleisch seiner Arme die Augen zu schützen, warf sich brüllend auf den Boden. Sein Fleisch verdampfte und legte Knochen frei, die in der Sonne allmählich zu Asche zerfielen. Irgendwann hörte er auf zu schreien, so, wie seine Männer in den Käfigen neben ihm. Ihre Asche wurde vom Wind über die Mauer in die Berge geweht.

      Taran fühlte nichts, als sie ihnen beim Sterben zusah, weder Genugtuung, noch Entsetzen oder Abscheu. Sie war in ihrem eigenen Martyrium aus Trauer, Angst und Schmerz gefangen. Ein trockenes Schluchzen brach aus