Alfred Bekker

Killer ohne Reue: Ein Jesse Trevellian Thriller


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riss ein Stück Schutzfolie von einem Klebestreifen herunter und brachte das Ding am Schloss des Haupttores an. Dann zog er an einem Metallring einen Bolzen aus dem quaderförmigen Gegenstand heraus.

      Wie auf ein geheimes Zeichen hin traten beide Maskierte einen Schritt zurück.

      Eine Detonation folgte.

      Grell schlugen die Flammen empor. Eine Welle aus Druck und Hitze verbreitete sich. Das Tor sprang auf. Mit einem Fußtritt öffnete es der Mann mit der Automatik, während sein Komplize wild mit der Uzi herumballerte. Er hielt die Wachleute auf Distanz.

      Ein Wagen tauchte aus der Dunkelheit heraus auf.

      Die beiden Maskierten rannten darauf zu.

      Der Mann mit der Automatik blieb kurz stehen und schleuderte den Verfolgern einen eiförmigen Gegenstand entgegen. Die hatten überhaupt keine Chance, rechtzeitig zu erkennen, worum es sich handelte.

      Um eine Handgranate.

      Die Detonation war furchtbar. Ein mörderischer Flammenpilz machte für schreckliche Sekunden die Nacht zum Tag. Schreie gelten durch die kalte Nacht.

      Die Maskierten hatten indessen den Wagen erreicht. Sie rissen die Türen auf, stiegen ein. Mit quietschenden Reifen brauste der Wagen davon.

      *

      Der Tatort lag im nördlich der Bronx gelegenen New Rochelle. Mitten in der Nacht hatte man mich und meinen Kollegen Milo Tucker aus dem Schlaf geklingelt und zusammen mit einigen weiteren Special Agents des FBI hier her geschickt.

      Per Telefon hatte ich nur das Nötigste erfahren.

      Unbekannte hatten einen Überfall auf das Gelände der Firma MADISON GEN-TECH verübt.

      Ein Fall, der möglicherweise die nationale Sicherheit berührte.

      Genaueres würden wir am Tatort erfahren.

      Wir gehörten zu den Letzten, die dort eintrafen. Unsere Kollegen Agent Orry Medina und Clive Caravaggio erwarteten uns bereits, als wir das MADISON-Gelände betraten.

      Das Gelände war von Uniformierten geradezu hermetisch abgeriegelt worden. Teilweise handelte sich dabei um Polizeikräfte, aber es waren auch Angehörige eines privaten Sicherheitsdienstes anwesend, der offenbar dafür zu sorgen hatte, dass sich keine Unbefugten auf dem Firmengelände von MADISON GEN-TECH aufhielten.

      Einige Männer in weißen Seuchenschutzanzügen erregten meine Aufmerksamkeit. Da die Anzüge das Firmenemblem von MADISON GEN-TECH trugen, nahm ich an, dass es sich um Angestellte handelte.

      "Habt ihr schon irgendeinen Schimmer, was hier los ist, Orry?", wandte ich mich an Agent Medina.

      "Fest steht nur, dass mindestens zwei Täter auf das Firmengelände vorgedrungen sind und wild um sich geballert haben, als sie bemerkt wurden. Einer der Wachleute ist ermordet worden. Außerdem haben wir mehrere verletzte Wachmänner."

      "Weiß man, was die Täter hier gesucht haben?", fragte Milo.

      "Sie sind in die Labors eingedrungen", meinte Orry.

      Mir gingen die Seuchenschutzanzüge nicht aus dem Kopf.

      Wenn das die normale Dienstkleidung in den Labors von MADISON war, dann konnte das nur bedeuten, dass dort mit hochgefährlichen Substanzen umgegangen wurde...

      Inzwischen trafen weitere FBI-Agenten ein. Spurensicherer vor allem. Das gesamte Gelände musste genauestens abgesucht werden, damit wir auch dem kleinsten Hinweis auf die Täter nachgehen konnten.

      Als Milo und ich das MADISON-Gebäude betreten wollten, wurde uns von einem Mann im grauen Anzug und dicker Brille der Zugang verwehrt.

      "Sie können hier nicht durch", sagte er und fuchtelte dabei mit den Armen herum. An seinem Revers befand ich eine ID-Card mit Lichtbild und Namen. Danach hieß er Dr. John Tremayne.

      Ich hielt ihm meinen Dienstausweis entgegen.

      "Special Agent Jesse Trevellian, FBI. Wir können hier sehr wohl hinein", sagte ich höflich, aber sehr bestimmt.

      "Nein, das können Sie nicht", erwiderte Tremayne. "Jedenfalls nicht, wenn Ihnen Ihr Leben und das von vielen anderen etwas wert ist..."

      "Wer sind Sie?"

      "Dr. Tremayne. Ich bin in diesem Labor beschäftigt..."

      Ich zuckte die Schultern. "Klären Sie mich darüber auf, was hier los ist!", forderte ich.

      "Die Eindringlinge, so scheint es, sind in einen sehr sensiblen Bereich unserer mikrobiologischen Labors vorgedrungen. Einen Bereich, in dem höchste Sicherheit zwingend erforderlich ist. Wenn sie dort etwas zerstört haben, dann..."

      "Woran wird dort gearbeitet?", fragte ich.

      Tremayne sah mich an. Sein Gesicht wirkte faltig und kalt.

      Er schien zu überlegen. Dann sagte er: "Ich weiß nicht, ob ich autorisiert bin, mit Ihnen darüber zu reden."

      "Das sind Sie", erklärte ich. "Und falls Sie unsere Ermittlungen verzögern, wird das Konsequenzen haben."

      Ein Mann mit Halbglatze tauchte hinter Tremayne auf. Er war recht füllig. Sein Gesicht war ernst.

      Tremayne drehte sich zu ihm um.

      "Dr. Ressing..."

      "Es scheint alles unbedenklich zu sein", sagte Ressing. "Der Laborbereich kann betreten werden..." Er sah uns an.

      "Wer...?"

      Mein Ausweis beantwortete ihm seine Frage. Er nickte.

      "Kommen Sie, Sir!"

      *

      Wir zogen hauchdünne, weiße Overalls über unsere Alltagskleidung.

      Dr. Ressing lächelte matt, als er unsere skeptischen Blicke bemerkte. "Diese Anzüge sind nicht zu Ihrem Schutz. Sie sollen verhindern, dass Sie irgendwelche Mikroorganismen oder Staubpartikel in die Labors tragen, die unsere Arbeit von Jahren vernichten können." Er zuckte die Achseln.

      "Leider waren diese ungebetenen Besucher weniger rücksichtsvoll..."

      "Woran arbeiten Sie?", fragte ich.

      "MADISON ist ein Unternehmen, das sich im Bereich der Gentechnik einen Namen gemacht hat", erklärte Ressing.

      "Das ist mir klar", sagte ich. "Worum geht es hier genau?"

      "Wir experimentieren mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen."

      "Zu welchem Zweck?"

      "Zum Beispiel, um neue Impfstoffe herzustellen!"

      "Dann experimentieren Sie mit Krankheitserregern!", schloss ich.

      Ressing lächelte. "Das ist richtig. Anders kann man auf diesem Gebiet keine Erfolge erzielen."

      "Ich verstehe."

      "Die Bakterienpräparate in unseren Labors würden ausreichen, um die gesamte USA zu entvölkern. Eine richtige Büchse der Pandora, wenn Sie wissen, was ich meine. Darum ist hier auch alles abgesichert wie in Fort Knox."

      Während wir einen langen, kahlen Flur entlanggingen, kam uns ein junger Mann mit bleichem Gesicht entgegen. Er trug eine ID-Card am Kragen seines weißen Schutzoveralls.

      "Dr. Ressing! Es fehlt einer der CX-Behälter", brachte er der junge Mann mit gedämpfter Stimme vor.

      Auf Dr. Ressings Gesicht erschienen ein paar tiefe Furchen.

      "Sind Sie sicher?"

      "Irrtum ausgeschlossen, Sir!"

      "Mein Gott..." Auch aus Dr. Ressings Gesicht floh jegliche Farbe. Er wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über das Gesicht. Das Entsetzen war ihm anzusehen. Dann blickte er auf, mir direkt in die Augen. "Ein Behälter mit Pesterregern ist von den Einbrechern entwendet worden..."

      "Ist das nicht eine Krankheit aus dem Mittelalter, die inzwischen längst ausgerottet