Alfred Bekker

Killer ohne Reue: Ein Jesse Trevellian Thriller


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nahm die Plastiktüte mit dem CX-Behälter und stieg aus.

      Mit einer nachlässigen Bewegung schloss er den Wagen ab.

      Er ging die Straße ungefähr fünfzig Meter zurück, blieb dann vor einem zehnstöckigen Gebäude stehen. Ein mattes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er die Sprechanlage am Eingang betätigte. Eine Überwachungskamera richtete ihre Linse auf ihn.

      "Guten Tag, was wünschen Sie?", fragte eine weibliche Stimme.

      "Hier ist Smith. Ich werde erwartet!"

      *

      Am nächsten Morgen, als wir in Mr. McKees Büro saßen, lag der ballistische Bericht vor. Es stellte sich heraus, dass eine der Waffen, die bei dem Überfall auf das Gelände von MADISON GEN-TECH benutzt worden war, bereits in unseren Datenbanken verzeichnet war.

      Es handelte sich um eine automatische Pistole vom Kaliber .45. Vor zwei Jahren war mit dieser Waffe ein Wachmann erschossen worden, der vor einem Waffen- und Munitionsdepot der Navy seinen Dienst getan hatte.

      "Es blieb damals bei einem versuchten Überfall", erläuterte uns Agent Max Carter, ein Innendienstler der Fahndungsabteilung. "Einer der Täter wurde gefasst, die anderen entkamen. Zeugenaussagen zu Folge muss es sich um zwei oder drei Männer gehandelt haben, die versuchten, in das Depot einzudringen. Allerdings wurden sie offenbar entdeckt, bevor sie irgend etwas erbeuten konnten."

      "Was ist mit dem, der damals gefasst wurde?", fragte Mr. McKee.

      "Es handelte sich um einen gewissen John F. Monty", erklärte Carter. "Und der sitzt heute noch auf Riker's Island ein. Leider hat er seine Komplizen nie verraten."

      "Vielleicht kommen wir trotzdem über diesen Monty weiter", meinte Agent Medina. Orry war indianischer Abstammung und bekannt dafür, immer wie aus dem Ei gepellt herumzulaufen. Er galt als der bestangezogendste G-man des Districts. Während er den Kaffeebecher zum Mund führte, lockerte er etwas die Seidenkrawatte.

      "Vielleicht könnten Sie und Clive sich darum kümmern", meinte Mr. McKee. "Dass Monty damals nicht ausgesagt hat, um sich damit eine gnädigere Justiz zu verschaffen, muss ja schließlich seinen Grund haben. Vielleicht wird er oder jemand aus seiner Familie finanziell unterstützt... Was weiß ich!"

      Orry nickte.

      "Wir nehmen uns das Umfeld dieses Mannes mal vor", versprach er.

      "Weiß man irgend etwas über die Motive, die Monty und seine Komplizen damals hatten?", fragte ich an Carter gewandt.

      Dieser schüttelte den Kopf.

      "Leider nein, Jesse. Monty hat allerdings ein Vorstrafenregister, das eigentlich auf einen ganz gewöhnlichen Kriminellen deutet."

      "Nichts, was in Richtung Geheimdienste deutete?", hakte Mr. McKee nach.

      "Nein", sagte Carter. "Aber das muss natürlich nichts heißen. Selbst wenn ganz gewöhnliche Kriminelle den Überfall auf MADISON GEN-TECH ausgeführt haben, dann sagt das nichts darüber aus, wer diesen Coup in Auftrag gegeben hat. Gangster vom Format eines John F. Monty sind einfach zu kleine Fische, als daß sie die Möglichkeit hätten, einen CX-Behälter mit genveränderten Yersinia Pestis eigenständig zu vermarkten. Vielleicht wussten die Täter nicht einmal, was sie da genau erbeuteten. Sie haben einfach ihren Job gemacht. Fragt sich nur, für wen."

      *

      Die Fahndung lief auf Hochtouren. Vor allem suchten wir natürlich nach dem verschwundenen CX-Behälter. Jeder Polizist in New York City bekam eine Art Steckbrief mit einer genauen Beschreibung dieses Behälters und Farbfotos. Radio und Fernsehen verbreiteten Suchmeldungen, in denen allerdings der Inhalt dieses Behälters nicht erwähnt wurde. Schließlich sollte erstens keine Panik ausgelöst werden und zweitens gab es fahndungstaktische Gründe dafür, kein Detailwissen zu verbreiten. Schließlich war der Kreis derer, die über den Inhalt dieses Behälters Bescheid wissen konnten, sehr begrenzt. Vielleicht gehörten nicht einmal die Täter dazu ganz sicher aber ihre Auftraggeber.

      Allerdings wurde in den Suchmeldungen eindringlich davor gewarnt, den CX-Behälter zu öffnen oder zu beschädigen.

      Inzwischen lag eine erste Auswertung der Personaldaten von MADISON GEN-TECH vor.

      Es gab eine Liste von insgesamt zwölf Personen, die Zugang zu dem mikrobiologischen Labor gehabt hatten, aus dem der CX-Behälter entwendet worden war. Es handelte sich ausschließlich um Wissenschaftler.

      "Nur diese Zwölf konnten wissen, wo sich der Behälter mit Yersinia Pestis in der Nacht des Überfalls befinden würde", erläuterte Carter. "Und viel Zeit zum Suchen hatten die Täter bekanntlich nicht!"

      "Könnte es nicht auch sein, dass jemand die Datenbanken von MADISON angezapft hat?", fragte Milo.

      "Theoretisch möglich, in diesem Fall aber unwahrscheinlich. Die Laborrechner haben keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Es gibt keine Datenfernverbindungen oder dergleichen. Offenbar wollte man auf Nummer sicher gehen und mit allen Mitteln verhindern, dass das Know-how von MADISON in die Hände der Konkurrenz gerät."

      "Also nehmen wir mal an, dass zumindest die Auftraggeber gewusst haben, woran bei MADISON gearbeitet wird", sagte ich.

      "Diese Zwölf sind dann wirklich die einzigen, die dieses Wissen weitergeben konnten? Da müsste man doch sicher noch ein paar Leute in der Manhattaner MADISON-Zentrale hinzurechnen. Alec Mercer wusste zum Beispiel ganz gut Bescheid. Und natürlich Fürbringer in Zürich."

      "Ich spreche von Detailwissen", erwiderte Carter. "Wie weit die Kenntnisse von Alec Mercer gehen, weiß ich nicht. Aber es gibt da tatsächlich noch eine dreizehnte Person, die wir uns genauer ansehen sollten. In den Personaldaten ist vermerkt, dass diese Person seit zwei Monaten ein absolutes Verbot hat, den Laborbereich zu betreten."

      "Um wen handelt es sich?", fragte ich.

      "Dr. George Hiram. Es steht in in den Unterlagen keine Begründung für diese Maßnahme. Aber man sollte Hiram mal befragen."

      Jetzt mischte sich Mr. McKee ein und fragte: "Gibt es bei den anderen Zwölf irgend etwas, was auffällig ist?"

      "Dr. Tremayne reiste im letzten Jahr viermal nach Karachi, Pakistan."

      "Um Urlaub zu machen oder im Auftrag der Firma?"

      "Eine interessante Frage, Sir, auf die wir leider noch keine Antwort haben!"

      Mr. McKee wandte sich an Milo und mich.

      "Nehmen Sie beide sich die Liste mal vor und versuchen Sie etwas damit anzufangen..."

      *

      George Hiram hatte eine Wohnung in Midtown Manhattan.

      Sündhaft teuer und ziemlich eng, aber dort trafen wir ihn nicht an.

      Von Nachbarn erfuhren wir, dass Hiram sich zur Zeit in seinem Ferienhaus in Florida erholte.

      Florida, New York State, wohlgemerkt - ein kleines verschlafenes Nest an einem traumhaften See, etwa siebzig Meilen nordwestlich von New York City.

      Es war eine ziemlich lange Fahrt dorthin. Unterwegs las Milo mir Teile des Dossiers vor, das Agent Carter uns über Hiram zusammengestellt hatte.

      Er war ohne Zweifel ein interessanter Mann.

      Er hatte zunächst eine beeindruckende Universitätskarriere hinter sich gebracht. Ein geradezu kometenhafter Aufstieg, dann der Wechsel in die freie Wirtschaft. Er wurde Leiter der Entwicklungsabteilung von Fürbringer do Brasil, der brasilianischen Tochtergesellschaft des Züricher Unternehmens. Vor zwei Jahren schließlich wechselte er zu MADISON GEN-TECH.

      Wir verzichteten darauf, in der MADISON-Zentrale nachzufragen, was es damit auf sich hatte, dass Hiram der Zutritt in den Laborbereich untersagt war. Zuerst wollten wir Hirams Version der Geschichte hören - ohne dass diese irgendwie zuvor beeinflusst werden konnte.

      Außerdem kannte Hiram das gesamte Forscher-Team, das derzeit in den MADISON-Labors tätig war.

      Und vielleicht