Alisha Mc Shaw

Rondaria


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Sie lachte tonlos auf und schüttelte den Kopf. »Ein Bär. Das ist doch vollkommen irre! Ein schlechter Traum ... oder vielleicht doch eher ein Märchen?« Sie fixierte ihn. »Aber Großmutter, warum hast du denn so große Augen?«

       Noyan

      Der Unglaube in ihrer Stimme war nicht zu überhören und er seufzte. Sie dachte, geträumt zu haben? »Pass auf. Ich weiß ja, dass es dir schwerfallen muss, mir das alles zu glauben. Aber es ist kein Traum gewesen, sondern die Wahrheit und allein deshalb bin ich hier.« Sie zog ihre Beine auf den Ohrensessel, schlang die Arme darum und vergrub ihren Kopf dazwischen. »Denkst du, mir macht es Spaß, gefühlt jeden zweiten Tag durch die Galaxie zu reisen? Aber Palina ist nun mal die Gefährtin des Alphas und was sie sagt, ist Gesetz.«

      Aleynas Kopf ruckte hoch, sie starrte ihn mit offenem Mund an. »Durch die Galaxie zu reisen?«

      Offensichtlich besaß er ein besonderes Talent dafür, in ihrer Gegenwart mit der ganzen Tür ins Haus zu fallen. »Ähm, also ... na ja, nicht direkt durch die ganze Galaxie«, stammelte er. »Um genau zu sein, eigentlich nur zur Erde.« Er leerte seine Tasse und stellte sie beiseite. »Es ist so. Ob du es glaubst oder nicht, für mich ist das hier genauso verwirrend wie für dich.«

      Sie lachte frustriert. »Ach, bei euch ist es also nicht Standard, dass irgendwer daher kommt, und eure Weltansicht aus den Fugen reißt?«, fragte sie spitz. »Weil man angeblich nicht geträumt hat?«

      Wider Willen musste er lachen. »Nein.«

      Sie stellte ihre Tasse auf dem Tisch ab und verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Okay, ich rekapituliere. Du bist also ein Wolf, und du reist durch die Galaxie. Du behauptest, mein Vater sei ein Bär. Bin ich dann ein Halb-Bär? Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte? Vielleicht ... Was mein Vater und ich mit dieser ganzen Sache zu tun haben? Denn weißt du, er ist tot, und ich wüsste nicht, wie er dir nützlich sein sollte.«

      Noyan blinzelte, er war nicht sicher, ob Aleyna ihn grade auf den Arm nehmen wollte. »Würdest du mir überhaupt zuhören, wenn ich versuchte, es zu erklären?«, fragte er leise. »Ohne bissige Kommentare?«

      Es dauerte eine Weile, ehe sie antwortete, was er als gutes Zeichen wertete. »Na ja ... ich könnte es versuchen«, sagte sie schließlich, und ihm war klar, dass dieses Zugeständnis das Beste war, was er erwarten konnte.

      »Okay.« Er wandte den Kopf und sah zu ihr. »Also, dein Vater gehörte zu meinem Volk. Er war ein Gestaltwandler und wie ich schon erwähnte, ein Bär.«

      Aleyna blickte zwar skeptisch drein, aber sie schwieg.

      »Unsere Welt nennt sich Rondaria. Schon seit Jahrhunderten springen wir zwischen ihr und der Erde durch Portale hin und her. Wir versuchen zwar grundsätzlich, unsere Andersartigkeit vor den Menschen zu verbergen, aber manchmal kommt es dennoch vor, dass sich ein Wandler mit einem Menschen ... verbindet, wie im Fall deiner Eltern.«

      Sie hob die Hand. »Soll also heißen, mein Dad ist ein Gestaltwandler und meine Mutter ist es nicht?«

      »Aye.«

      »Was wiederum bedeuten würde, dass ich tatsächlich eine Mischung aus beidem bin?«

      »Genau.«

      »Das ist doch absoluter Blödsinn!«

      Er riss die Augen auf. Wie bitte?

      »Meinst du nicht, dass ich es wüsste, wenn ich irgendein Mischlingsding wäre, so, wie du behauptest, ein Wolf zu sein? Findest du nicht selbst auch, dass deine Geschichte eher nach einer vielversprechenden Karriere in Hollywood klingt?« Sie lehnte sich wieder zurück. »Nur, weil ich als Kind eine Zeitlang glaubte, mit Tieren sprechen zu können, heißt das nicht, dass ich dir deine Story jetzt einfach so abkaufe!«

      Er schloss die Augen und zählte langsam bis zehn, ehe er sie wieder öffnete. Sie war eine harte Nuss, dabei hatte er geglaubt, es würde einfacher werden, da sie ja schon zugegeben hatte, sich an ihre tierischen Kindheitsfreunde zu erinnern. »Weißt du«, setzte er an, erhob sich vom Sofa und trat einen Schritt zur Seite, »vielleicht sollte ich dir all das, von dem ich dir erzählen wollte, einfach zeigen!«

      Ihre Augenbrauen schossen in die Höhe und sie spannte sich sichtlich an.

      Er hob die Hand und vollführte eine kreiselnde Bewegung. Was er jetzt tat, würde ihn zwar Energie kosten, aber anders konnte er ihr nicht beweisen, dass sie nicht geträumt hatte. Die Luft begann zu flimmern und ein leichter Luftzug war zu spüren, der sich in ihren Haaren verfing.

      Eine im Raum schwebende, ovale Öffnung erschien. Ihr Rand schimmerte regenbogenfarbig und darin sah man wie durch einen Schleier hindurch eine Lichtung, die von großen, dunklen Bäumen gesäumt war. Ein erstickter Laut löste sich von Aleynas Lippen, ihre Augen wurden größer. Mit einem leisen Keuchen wich sie zurück und drängte sich tiefer in den Sessel.

      »Was ist das?«, wisperte sie. Sie schien etwas verängstigt, aber auch neugierig und beide Gefühle machten sich in ihm breit, als sei er es, von dem sie ausgingen.

      »Diese Lichtung liegt in der Nähe des königlichen Horts, wo Palina und ich leben«, erklärte er ruhig. »Ich kann das Portal von überall aus öffnen, aber für die Ankunft muss ich die Punkte kennen, an denen der Übergang möglich ist. Es gibt sowohl in Rondaria als auch auf der Erde nur ein paar Plätze, zwischen denen man als Ankunftsort wählen kann.«

      Ihre Neugier drängte die Angst immer weiter zurück, das konnte er nicht nur spüren, sondern langsam auch sehen, denn ihre verkrampfte Haltung entspannte sich etwas und sie löste die Umarmung ihrer Beine. »Und wie hast du das gemacht?«

      Irritiert runzelte er die Stirn. Sie hatte doch jede seiner Bewegungen gesehen, ihn nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen. Machte sie das mit Absicht? Seine Miene schien Bände zu sprechen, denn jetzt zeigte sich ein Schmunzeln auf ihrem blassen Gesicht. »Was ich meine, ist: Wie funktioniert das?«, änderte sie ihre Frage.

      »Ähm ...«, war seine erste, wenig geistreiche Antwort. Ein wenig überfordert fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und ihr Schmunzeln wurde zu einem breiten Grinsen.

      »Der große, böse Wolf weiß nicht, wie sein Reisemittel funktioniert, oder?«

      Mit zusammengekniffenen Augen sah er sie an. Er hatte sich nie damit beschäftigt, wie die Magie, die er nutzte, funktionierte. Für ihn war sie einfach da und er hatte ihre Funktionsweise noch nie hinterfragt. »Nein, ich weiß es nicht«, presste er knurrend hervor. Ernsthaft, sie sollte aufhören, ihn so zu nennen! »Großer, böser Wolf. Von wegen!«, murrte er und schloss das Portal mit einer erneuten Handbewegung.

      »Dafür, dass du mir meine Geschichten nicht glaubst, hängst du dich ganz schön daran auf!« Verzweiflung machte sich in ihm breit. Hatte er sich tatsächlich freiwillig dazu erboten, sie nach Rondaria zu holen? Vielleicht sollte er sie doch Chiron oder der königlichen Garde überlassen. Er stand auf, zog sich das Hemd über den Kopf und schlüpfte aus seiner Hose.

       Aleyna

      Was, um Himmels Willen, tat er denn jetzt? Fassungslos sah sie ihm dabei zu, wie er sich entkleidete und ihr Herzschlag beschleunigte sich schon wieder. Nackt, wie er war, sah er sie an und seine grauen Augen flackerten.

      »Ich präsentiere: Den großen, aber weniger bösen Wolf!«, sagte er und sie schluckte. Er wollte doch nicht etwa ... Doch, so wie es aussah, wollte er genau das.

      Aleyna drückte sich tiefer in den Sessel, als könne dieser sie vor dem schützen, was jetzt kommen würde. Sie wusste nicht, wie sie das Gefühl beschreiben sollte, das sich in ihr anstaute. Auf der einen Seite war es Angst vor dem Tier, obwohl sie es schon einmal gesehen hatte, auf der anderen Seite war da diese tiefe Neugier, und sie wusste nicht, welche Empfindung stärker war.

      Noyan stand in gebückter Haltung vor ihr und sein gesamter Körper begann, sich zu verändern. Seine Fingernägel verfärbten sich, krümmten sich zu Klauen. Die Hände wuchsen zu pelzbedeckten Pfoten, aus seiner Haut spross dunkles Fell, ähnlich seiner Haarfarbe. Arme und Beine